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16.08.2014

 

Nachruf auf Peter Scholl-Latour

 

Nachruf auf Peter Scholl-Latour: Der ewige Abenteurer von Daniel Gerlach

 

Quelle: SPIEGEL ONLINE

 

Seine Bücher und Berichte aus der weiten Welt waren so spannend wie die Feldpost eines Geheimagenten. Vielen galt der jetzt gestorbene Peter Scholl-Latour als Nahost-Experte. In Wahrheit war er eine leibhaftige Romanfigur.

 

 

Scholl-Latour: "Das hatte schon was von Somerset Maugham"

 

Peter Scholl-Latour ging auf die 90 zu, als er in Nadschaf, der heiligen Stadt der Schiiten im Irak, von einem hochrangigen Geistlichen, einem Ajatollah, empfangen wurde. Gut zu Fuß war Scholl-Latour, wie immer. Nur seine Knie waren etwas steif, sodass es ihm schwerfiel, auf dem Boden Platz zu nehmen, wie es sich in diesem Teil der Welt geziemt. Dass man ihn wie einen alten Mann behandelt und ihm niederhilft, kam für ihn nicht in Frage.

Ich hatte ihn einmal - mit großer Sorge um seinen Oberschenkelhals - beobachtet, wie er sich bei einem solchen Anlass mit gestreckten Beinen auf den Hosenboden fallen ließ.

Vor unserer Audienz bei dem schiitischen Ajatollah al-Hakim lehnte ich mich deshalb unauffällig gegen seinen Rücken und ging gemeinsam mit ihm sachte in die Knie, um seinen Sturz ein wenig abzufedern. Scholl-Latour nickte dankbar. Jetzt war ich sein Mitverschwörer - einer, der sein Recht auf Eitelkeit stillschweigend als das anerkannte, was es war: ewig und unveräußerlich.

Da saß er nun neben einem gebrechlichen, weißbärtigen Ajatollah, der aussah, als hätte er noch den Mongolensturm auf Bagdad persönlich miterlebt. In Wirklichkeit war er aber zehn Jahre jünger als Scholl-Latour. Dieser hingegen wirkte aufgeweckt, trug blauen Doppelreiher und eine der vielzähligen Varianten jener scholl-latourschen Seidenschals, unter den Hemdkragen gesteckt.

Es war sein Markenzeichen, das er auf den Bildern der meisten Schutzumschläge seiner rund drei Dutzend Sachbücher trägt. Er gewöhnte sich an dieses Accessoire schon lange, bevor er einmal feststellte, dass es auch praktisch ist: Der Hals werde im Alter ja nicht schöner, sagte mir einmal Scholl-Latour.


Jeden Tag Liegestütze, einen Whisky oder zwei

Manchmal erinnerte er mich an eine Königskobra: Selbst bei offiziellen Anlässen saß er oft träge da und schlummerte einfach vor sich hin. Wenn man das Wort dann an ihn richtete oder ein Scheinwerferlicht anging, spannte er sich plötzlich auf und ging in Angriffstellung - schaltete aber wenig später auf Energiesparmodus um.

Jetzt hat der "ewige Peter", wie ihn manche Kollegen nannten, seine letzte Reise angetreten. Wohin die geht - wer weiß das schon. Fromm war er nicht, betonte aber in den letzten Jahren immer wieder, dass er Christ sei - Katholik. "Bei den Muslimen verschafft mir das mehr Respekt, wenn ich weiß, wohin ich gehöre", sagte er.

Die Muslime, der Islam, der Orient, die Araber - über Jahre hatte PSL ein veritables Monopol auf diese Themen. Er verwaltete es, baute es aus, verteidigte es gegen Anfechtungen. Was er aber nie tat: sich darauf ausruhen, Tantiemen kassieren, sich selbst einen Allwissenden und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Jeden Tag Liegestütze, einen Whisky oder zwei nach Sonnenuntergang, nie geraucht. Er reiste unablässig und nahm sich Zeit für jeden, der seine Meinung zur Weltpolitik vernehmen wollte.

Als "PSL" die Verfassung der Islamischen Republik schmuggelte

Scholl-Latour wurde bekannt als ARD-Korrespondent in Vietnam. Er war zunächst der Prototyp des kommentierenden Berichterstatters. Dann, am 1. Februar 1979, kam er durch etwas Glück und mit viel Ehrgeiz an Bord jenes denkwürdigen Air-France-Fluges, der Ajatollah Ruhollah Chomeini nach Teheran brachte. Scholl-Latour schmuggelte damals, so erzählte er immer wieder, ein Dokument: die neue Verfassung der Islamischen Republik.
Journalist und Autor: "Einer der Großen des Journalismus"

Er wurde so zum ersten medial vermarkteten "Nahost-Experten" - eine Zunft, die heute fast genügend Mitglieder für eine Gewerkschaftsgründung hat. In den Achtzigerjahren waren seine Berichte wie die Feldpost eines Doppelnullagenten. Unser Mann im Kongo, am Hindukusch, im wilden Kurdistan. Niemand konnte damals prüfen, wie akkurat er tatsächlich berichtete und wie gefährlich es dort wirklich war. Die Zeit von Facebook, Twitter und Amateurreportern, die Meldungen sekundenschnell im Cyberspace verbreiten, ergänzen oder dementieren können, war seine nicht. Auch der Arabische Frühling nicht. "Für eine Revolution brauchen Sie kein Facebook, sondern Kanonen", sagte er.

Zum Krieg in Libyen und Syrien fiel ihm deutlich mehr ein als zu tunesischen Aktivisten. Er zog sich in letzter Zeit auch oft auf die Rolle des alterszornigen Mahners zurück: Ihr naiven Trottel werdet sehen, was ihr von einem Aufstand gegen Assad in Syrien habt! - so war sinngemäß seine Haltung.

"Ich hätte ihm eine Kugel gegeben"

In den letzten Jahren seines Lebens war Scholl-Latour längst kein Chronist des Weltgeschehens mehr, sondern näherte sich immer mehr einer Figur desselben an: In der Geschichte fühlte er sich zu Hause. In einer immer komplexer werdenden Gemengelage weltpolitischer Konflikte gab sie ihm Sicherheit und Strukturen, an denen er und seine Leser Orientierung finden konnten.

Scholl-Latour befasste sich nicht nur mit Dschingis Khan, Lawrence von Arabien, dem Schah von Persien und Saddam Hussein. Er rückte selbst mehr und mehr in die Nähe solcher epischer Figuren. Und in diesem Kontext musste man auch seine oft weisen, manchmal streitbaren, mitunter auch unmöglichen Kommentare in Medien verstehen.

Der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi starb einen würdelosen Lynchtod - seine Henker ließen es sich nicht nehmen, ihn zu pfählen, indem sie ihm einen Stock in den Anus rammten. Scholl-Latour beschäftigte das sehr. Er sagte mehrfach öffentlich: "Ich hätte ihm eine Kugel gegeben." Nicht einen Moment lang habe ich daran gezweifelt, dass er genau dies tatsächlich getan hätte.

Schöne Frauen, die man notfalls auch einmal entführen muss

Er war ein Mann der Narrative: Wüsten, Dschungel, Giftschlangen, Whisky, Tyrannen, edle Wilde, schöne Frauen, die man notfalls auch einmal entführen muss. Dass sein Leben ein großes Abenteuer werden sollte, bei dem der Tod mitreist, hat er sich nicht ausgesucht: 1924 kam er in Bochum als Kind einer elsässischen Mutter und eines saarländisch-lothringischen Vaters zu Welt. Im "Dritten Reich" galt er wegen seiner jüdischen Vorfahren als "Mischling". Er wuchs unter anderem in einem Schweizer Jesuitenkolleg auf, brach aber noch während des Krieges in Richtung Balkan auf, um sich dort Partisanen anzuschließen. In Österreich geriet er in Gestapo-Haft; gleich nach dem Krieg meldete er sich freiwillig für einen Einsatz der französischen Kolonialtruppen im Indochina-Krieg.

Ich weiß nicht, ob er die in jeder Hinsicht romantische Geschichte, wie er Jahre später seine Frau Eva in Südostasien kennenlernte, je öffentlich berichtet hat. Aber als wir gemeinsam vor dem Schrein des schiitischen Imams Hussein in Kerbala standen und ich seiner Erzählung lauschte, endete sie mit dem Satz: "Das hatte schon was von Somerset Maugham." Nichts weniger als der Figur eines großen Romans würdig sein - das wollte Scholl-Latour.

"Ich werde dann aufhören, Bücher zu schreiben"

Scholl-Latour war nicht der allwissende Nahost-Experte, für den manche ihn hielten. Ihn interessierte die große Linie, keine soziologischen Details.

Ich habe nie die devot verneigende Haltung verstanden, mit der ihm Talkshow-Moderatoren und Chefredakteure im Alter entgegentraten, so wie sie sich von einem Helmut Schmidt belehren lassen oder Hans-Dietrich Genscher feiern.

Auch Scholl-Latour hat das Katzbuckeln vor seiner Autorität insgeheim verachtet. Nur weil man alt ist, hat man nicht Recht, sagte er. Und nach einem Termin mit einem betagten Scheich im Irak flüsterte er mir zu: "Wenn ich irgendwann einmal solche galoppierende Senilitäten von mir gebe, sagen Sie es mir. Ich werde dann aufhören, Bücher zu schreiben."

"Karl May, der Zweite"

Man konnte Scholl-Latour zu Recht vorwerfen, dass sein Abenteurergestus die Analyse überschattete. Für eine ganze Generation von Orientalisten, die sich wissenschaftlich mit dem Nahen Osten beschäftigen, war Scholl-Latour eine veritable Hassfigur. Man nannte ihn "Karl May, den Zweiten". Mancher Wissenschaftler warf ihm vor, dass er Klischees bediente und ein ebenso düsteres wie romantisches Bild vom "Orient" reproduzierte.

Als Studenten der Islamwissenschaft wurden wir mit Scholl-Latour-Kritik geimpft: Über ihn zu spotten, hieß für jüngere Semester, zum Kreis der Eingeweihten zu gehören. Doch Feindbilder, die man vererbt bekommt, verlieren schnell den Reiz des Bösen.

Was Wissen und Kompetenz betrifft, so könne es heute viele Scholl-Latours geben, fand auch schon Scholl-Latour. Aber die Arbeitsbedingungen der Berichterstatter aus dem Ausland und die Ökonomie der Medien machen das unmöglich.

2007 wurde er zum Präsidenten der Deutsch-Arabischen Gesellschaft gewählt, zu seinem 90. Geburtstag in diesem Jahr hielt der Linke Gregor Gysi dem erklärten Konservativen Scholl-Latour noch die Laudatio.

Viele waren angetreten, um ihm die Deutungshoheit über den Nahen Osten zu entreißen. Er hat sie bis zum Schluss verteidigt und ein Stück weit mit ins Grab genommen. Mit ihm geht nicht ein weltläufiger Experte, sondern ein fleischgewordener Romanheld des 20. Jahrhunderts. Ein "Gentleman Adventurer", wie es er selber formulierte.

 

Daniel Gerlach ist Orientalist und Chefredakteur des Magazins "Zenith - Die Zeitschrift für den Orient". Er pflegte in den vergangenen Jahren regelmäßigen Kontakt zu Peter Scholl-Latour und begleitete diesen auf einer Nahost-Reise.

 

   

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