Brief von Günter Schenk
An: radio@ard-telaviv.de
Cc: Hoererservice@dradio.de; marco.bertolaso@dradio.de; mediasres-dialog@deutschlandfunk.de
Sehr geehrter Herr Assmann,
in den vergangenen Tagen wurden Sie und Ihre Berichte, vom ard-Studio Tel Aviv, aus naheliegenden Gründen vermehrt "angefragt". Die Gründe, ja die sind beunruhigend und wenn immer (und wo immer) ein gewaltsamer Konflikt zum Tod Unschuldiger, aber auch von "Soldaten" im staatlichen Auftrag führt, fällt Journalisten wie Ihnen eine besondere Verantwortung zu. Dass es für Sie als deutsche Journalisten in Israel nicht einfach ist, "neutral" zu berichten, ist verständlich.
Aus gegebenem Anlass bemerke ich, dass Sie, gewiss nicht nur Sie, im Falle der Auseinandersetzung um Gaza/Palästina/Israel auf palästinensischer Seite (im besonderen Fall Hamas') immer den Begriff "militante Palästinenser" verwenden. Ein vollkommen unschuldiger, weil "objektiv wahrer" Begriff? Wohingegen die Gegenseite, stimmt ja, als Armee usw. benannt wird.
Herr Assmann, die SPRACHE ist unser wichtigstes Denk-und Macht-Instrument und es kommt schließlich darauf an, welche Bilder bei Ihren Zuhörern (im andern Fall Lesern) bei einer bestimmten Wortwahl entstehen.
Militant, das Wort ist im Deutschen und bei der großen Mehrzahl der Hörer des DLF negativ konotiert, darin stimmen Sie mir vielleicht zu?
Meine Frage, besser Anregung, Bitte: warum kommt es weder Ihnen (noch anderen maßgeblichen Berichterstattern aus Israel-Palästina)* in den Sinn, von "palästinensischem Widerstand" oder "palästinensischen Befreiungskämpfern" zu berichten? Das wäre sogar "objektiv" richtig, denn sowohl die Abkürzung PLO bezeichnet genau dies, wie auch, im Arabischen "Hamas" ist Akronym aus Ḥarakat al-muqāwama al-islāmiyya, „Islamische Widerstandsbewegung“ (siehe Wikipedia).
*dabei denk ich ebenfalls an Ihre Nachrichtenredaktion!
Ist Ihnen mit dem ausschließlich negativ konotiertem Begriff bewusst, dass Ihre Hörer damit, ganz im Sinne der Seite der führenden Macht, der "Partei der Kolonisatoren" ist? (Bereits seit dem späten 19.Jh. wurde ein künftiges Israel, realistisch und nicht beschönigend "koloniales Projekt" bezeichnet, was es, in Bezug auf die 1967 besetzten Gebiete, auch heute weiterhin ist).
Wenn man nur einen Funken von Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Konfliktes um Land am glimmen erhalten will, ist die Anerkennung des Freiheits- und Unabhängigkeitswillens der Palästinenser, ausgedrückt in ihrem Befreiungskampf, zwingend erforderlich. Indem Sie, auch in den Nachrichtensendungen von Deutschlandradio, jedoch durch ein einziges Wort das Denken Ihrer Hörerinnen und Hörer in einem bestimmten Sinn "progammieren" produzieren Sie Einstellungen in den Köpfen von Hörerinnen und Hörern, was nicht Auftrag des Öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein kann, sein sollte.
In der Hoffnung, dass Ihnen die Berücksichtigung dieses Gedankens im "Israel unter Kriegsrecht", jedoch im Interesse der Berichterstattung für Ihre deutschen Hörerinnen und Hörer nicht im Wege steht, grüße ich Sie freundlich, von herbstlichen Straßburg zum "Frühlingshügel", Tel Aviv.
Günter Schenk, Strasbourg,
Membre du "collectif judéo-arabe et citoyen pour la paix"
P.S. seit der Besatzung Frankreichs im II.Weltkrieg durch die Wehrmacht ist der Begriff "Widerstand" eindeutig beschrieben, dann auch seit "Algerien", den ehem. brit., frz. niederländischen etc... Kolonien
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