Jahrestage sind in der Regel ein Anlass, um zurückzublicken. Kann es irgendeine Hoffnung auf ein Ende des Blutvergießens und des unnötigen Leids nach einem Jahr des von vielen als „vergessener Krieg“ bezeichneten Gemetzels im Sudan geben? Wann beginnt die internationale Gemeinschaft - derzeit mit dem Gaza-Krieg beschäftigt - mit klarem Blick nach vorne zu schauen und sich klar zu machen, was für das Land und die Region auf dem Spiel steht - und was zu tun ist, bevor der Sudan komplett im Chaos versinkt?
Wie ist die Situation? Nach einem Jahr der Kämpfe zwischen zwei rivalisierenden Generälen ist die Lage im Sudan mehr als verzweifelt. Über 8 Millionen Menschen, davon die Hälfte Kinder, sind derzeit nicht nur als Binnenflüchtlinge innerhalb des eigenen Landes, sondern auch in der gesamten Region der Nachbarländer auf der Flucht und fristen ein elendes Dasein.
Die Hälfte der Bevölkerung - 25 Millionen Menschen - leidet unter Ernährungsunsicherheit. Die Produktionskapazitäten des Landes, von den landwirtschaftlichen Betrieben bis hin zu den Fabriken, wurden zerstört, so dass die Wirtschaft in Trümmern liegt. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen verzeichnet der Sudan heute sowohl die größte Vertreibungskrise als auch die größte Ernährungskrise der Welt. Doch selbst vor diesem düsteren und aussichtslosen Hintergrund wird sich die Situation für die Menschen im Sudan und in der gesamten Region noch weitaus verschlimmern, da die Kämpfe auch im zweiten Jahr andauern. In nur einem Jahr haben die Kriegsparteien es „geschafft“, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu zerstören, denn von den Kämpfen sind sogar einzigartige Kulturgüter, großartige UNESCO-Weltkulturerbestätten, wie Musawwarat Al Sufra, Naga und Meroe, wichtige Kultureinrichtungen, Museen, Schulen und Universitäten, sowie das gesamte Gesundheitswesen betroffen mit dem Ergebnis, dass die junge Generation sich große Sorgen um ihre Zukunft machen muss.
Der Weg aus dem sudanesischen Konflikt wird lang sein, und Aussichten auf die von der Bevölkerung angestrebten Dinge wie zivile Herrschaft ohne Muslimbrüder und demokratische Wahlen sind heute eher eine Ablenkung als ein ernsthaftes Bestreben. „Bedauerlicherweise müssen die Ziele am einjährigen Jahrestag des Konflikts wesentlich bescheidener sein: Verlangsamung des Kriegstempos, Unterbindung von Waffenlieferungen, Aufstockung der humanitären Ressourcen, Zugang zu verzweifelten Bevölkerungsgruppen, Rettung von Menschenleben und Vermeidung eines Worst-Case-Szenarios für den Sudan. Das Erreichen dieser Ziele schafft jedoch die Zeit und den Raum für die schwierigeren Gespräche über die Beendigung des Krieges, die Einführung einer neuen Übergangsregierung und den Wiederaufbau. Die internationale Gemeinschaft muss glauben, dass sie diese Gespräche beginnen kann, bevor ein weiteres Jahr vergangen ist“, so Cameron Hudson, Senior Fellow im Afrika-Programm des Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington.
https://www.csis.org/analysis/looking-ahead-after-year-conflict-sudan
Text und Foto: Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG)
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