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26.06.2013

 

Elias Khoury: Assads Regime ist "nicht mehr in der Lage, das Land zu regieren"

 

Vor allem die USA hätten sich zur Lage in dem umkämpften Land "von Anfang an nur verbal geäußert", sagt der renommierte libanesische Journalist und Schriftsteller Elias Khoury im Gespräch mit Christine Watty. Sie hätten wohl die Hoffnung, dass sich ihre Feinde gegenseitig massakrierten und sich damit ihre Probleme lösten.

 

Christine Watty:
Der Arabische Frühling ist ein schönes Bild, es spiegelt die Hoffnung auf eine bessere, demokratischere Zeit im Nahen Osten. Aber ist Ägypten wirklich auf dem Weg dahin? Und welches Ende soll der Konflikt in Syrien nehmen? Was einst als friedliche Demokratiebewegung gegen das Assad-Regime begann, ist in einen blutigen Bürgerkrieg übergegangen, bei dem schon mehr als 100.000 Menschen ihr Leben verloren haben. Der Westen ist sich einig, dass das Assad-Regime gestürzt werden müsse, aber schreitet nicht wirklich ein. Der Konflikt könnte sich auf die gesamte Region ausbreiten, die Menschen sind verzweifelt. Der Libanese Elias Khoury ist Schriftsteller, Journalist und einer der wichtigsten Intellektuellen der Region. Gestern war er bei uns uns - nicht das erste Mal. Im Jahr 2010 sagte sprachen wir mit ihm über den Arabischen Frühling. Und da sagte Khoury: "Wir zeigen jetzt gerade, dass wir so sind wie alle anderen Menschen weltweit auch. Wir können uns für Demokratie, für Freiheit entscheiden, und genau das tun wir. Es ist ein großer, ein erhabener Augenblick in unserer Geschichte". Und so fragte ich gestern, wie er sich nun fühle, wenn er an die arabische Welt denke, und speziell an Syrien.

 

Elias Khoury:
Also ich empfinde es immer noch so, dass es ein unglaublich spannender und interessanter Moment in unserer Geschichte ist, allerdings hat sich jetzt der Zynismus von Geschichte auch bemerkbar gemacht. Es ist eben so, dass Geschichte eine sehr komplexe Angelegenheit ist. Und wenn wir uns den Ursprung der syrischen Revolution anschauen, und wenn wir uns den Ursprung der arabischen Revolution anschauen, dann würde ich sagen, wir befinden uns immer noch in dieser Revolution, aber sie ist eben kompliziert, sie ist nicht einfach, es ist nicht so, dass Menschen auf die Straße gehen, demonstrieren, und dann fallen schon die Regime, sondern es ist auch etwas sehr Hartes, eine Revolution. Und man macht nur dann eine Revolution, wenn es keine anderen Lösungen gibt.

 

Eine Revolution ist nichts schönes, aber sie ist wichtig, und es ist so, dass man manchmal mit den harten Fakten einer Revolution konfrontiert wird, und dafür muss man streckenweise einen sehr hohen Preis bezahlen, Revolutionen sind nämlich auch schmerzvoll. Dennoch bin ich der Meinung, dass wir zurzeit dabei sind, ein Tor zu öffnen, ein Tor zu öffnen für die Arabische Welt, eben auch, dass so etwas wie Demokratie und Freiheit möglich sind.

 

Watty:
Wenn wir aber speziell auf Syrien schauen, dann erscheint es im Moment so, als stecke diese Revolution in einem sehr aussichtslos erscheinenden Moment. Es scheint, es gebe nur eine politische Lösung, oder eben wirklich ein absolutes Chaos für Syrien. Kann Syrien selbst diese Revolution zu einem guten Ende bringen, oder braucht es Hilfe von außen, und wenn ja, von wem?

 

Khoury:
Also ich bin mit dieser doch sehr pessimistischen Haltung eigentlich nicht einverstanden, dass es keinen Ausweg mehr für Syrien gibt. Ich denke, man muss einfach sehen, dass die syrische Revolution sich an einem Wendepunkt befindet, und dass sie durch verschiedene Phasen durchgeht. Wenn man sich zum Beispiel die sogenannte iranische Lösung anschaut, wie das iranische Regime es geschafft hat, diese grüne Revolution zu unterdrücken, dann ist das mit purer Gewalt geschehen, und das hat deshalb funktioniert, weil in den Städten gab es sehr viel Unterstützung für die Demonstranten, aber auf dem Land wiederum war das überhaupt nicht der Fall.

 

Was hat in Syrien nicht funktioniert? Weil es in Syrien so eine Unterteilung zwischen Städten und dem Land eigentlich nicht gegeben hat. Dann gebe es etwas, ich würde es als die tschetschenische Lösung bezeichnen, wie Herr Putin mit seiner mafiaartigen Demokratie das Tschetschenienproblem gelöst hat, nämlich indem er das gesamte Land zerstört hat. aber auch diese tschetschenische Lösung hat in Syrien nicht funktioniert.

 

Und jetzt komme ich zu einer dritten Option, die für mich sehr viel relevanter ist als die ersten, und da muss man sich noch einmal ganz genau anschauen, wie diese syrische Revolution genau entstanden ist. Und es ist ja so, dass an einem gewissen Punkt es eine Art regionaler Bürgerkrieg geworden ist: Ausländische Mächte haben sich eingemischt, die Hisbollah kam aus den Libanon, dann haben die Iraner schiitische Garden hingeschickt, streckenweise auch Revolutionsgarden, und so ist es zu einer Art konfessionellen Bürgerkrieg mit einem Regionalkonflikt geworden, und das macht eben den ganz großen Unterschied aus, dass hier Sunniten gegen Schiiten sozusagen ausgespielt worden sind.

 

Wir haben auf der einen Seite das Problem, dass die reaktionärsten Staaten dieser Region, nämlich Katar und Saudi-Arabien, sich gegen den Iran stellen, weil sie etwas gegen die Vormachtstellung des Iran unternehmen wollen, und das eigentliche Problem ist, dass die Freie Syrische Armee, diese Syrian Free Army, irgendwo an den Rand gedrängt worden ist, dass sie marginalisiert worden ist. Und nun haben wir wirklich das Problem, dass da eine Art Stellvertreterkrieg letztendlich auch stattfindet zwischen Staaten wie Katar und Saudi-Arabien und auf der anderen Seite dann eben der Iran.

 

Und dann kommt noch etwas hinzu, dass sich die USA und auch die Europäer meiner Meinung nach unglaublich zynisch verhalten, weil sie letztendlich die Interessen Israels vertreten. Für die Israelis besteht das einzige Interesse darin, weil sie nicht wissen, wie dieser Bürgerkrieg ausgeht, dass dieser Bürgerkrieg so lange wie möglich andauert und mit der totalen Zerstörung Syriens endet. Und deswegen ist die ganze Situation so zerfahren, weil es auf der einen Seite eben eine revolutionäre Situation gibt, die durch diese konfessionellen regionalen Konflikte charakterisiert ist, aber letztendlich geht es um die Zukunft einer gesamten Region, es geht nicht nur um die Zukunft von Syrien, sondern es geht um die Zukunft des Libanon, des Irak, aller anderen arabischen Staaten. Ich bin da aber nicht pessimistisch, ich habe da durchaus Hoffnung, und da müssen Opfer gebracht werden, aber ich glaube auch wirklich, dass man den Glauben da nicht verlieren muss, was die Gesamtentwicklung dieses Widerspruchs betrifft.

 

Watty:
Sie sagen, das ist ein Konflikt, der inzwischen natürlich die ganze Region betrifft, und so wie Sie es geschildert haben, wird einem auch noch mal klar, wie viele Gruppen da miteinander über Kreuz sind, dann dazu noch der von Ihnen so bezeichnete Zynismus der westlichen Staaten - woher aber kommt dann Ihre Hoffnung, also wie soll das aufgelöst werden? Kann die Region es selbst schaffen, dort wieder eine Art der Ordnung, womöglich der Demokratie einziehen zu lassen, oder braucht es doch von außen Hilfe, ein größeres Einschreiten als eben bisher?

 

Khoury:
Nun, nur weil ich sage, ich bin nicht pessimistisch, heißt das noch lange nicht, dass ich deswegen schon gleich optimistisch wäre, aber ich glaube, der Grund für dieses Stagnation liegt wirklich in dem, was ich schon angedeutet habe, was ich den Zynismus des Westens und vor allem den Zynismus der USA nenne, weil sie haben sich von Anfang an nur verbal geäußert, sie haben wirklich keine nennenswerten Hilfen gegeben, und natürlich hat die Obama-Administration dafür Gründe, die auch innenpolitische Gründe sind, das Scheitern der Intervention im Irak und auch in Afghanistan mögen da eine Rolle spielen, aber wenn es 100.000 Tote schon gegeben hat und fünf Millionen Flüchtlinge, dann sind das Zahlen, die einfach auch für sich sprechen, und man hat so ein bisschen das Gefühl, dass dieser Zynismus darin besteht zu denken, nun, wenn meine Feinde sich jetzt gegenseitig massakrieren, das heißt, die sunnitischen Extremisten und die schiitischen Extremisten sich gegenseitig ausmerzen, dann löst das letztendlich mein Problem.

 

Aber das Problem ist, wer wirklich massakriert wird, ist die syrische Zivilbevölkerung, und das finde ich zynisch, das habe ich gemeint mit dem Zynismus des Westens. Nun ist es so, dass natürlich bis zu einem gewissen Punkt diese Genfer Lösung, diese Genfer Friedenskompromisse die Lage ein wenig beruhigen würden, sie würden sie aber nicht wirklich lösen, weil es hat ja schon jetzt Momente gegeben, dass infolge dieser Gespräche in Genf dann die Hisbollah Städte besetzt hat in Syrien, sie weiter beschossen hat, sie weiter bekriegt hat, dass es weiter Tote gab.

 

Und natürlich ist ein Waffenstillstand erst einmal eine vorübergehende Lösung, aber er ist keine permanente Lösung, weil dieses diktatorische Regime ist nicht mehr in der Lage, das Land zu regieren. Es ist sehr wohl noch in der Lage, noch sehr lange weiterzukämpfen, sie verfügen über russische Waffen, sie verfügen über iranisches Geld, sie verfügen über frische Truppen, die streckenweise aus dem Ausland stammen - kämpfen können sie noch sehr lange. Aber sie können dieses Land schon lange nicht mehr regieren. Und deswegen, wenn man nicht möchte, dass das Chaos sich weiter ausbreitet, dann muss man der Revolution den Sieg wünschen.

 

Watty:
Nehmen wir mal an, die Revolution erreicht diesen Sieg, dann müssen wir an dieser Stelle trotzdem noch mal auf Ägypten schauen, dort versuchen die Islamisten den Staat nach ihren Vorstellungen zu formen. Minderheiten wie zum Beispiel die Christen werden diskriminiert, Frauen ebenfalls, liberale Intellektuelle und Journalisten werden eingeschüchtert. Ist das nicht, selbst wenn die Diktatur verschwindet, die Zukunft, die Syrien dann erwartet? Das heißt, was käme denn nach Assad?

 

Khoury:
Wenn man sich Ägypten jetzt wirklich ganz genau anschaut und die Situation, die heute dort vorherrscht, mit der unter Mubarak vergleicht, wo es eine wirkliche Diktatur gab, dann ist das, was da sich heute abspielt, fast wie ein Witz. Die Diktatur war wirklich das Schlimmste, was Ägypten passieren konnte. Und natürlich, wenn ich mir jetzt diese Muslimbrüderschaft anschaue, vor der wir alle 40 Jahre lang Angst gehabt haben, was wird geschehen, wenn sie an die Macht kommt, dann sage ich erst mal, wir müssen uns ein bisschen beruhigen und uns genau anschauen, was da wirklich geschieht.

 

Und ehrlich gesagt, ich habe keine Angst vor der Muslimbrüderschaft, weil wenn man sich anschaut, was sie in dem einen Jahr "erreicht haben" in Anführungszeichen, dann ist das eigentlich nichts, wovor man Angst haben muss, sondern ganz im Gegenteil, sie haben sich eigentlich demontiert innerhalb dieses Jahres. Das Problem von solchen Islamisten ist ja einfach, dass sie überhaupt keine kulturelle Produktion leisten, es gibt überhaupt keine intellektuellen Aktivitäten, es wird kulturell überhaupt nichts geleistet. Und wer kulturell nichts leistet und nichts produziert, der kann auch keine Gesellschaft dominieren.

 

Und wenn wir jetzt zurück wieder schauen auf Syrien und auf das syrische Regime, auf das Assad-Regime, und auf diese regional-konfessionellen Bürgerkriege, die sich dort ausgebreitet haben, und auch gewisse Großmächte, die sich dort einmischen wie die Hisbollah, wie der Irak, der Iran und so weiter, dann ist es etwas, was sozusagen letztendlich auch nur die Fassade ist für eine Art von Faschismus, der sein wahres Gesicht irgendwo nicht zeigt.

 

Was dort passiert ist, ist ja nicht eine geplante Revolution, die sich langsam entwickelt hat, sondern da ist einfach die Lage in einem Land explodiert, und das kann man nicht mehr stoppen, diese Form der Explosion. Und Fakt ist nur, dass es keine Lösung mehr zurück zur Diktatur geben kann. Und wenn man sich die Geschichte von Revolution anschaut, nehmen wir beispielsweise die Französische Revolution, dann hat es da ja mehrere Staatsstreiche gegeben, zwischendurch gab es sogar einen Kaiser, und vielleicht braucht es in Ägypten noch mehrere Formen von Staatsstreichen, bevor die Revolution wirklich ihre wahre Form gefunden hat, und dann ist es eben so, die Demokratie ist keine westliche Erfindung, sondern es ist eine menschliche Erfindung. wir können ja auch nicht zum Beispiel sagen, nur weil die Araber Algebra erfunden haben, das ist eine rein arabische Erfindung, sondern es ist eben eine menschliche Erfindung, und darauf kommt es mir an, auf das Humane.



Das Interview aus dem Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur vom 26.06. 2013 finden Sie hier als Text und als Audiodatei.

 

   

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