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14.12.2017

 

Das Märchen vom Abendland

 

Die Berliner Ausstellung "Juden, Christen, Muslime" zeigt die abenteuerlichen Wege des Weltwissens im Mittelalter und demontiert nebenbei die These, es gäbe ein christlich-jüdisches Europa. Von Gustav Seibt

 

Das Wissen fand seinen Weg durch ein Netz der Schriftsysteme: Koranfragment aus dem 9. oder 10. Jahrhundert. (Foto: Österreichische Nationalbibliothek)

Seit einigen Jahren ist vermehrt von den "jüdisch-christlichen Wurzeln" des "Westens" (oder des "Abendlands") zu hören, vor allem wenn es darum geht, Europa vom Islam abzugrenzen. Das ist schon deshalb ziemlich heuchlerisch, weil es den Eindruck erweckt, das Miteinander von Juden und Christen sei eine zweitausend Jahre lange Woche der Brüderlichkeit gewesen. Zugleich unterschlägt es, dass Juden und ihre Gemeinschaften viele Jahrhunderte lang in den arabisch-osmanischen Reichen mehr Luft zum Atmen hatten als in der vormodernen Christenheit.

 

Die Verhältnisse waren viel komplizierter und reicher. Das wird am besten sichtbar, wenn man auf die Geschichte des Wissens blickt. Da kann eine nicht untypische Geschichte ungefähr so verlaufen: Im neunten Jahrhundert wurden im "Haus der Weisheit", einer Übersetzerakademie im abbasidischen Bagdad, Texte der antiken Medizin von Hippokrates und Galen aus dem Griechischen ins Arabische übersetzt. Von Bagdad gelangten sie ins muslimische Spanien und von dort in die christlichen Königreiche, und zwar nach Toledo.

 

Dort wurden diese arabischen Versionen griechischer Wissenschaft in der Mitte des zwölften Jahrhunderts ins Lateinische übersetzt. An der Übersetzung beteiligten sich nicht selten des Arabischen kundige Juden, die (oft nur mündliche) Zwischenversionen in der romanischen Volkssprache erstellten, die danach von gelehrten Geistlichen in die abendländische Wissenschaftsprache Latein übertragen wurden. Damit wurden diese Texte für den Rest Europas zugänglich und konnten in den akademischen Unterricht von Paris oder Köln eingespeist werden.

 

Der Wissenstransfer verlief also in einer gewaltigen raumzeitlichen Bewegung im Uhrzeigersinn vom Zweistromland über Nordafrika und Spanien nach Mitteleuropa, auf einem Weg, der gern vierhundert Jahre dauern konnte. Dabei wechselten solche Texte bis zu viermal ihre Sprache und mindestens dreimal die Schrift. Und diese gewaltigen Transformationen betrafen selbstverständlich nicht nur die medizinische Wissenschaft. Auf denselben Wegen wurden die antike Philosophie, die Sternenkunde, Mathematik, und natürlich auch deren arabische Weiterentwicklungen von Ost und Süd nach West getragen, in den zähen Prozessen mühsamen Abschreibens, im bedachten Transfer wertvoller Codices, beim Vortragen und Erklären der Inhalte an Generationen von Lernenden.

 

In den letzten zehn Jahren hat das Thema der Ausstellung politische Brisanz gewonnen

So konnten in latinisierten Versionen auch geistige Titanen wie Avicenna (Ibn Sīnā, 980 bis 1037) oder Averroes (Ibn Ruschd, 1126 bis 1198) die abendländische Wissenschaft prägen. Der maurische Philosoph Averroes hat es in Dantes "Göttliche Komödie" geschafft, wo er schlicht als der genannt wird, "der den großen Kommentar erschuf", also ein Grundlagenwerk zu Aristoteles, den das Mittelalter als größten Philosophen überhaupt verehrte.

 

An diesen Rezeptionsvorgängen waren nicht nur mehrere Sprachen, sondern auch die vier europäisch-orientalischen Schriften beteiligt: griechisch, lateinisch, hebräisch und arabisch. Überhaupt lässt sich diese unermesslich komplexe Geschichte von Einflüssen und Rezeptionen am sachhaltigsten als Geschichte von Handschriften und Abschriften erzählen. So sitzen ihre besten Kenner auch eher in den Manuskriptabteilungen der großen Bibliotheken als auf Philosophielehrstühlen oder in wissenschaftsgeschichtlichen Zentren.

 

Eine opulente Ausstellung von Handschriften und Büchern aus dem Jahrtausend zwischen 500 und 1500 zeigt nun im Berliner Gropiusbau einen auf Medizin und Sternenkunde (zu der im Mittelalter auch die Astrologie gehörte) konzentrierten Ausschnitt. Die glanzvoll schönen, unglaublich interessanten Bücher und Handschriften stammen aus der Wiener Nationalbibliothek, wo sie in ähnlicher thematischer Zusammenstellung vor einem Jahrzehnt schon einmal ausgestellt wurden.

 

Inzwischen hat das Thema der Ausstellung eine politische Brisanz gewonnen, die vor zehn Jahren noch nicht spürbar war. Denn sie widerlegt für jeden, der lesen und schauen kann, die abgrenzende Rede vom Abendland, gar einem christlichen. Die heidnische Vorzeit gehört dazu, sie ist in den Wissenschaften womöglich sogar das wichtigste Element. Und dann führt kein Weg an der Tatsache vorbei, dass griechische Philosophie und Wissenschaft jahrhundertelang in den arabischen Schulen besser aufgehoben waren als in europäischen Klöstern oder Kathedralschulen.

 

Der These vom "christlich-jüdischen" Europa stellt die Ausstellung gleich zu Beginn die Anschauung von den vier Schriftsystemen entgegen, in einer Serie prunkvoller Handschriften, aber auch in Lehrbüchern, die sie - dann schon in der frühen Zeit des Buchdrucks - zusammen abbildeten. Da liegen Korankalligrafien neben hebräischen Bibeln, byzantinische Evangeliare neben karolingischen Unzialen.

 

Wäre die Ausstellung bei der Philosophie geblieben, hätte sie zwar den bis heute geistig folgenreichsten Teil des westöstlichen Sprachschriftzusammenhangs gezeigt, aber nur wenige Bilder sehen lassen können. Der Schwerpunkt auf Medizin und Sternenkunde erlaubt dagegen einen Gang durch die großartige Buchmalerei dieser tausend Jahre vor dem Buchdruck. Die Illustrationen waren nicht nur farbig-schön, sie sollten auch hilfreich sein.

 

Da zeigt eine arabische Handschrift aus dem frühen 13. Jahrhundert, wie man Schlangen mit ausgestopften Puppen ablenkt und fängt. Ein oberitalienischer Kodex um 1300 bringt nicht nur die lateinische Übersetzung der Chirurgie des andalusisch-arabischen Arztes Abulcasis (Abu al-Qasim, 936 bis 1013), sondern auch die bildliche Darstellung der dafür benötigten Instrumente. Kräuter- und Theriakbücher schwelgen in der farbigen Darstellung von Pflanzen und Kleintieren. Geburtshilfe nötigt zu drastischen gynäkologischen Miniaturen im winzigen doppelspaltig-gotischen Buchstabengeflimmer.

 

In der Astronomie geht es nicht weniger farbig zu, dazu kommt die mathematische Präzision von Astrolabien und jenen ptolemäischen, geozentrischen Himmelssystemen, die in Europa von der Spätantike bis zu Kopernikus galten. Die Berliner Ausstellung hat neben erläuternden Wandtafeln einen Katalog, der mit gründlichen Aufsätzen das Wissensgebiet erschließt, das sie vorführt, aber keine nach Nummern geordnete Erläuterung der einzelnen Objekte bietet. Das verlangt dem Besucher, der sich nicht einfach vom Reiz der Schriften und Bilder gefangen nehmen lassen will, viel eigene Bemühung ab. Wer weiterarbeiten will, könnte zum Beispiel den fabelhaften Podcast von Peter Adamson zur Geschichte der Philosophie (historyofphilosophy.net) anklicken, der im Moment am eingängigsten die riesenhaften Zusammenhänge aufdröselt, um die es hier geht.

 

Juden, Christen, Muslime im Dialog der Wissenschaften 500-1500. Bis 4. März 2018 im Berliner Gropiusbau. www.gropiusbau.de

 

Quelle:

http://www.sueddeutsche.de/kultur/ideengeschichte-das-maerchen-vom-abendland-1.3786019

 

   

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