C.H. Beck (www.chbeck.de), München 2024, Leinen, 904 Seiten mit 5 Karten und 1 Tabelle
Für das vorliegende komplexe Werk konnten Verlag und Herausgeber renommierte Autoren gewinnen, 40 Experten aus Deutschland, Frankreich, den USA und anderen Ländern. Sie spannen einen weiten Bogen der arabischen Welt vom nordafrikanischen Maghreb über Ägypten, Syrien-Palästina, der Arabischen Halbinsel und dem Irak. Hinzu kommen alle vom Islam und der arabischen Sprache geprägten Regionen, auch wenn dort nicht arabisch gesprochen wird, z.B. Iran, Zentralasien und Indien sowie West- und Ostafrika.
Die Einleitung des Herausgebers zu diesem Buch erklärt seine Strukturierung. Zehn Regionalgeschichten wurden in fünf umfassende Zeiträume eingeteilt: „(A) das antike und spätantike Arabien bis und mit der Zeit Muhammads (bis ca. 632), (B) das spätantike arabisch-islamische Reich bis zum Bürgerkrieg zwischen den Abbasiden al-Amīn und al-Ma'mūn (809-813), (C) die Periode einer fortschreitenden Arabisierung und Islamisierung der immer mehr vom Islam geprägten Welt bis zu den Verwüstungen der Banū Hilāl und der Banū Sulaym im Maghreb (um 1050) bzw. der Mongolen im Osten (um 1250), (D) die Vormoderne bis zur Besatzung durch die europäischen Staaten (um 1800) und (E) die Zeit bis zur Gegenwart, in der die arabische Welt ihren Platz in den großen globalen Diskursen sucht.“ – Anschaulich wird der Text durch Landkarten der jeweiligen Epoche.
Der Erste Teil „Arabien und die Araber in Altertum und Spätantike 2500 v. Chr. – 632 n.Chr.“ erklärt u.a. den Ausdruck „Arabia felix“. Die wirtschaftliche Prosperität Altsüdarabiens, einerseits der internationale Handel entlang der Weihrauchstraße, andererseits eine intensive Landwirtschaft in fruchtbaren Oasen, verliehen ihm den Namen. Die Entstehung und Frühgeschichte der islamischen Gemeinde in Mekka und Medina wird in Erinnerung gebracht. Die Ausführungen werden durch eine Landkarte „Die Mittelmeerwelt und Westasien um 600“ bereichert.
Der Zweite Teil „Das arabisch-islamische Imperium als Teil der Spätantike 632-800“ beginnt mit dem Zusammenwachsen des arabisch-islamischen Imperiums unter muslimischer Verwaltung (Beitrag des Herausgebers) und weiterer Expansionen. Ebenfalls eine Landkarte „Die islamische Welt um 800“ beschließt die Texte.
Der Dritte Teil „Die Zeit der Arabisierung und Islamisierung 800-1250“ wird von verschiedenen Autoren in neun Kapitel analysiert. Der erste Satz nimmt die Quintessenz vorweg: „Kaum ein Ereignis in der Geschichte hat das politische und sprachliche Bild eines Gebietes in gleichem Maße verändert wie die islamische Eroberung des Nahen Ostens und Nordafrikas im 7. und 8. Jahrhundert“. Es beschreibt das Geschehen in der Arabischen Halbinsel, in Syrien-Palästina, dem Irak, Ägypten, Maghreb und Al-Andalus, dem arabisch-islamischen Staat in Europa. Zwei Kapitel beschäftigen sich mit der arabischen Kultur in Iran, Zentralasien und Nordwestindien sowie um Kenntnis und Rezeption derselben in Byzanz. Die Landkarte „Die islamische Welt um 1300“ enthält u.a. das Byzantinische Reich 1270.
Der Vierte Teil führt uns in die „Arabische Kultur in der Vormoderne“. Wir erfahren vom Arabischen Kanzleistil und literarischen Salons in Ägypten, dem Kampf des Maghreb gegen europäische und osmanische Expansion, die große Zeit der Persophonie, die Osmanisierung der arabischen Eliten und abschließend von der arabischen Kultur als Teil westeuropäischer Identität – Abgrenzung und intensiver Austausch. Verdeutlicht durch die Landkarte „Die arabisch-muslimische Welt um 1800“.
Der Fünfte Teil „Arabische Kultur als Teil der Globalkultur seit 1800“ ist der umfangreichste. –Eine Fülle an Themen erwartet den Interessierten, wie die Wandlung charismatischer Herrschaft zu Staaten im imperialen Kontext in der Arabischen Halbinsel; Syrien-Palästina in Reform, Kolonialherrschaft und prekärer Staatlichkeit. Staatenbildung und Fragmentierung, Militärdiktaturen, Neuausrichtungen, Sprache der Religion und absterbendes Bildungserbe führen zur arabischen Kultur in Europa, Süd- und Nordamerika sowie in West- und Ostafrika als Mittel politischer Mobilisierung. Der letzte Beitrag stellt die Frage nach einer transnationalen arabischen Globalkultur und enthält Aussagen namhafter arabischer Künstler, vornehmlich Literaten. Angesprochen wird der Arabische Frühling, folgend der lange Schatten der Proteste: Dokumentation, Gewalt und Migration, ebenso das Ringen um die Unabhängigkeit des Maghreb. In diese Phase fielen auch der Palästinakonflikt und die Kämpfe der arabischen Nachbarn mit dem neuen Staat Israel. Eine Landkarte „Die arabische Welt in der Gegenwart“ zeichnet arabischsprachige Mehrheiten, Minderheiten und die Mitgliedsländer der Arabischen Liga auf.
Ganze 904 Seiten sind ein gewichtiges Werk; eingeschlossen ist ein umfangreicher Anhang von 247 Seiten mit Anmerkungen, Quellen und Literatur aller Beiträge sowie eine Vorstellung der Autorinnen und Autoren. Wiewohl wissenschaftlich fundiert, sind die Beiträge verständlich geschrieben. Eingangs der einzelnen Kapitel sind die wichtigsten Daten und Ereignisse aus den Texten in wenigen Zeilen zusammengefasst, was das Auffinden bestimmter Gegebenheiten erleichtert. Alles in allem ein gelungenes Werk; die große Mühe des Verlags, Herausgebers, der Autorinnen und Autoren hat sich gelohnt!
Helga Walter-Joswig
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