Die berühmte Statue des unbekannten kushitischen Königs mit feiner Golddekoration ist im Nationalmuseum in Khartoum zu bewundern. Bei Fahrten durch Afrikas drittgrößtes Land (etwa fünfmal so groß wie Deutschland) ist es offensichtlich: Landwirtschaft und Viehzucht spielen eine große Rolle neben der Förderung der reichhaltigen Bodenschätze, wie Uran und Gold. Die unverändert anhaltenden Wirtschaftssanktionen halten die Anzahl der Investoren überschaubar.
Umwelt bleibt auf der Strecke
Große, landwirtschaftlich nicht genutzte Flächen - vor allem im River Nile State (wo das Ministry of Investment große Pläne für Industrieprojekte hat) und im Red Sea State - sind durchwühlt und die Umweltschäden sind unmittelbar ersichtlich. Die gigantischen Wühlarbeiten sind in vollem Gange – einerseits durchgeführt von staatlichen Goldunternehmen mit professionellem Gerät und offiziellen Goldunternehmen mit kleinerem Gerät, andererseits von zahlreichen „wilden“ Goldsuchern, die am Rande der Gesellschaft leben und ein hartes Leben führen. Fernab der Städte, einzeln zu Fuß oder in kleinen Gruppen auf dem Pick-up, mit Schaufeln und Golddetektoren bewaffnet, durchwühlen sie überfallartig die Erde – ohne Rücksicht auf die im Sudan reichlich vorhandenen archäologischen Stätten oder die Natur. Große durchwühlte Flächen in Wadis und Wüsten sieht man u. a. entlang der Straße von Khartoum nach Wadi Halfa im Norden.
Größte Goldvorkommen der Welt?
Offiziell kursieren Zahlen von 80 Tonnen Goldfördermenge im Jahr 2015 und prognostizierten 100 Tonnen in 2016. Sudan steht an dritter Stelle der Goldproduktion in Afrika nach Südafrika und Ghana. 2018 will man den ersten Platz erobern. Wegen der Konzessionen gibt es Kontakte mit anderen Staaten, z. B. Russland und 2012 wurde in der Hauptstadt Khartoum eine Goldraffinerie eröffnet. Immer, wenn es um Gold geht, brodelt die Gerüchteküche – so sollen die Russen vor kurzem mit ausgeklügelter Technik Vorkommen von 46.000 Tonnen geortet haben, das wären die größten Goldvorkommen der Welt.
Alter Glanz: ehemals größte Goldmine im Red Sea State
Von Port Sudan aus geht es – für drei Tage mit Wasser, Proviant und Benzin ausgestattet - zunächst nach Norden bis zum Ort Mohamed Gol. Dort ist die Asphaltstraße zu Ende und ab jetzt heißt es, sich im 4WD off-road in nord-westliche Richtung zu orientieren – im Vertrauen darauf, dass Goldgräber Ali Mahmoud den Weg durch die einsame Gegend findet und das Ziel erreicht. Dies ist Bir Nurayet, ein Gelände, in dem archäologisch interessante Felsgravuren zu entdecken sind – auf Granitfelsen zu Füßen des heiligen Bergs Jebel Margadi. Bei Einbruch der Dunkelheit wird Jebait erreicht, Ort der einst größten Goldmine Sudans, die zuerst von den Briten, die die Förderanlagen bauten, und danach bis Ende des 20. Jh. von den Franzosen (Fa. Minix) ausgebeutet wurde. Nach einer Nacht in einem Gästehaus ohne Strom und Wasser bestimmt am nächsten Morgen das Gold die Gespräche – die alte Förder-Anlage kann besichtigt werden und funktioniert noch und auch die eisernen Transport-Wägelchen auf schmalen Schienen würden noch fahren. Blickfang ist ein neu durch Aufschichtung der abgebauten Materialien entstandener fast weißer, langgestreckter Hügel vor der Kulisse schwarzer Felsen.
Auf dem Rückweg von Bir Nurayet steht der Besuch der Goldmine von Ali Mahmoud auf dem Programm. Zehn Arbeiter sind mit Steineklopfen beschäftigt bzw. holen diese aus in den Berg gehauenen, tiefen Löchern und Gräben. „Zwei große Säcke goldhaltigen Gesteins ergeben nach dem Auswaschen wenige Gramm Gold“, so Ali. „Die Arbeit hier draußen, fernab von jeglicher Zivilisation ist hart und entbehrungsreich“. In einem winzigen Dorf versammeln sich die männlichen Dorfbewohner, allen voran Mohammed Sharif, der Dorf-Älteste zur Begrüßung der selten vorbeifahrenden Fremden an der Piste in der Hoffnung, etwas Neues zu erfahren, denn hier gibt es weder Radio noch Fernsehen, noch nicht einmal ein Netz für das Mobiltelefon und das will etwas heißen, denn ansonsten funktioniert es selbst in den abgelegensten Wüstengebieten im Rest des Landes.
Auf den Spuren von Grabräubern
Der Red Sea State ist die Heimat des großen Stamms der Beja. Im Beja-Center in Port Sudan, das zur Red Sea University gehört, kümmern sich Mohammed Mahmoud und Mohamed Taleb um den Erhalt der Kultur und Sprache dieses Stammes und um den Erhalt der archäologischen Stätten der Gegend. „Wir haben Aufklärungskampagnen mit den Stammesältesten durchgeführt, einerseits um zu erreichen, dass die Gräber geschont werden und andererseits, um die Beja dazu zu bringen, Gegenstände aus den Gräbern ins Beja-Centre zu bringen. Wie sich die wilde Goldsuche durch Grabräuberei auf archäologisch wichtige Stätten auswirkt, kann man südwestlich von Port Sudan sehen“, so die beiden Universitätsdozenten. Die Fahrt im 4WD geht Richtung Berge. Viele Lastwagen laden in der Wüste Sand: kostenloses Baumaterial. In der Ferne liegt in den zackigen, vegetationslosen und mit Steinen bedeckten Bergen der Stausee, der Port Sudan mit Wasser versorgt. An der weit tiefer gelegenen, alten Staumauer hält sich soviel Wasser, dass mitten in der Wüste ein sattgrüner Schilfdschungel entstand. Kaum kommt der Landcruiser hier zum Halt, taucht wie aus dem Nichts ein Mann vom Stamm der Beja wild gestikulierend und schreiend auf. Wie gut, dass Mohamed Mahmoud und Mohamed Taleb ihn verstehen. Ali Abu Ali hält uns für Grabräuber und offenbar hat die Aufklärungskampagne des Beja Center gefruchtet, denn Ali will die vermeintlichen Grabräuber verscheuchen. Erst als glaubhaft erklärt ist, dass wir „die Guten“ sind und die Gegend nur anschauen wollen, beruhigt er sich und erzählt in Beja-Sprache, die Mohamed Taleb übersetzt, dass er hier wohnt und sich als Beschützer der vielen Gräber fühlt. Sogar mit Bulldozern wurde in der Nähe von Gräbern, die sich aus der Ebene als sorgfältig aufeinandergeschichtete Steinplattenhügel erheben, die Erde durchwühlt. „Wir wissen nicht, woher diese Leute kommen, das weitläufige Gebiet ist nur spärlich besiedelt. Die Beja der Gegend haben keine Bulldozer. An dieser Stelle wollten die Räuber die Akazienbäume schonen und haben meterhohe Erdsäulen um die Bäume belassen. Es nützt aber nichts, die Bäume vertrocknen trotzdem. Neue Bäume werden nicht gepflanzt, d. h. die Zerstörung der Natur wird bewusst in Kauf genommen“, so Mohamed Mahmoud. Viele Gräber sind weitgehend zerstört. Die Steinplatten liegen abseits und die ursprüngliche Form ist kaum noch zu erkennen. - Ein Berg fällt auf durch die vielen orangefarbenen Steine, die den Hang bedecken. Bergsteigen ist angesagt. Kurz vor dem Gipfel verläuft eine tiefe, etwa 1 m breite, ausgegrabene Schlucht: eine Goldmine. In der Nähe sind Beja dabei, Gold zu waschen. Gesteinsbrocken aus der Mine wurden schon zerkleinert und die kleinen Brocken in Säcken werden mit einem Hammer in Sand verwandelt. Der Sand landet in einer Blechschüssel, wird mit Wasser übergossen und nach geschickten Drehbewegungen der gesamten Schüssel bleiben sehr viel Sand und winzige Goldkörnchen übrig. - Auf dem Rückweg fällt eine im Bau befindliche, grün angestrichene Anlage mit großen Behältern, Trichtern und Rohren auf. „Die Anlage stammt aus China. Ein sudanesischer Investor hat sie gekauft zum Zweck, das Gold maschinell auszuwaschen“, weiß Mohamed Taleb.
Text und Fotos: Barbara Schumacher
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