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09.03.2022

 

Michael Lüders, Hybris am Hindukusch. Wie der Westen in Afghanistan scheiterte

 

Verlag C.H. Beck (www.chbeck.de) Paperback, München 2022, ISBN 978 3 406 78490 3, 205 Seiten mit 1 Karte, Broschur 14,95 €

 

Michael Lüders war lange Jahre Nahost-Korrespondent der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT. Er ist Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft und als Nahost-Experte häufiger Gast in Hörfunk und Fernsehen. Er wurde nicht zuletzt im Verlag C.H. Beck Bestseller-Autor; einige seiner Werke zur muslimisch-arabischen Welt wurden hier bereits vorgestellt.

 

Das vorliegende Werk will uns Antwort geben auf die Frage, weshalb und wie der Westen in Afghanistan scheiterte. Michael Lüders setzt seinen Ausführungen einige Zitate voran, z.B. von Mullah Mohammed Omar, Begründer der Taliban:

„Was die Zukunft der Vereinigten Staaten in Afghanistan anbelangt, so wird sie Feuer sein und Hölle, sie erwartet eine vernichtende Niederlage. Nicht anders, so Gott will, wie es vor ihnen den Sowjets und Briten ergangen ist“.

 

In der Tat, der Plan seitens der USA und der NATO, mit Hilfe einer Marionettenregierung in Kabul und westlich ausgebildeter Sicherheitskräfte für Ruhe und Ordnung zu sorgen, konnte nicht aufgehen. Schritt für Schritt in einem lebendigen Schreibstil leitet der Autor uns durch die Geschichte dieses Einsatzes, der zwanzig Jahre lang unser Zeitgeschehen prägte - bis zum bitteren Ende, der Rückkehr der Taliban und dem Abzug der USA und ihrer Verbündeten im August 2021.

 

Michael Lüders führt uns zunächst nicht nur die Schönheiten des Landes vor Augen, sondern auch seine besondere geografische Lage, die er Afghanistans Schicksal nennt. Geografie ist der Schlüssel zum Verständnis der Lage. Mehr als 2500 Jahre diente das heutige Afghanistan als Durchgangsland für Eroberer aus allen Himmelsrichtungen seit Alexander dem Großen. Lüders zählt die Nachteile des umkämpften Landes auf: Die Bergwelten in ihrer Unzugänglichkeit – berüchtigt der Hindukusch als westlicher Ausläufer des Himalaja -, verschiedene Stämme und Ethnien, Streit um Vorherrschaft etc. Machtkämpfe gab es in Kabul, fernab von den Sorgen von 95% der Bevölkerung.  Jedoch Einigkeit unter den Afghanen gab es dann, wenn es galt, gegen ausländische Invasoren vorzugehen. Das erlebten die britischen Besatzungsmächte ab 1839 und die sowjetischen nach ihrem Einmarsch 1979 sowie letztendlich die USA und NATO in ihrem „Krieg gegen den Terror“ nach dem 9. September 2001. Schon 1956 hatte Moskau beschlossen, Afghanistan zu einem Schwerpunkt sowjetischer Wirtschafts- und Militärhilfe zu machen. So kam es 1978 landesweit zu den ersten Aufständen religiös motivierter Kämpfer, den Mudschahedin. Moskau wollte den Widerstand gewaltsam brechen, scheiterte und zog sich 1992 zurück. Die sowjetischen Opfer wurden auf 15.000 beziffert, die  afghanischen auf 500.000 bis zwei Millionen geschätzt.

 

Das Jahr 1979 war ein weiterer Wendepunkt in der Zeitgeschichte: Die Revolution im Iran mit der Machtübernahme durch Ajatollah Khomeini. Die Folgen in der Region beleuchtet Lüders anschaulich; auch das Entstehen der „Taliban“ (Schüler einer Koranschule) in Pakistan. Die Knaben in den Madrasas werden zwar indoktriniert, aber nachdem sie kostenlos versorgt werden, machen verarmte Familien  regen Gebrauch, ihre Kinder in deren Obhut zu geben. So bleibt der ungebrochene Zulauf an Zöglingen garantiert. Der Mullah Mohammed Omar aus Kandahar übernahm die Führung dieser religiösen Bewegung und konnte Ende 1994 bereits 12.000 Anhänger aus Afghanistan und Pakistan zählen. Ihr Siegeszug hatte begonnen und sie kamen im September 1996 in Kabul an die Macht.

 

Am 7. Oktober 2001 begannen die USA mit ihren derzeit Verbündeten - Großbritannien, Kanada und Australien – den Afghanistan-Krieg unter dem Label „Enduring Freedom“ (Dauerhafte Freiheit). U.a. erprobten sie „thermobare“ Bomben (die heute vom russischen Militär in der Ukraine eingesetzt werden). Am 13. November marschierten die nordafghanischen Kämpfer, unterstützt von US Militär, in Kabul ein; die Taliban erkannten, dass sie der amerikanischen Luftüberlegenheit nicht standhalten konnten und zogen sich zurück. Unter dem legendären Ausspruch des Verteidigungsministers Peter Struck (SPD) „Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt“ trat Deutschland den „Stabilisierungseinsatz“ an. Erst im April 2010 nannte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) diesen beim wirklichen Namen, und zwar „Krieg“.

 

Hauptsächlich zwei Kardinalfehler seitens der Verbündeten prangert Michael Lüders in seinen Ausführungen an: Erstens die Annahme, eine von außen installierte Marionettenregierung hätte Bestand und zweitens, ein genaues Kriegsziel zu definieren sowie den Zeitrahmen: „Warum? Wozu? Wie lange?“ Bei der Petersberger Afghanistan-Konferenz in Bonn unter der Ägide der Vereinten Nationen (27. 11. – 5. 12. 2001) zur Installierung einer pro-westlichen Regierung in Kabul beging man eine „Ursünde“ – wie es der algerische Diplomat Lakhdar Brahimi ausdrückte -, das heißt, man band die Taliban als stärkste gesellschaftliche Kraft Afghanistans in die Verhandlungen nicht ein.

 

Im Mai 2003 kündigten die Taliban an, die westlichen Besatzer und die von ihnen eingesetzte Regierung mit Hilfe eines Guerillakrieges zu verjagen und schon im Sommer begann der Aufstand, den sie auf brutalste Weise führten. Und wieder mussten ausländische Invasoren scheitern. Die Regierung Hamid Karzai konnte zu keinem Zeitpunkt die westlichen Erwartungen erfüllen. Zwar verlängerte der Deutsche Bundestag das Afghanistan-Mandat im März 2021 wie stets um ein weiteres Jahr bis Februar 2022, doch wenig später verkündete Präsident Biden den Abzug seiner Truppen zum 11. September 2021, begann ihn jedoch schon am 31. August. Das Chaos bei der Evakuierung wurde in den Medien entsprechend ausgebreitet.

 

Michael Lüders verschont den Leser nicht mit der Schilderung von Fehleinschätzungen durch verbündete Truppen:  Beispielsweise das Versäumnis, Ortskräfte rechtzeitig zu evakuieren oder die Bombardierung von Zivilisten, darunter viele Kinder, an zwei vollgefüllten Tanklastwagen am 3. September 2009 südlich von Kunduz. Dazu gehören auch von Flugzeugen abgeworfene Bonbons, die wie Streuminen gelb eingewickelt waren; Kinder wurden Opfer der Verwechslung. – Der Epilog des Werks „Aus dem Desaster lernen“ stellt große Fragen in den Raum:  „20 Jahre Krieg in Afghanistan – wozu? Hat er das Leben der Afghanen verbessert, sie in die Freiheit geführt, die Frauen zumal? Die Welt sicherer gemacht?“

 

Fazit: Das vorliegende ist ein weiteres wichtiges Buch von Michael Lüders, das hilft, unsere Zeitgeschichte besser zu verstehen.  - Eine Schlussbemerkung der Rezensentin sei gestattet: Wann immer eine muslimische Bevölkerung involviert ist, sollte die Kraft der Religion niemals unterschätzt werden. Wie es der französische Leutnant Paul Azan schon im Jahre 1903 angesichts permanenter Aufstände der algerischen Stämme gegen die Kolonialmacht Frankreich formulierte: „Der Koran ist DAS unüberwindbare Hindernis gemeinhin!“. Seine Worte haben sich auch in Afghanistan bewahrheitet…

 

Helga Walter-Joswig

 

   

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