Diese Initiative findet im Rahmen des UNESCO Kulturhauptstadt Programms statt und dient dem Ziel der Kulturförderung und der Kulturkommunikation innerhalb der Arabischen Welt. Von den Städten auf der Arabischen Halbinsel trugen bereits Sharjah City (1998), Riyadh (2000), Kuwait City (2001), Sana’a (2004), Muscat (2006) und Doha (2010) diesen Titel, der den jeweiligen Städten neben vielen Besuchern der zahlreichen Dichter- Theater- Kunst- und Musikfestivals auch die Verbesserung der Infrastruktur und neue Kulturbauten bescherte. In Sharjah wurde das Sharjah Art Museum in der Arts Area eröffnet, über 10 Jahre lang das einzige, große Kunstmuseum der Golfstaaten, auch Schauplatz der Sharjah Biennale, Riyadh baute ein Kulturzentrum, Kuwait City renovierte zahlreiche Kultureinrichtungen an der Corniche und wertete sein Museum für zeitgenössische kuwaitische Kunst auf, in Sana’a wurde die gesamte Altstadt renoviert, die Abwasserkanäle verschwanden unterirdisch, die Stadtteile wurden mit Messingplaketten gekennzeichnet, ebenso wie wichtige Gebäude und Moscheen und es wurde ein Kulturplatz für open-air Veranstaltungen eingerichtet, Muscat renovierte seine zahlreichen Museen, eröffnete drei neue und legte den Grundstein für das neue Nationalmuseum, an dem heute noch gebaut wird und in Doha wurde auf dem Gelände der Education City ein Museum für arabische zeitgenössische Kunst eingeweiht. Charakteristisch für die Aktivitäten in dem jeweiligen Kulturjahr sind Präsentationen des eigenen Kulturerbes inkl. der traditionellen Festkleidung (siehe Foto) sowie Auftritte der Folkloregruppen fast aller Arabischer Staaten, die sich meist eine Woche lang in der jeweiligen Kulturhauptstadt aufhalten und Gastspiele von namhaften Orchestern und Theatergruppen.
Entwicklung bahrainischer Kulturstätten
Als letztem Staat auf der Arabischen Halbinsel wird nun die Ehre, mit seiner Hauptstadt als arabische Kulturhauptstadt zu fungieren, dem Königreich Bahrain zuteil. Traditionell beschäftigen sich viele Mitglieder der königlichen Familie in Bahrain mit Kunst und Kultur – nicht nur als Sammler, sondern auch als Kunstschaffende, wie Sheikh Rashid bin Khalifa Al Khalifa (siehe Foto), selbst erfolgreicher Künstler, Präsident der Kunstgesellschaft und der Gesellschaft für Fotografie und Kopf der Jury bei der ersten Veranstaltung im Kulturjahr, der 38. Kunstausstellung im Bahrain National Museum, die sich in diesem Jahr mit dem Thema „Frauen“ beschäftigte. Junge, bahrainische Nachwuchskünstler standen im Mittelpunkt und konnten sich über attraktive Kunstpreise freuen.
Als Retterin des Kulturerbes gilt Sheikha Mai bint Mohammed Al Khalifa, die als eine der Pioniere der Kulturbewegung und als „Kulturmotor“ in Bahrain gilt. Sie machte ihren Magister in Geschichte der Politik an der britischen University of Sheffield und war viele Jahre lang als Staatssekretärin für Kultur und Kulturerbe im früheren Informationsministerium tätig. Seit sie das umbenannte Ministerium für Kultur und Information im November 2008 übernahm, hat die Kultur ein noch stärkeres Gewicht bekommen und sie hat es geschafft, dass ihre Idee von privatem Kauf und Renovierung traditioneller Häuser durch wachsendes Interesse zahlreicher Sponsoren auf breiter Basis steht und große Popularität genießt. Ihr ist bewusst, dass Kultur die Unterstützung von Sponsoren und Investoren braucht und sie war bisher sehr erfolgreich, wie die gut besuchten Kulturveranstaltungen in den bereits renovierten Häusern zeigen. Die Renovierung dieser Häuser hatte den Effekt, dass die Altstadt von Muharraq, die drohte, in Vergessenheit zu geraten, wieder mit Leben gefüllt werden konnte. Auch viele Touristen nehmen das Veranstaltungsangebot wahr. Sheikha Mai erinnert sich:„Im Jahr 2002 habe ich damit begonnen, die traditionellen Häuser renovieren zu lassen.
Das erste Haus war das Sheikh Ibrahim Haus (siehe Foto) - deshalb, weil schon vor 120 Jahren die Menschen der Nachbarschaft hier, im Haus meines Großvaters, zusammenkamen. Wo heute der Vortragsraum ist, versammelten sich die Intellektuellen Bahrains um kulturelle Forschung zu betreiben, zu diskutieren und Pläne zu schmieden.
Während ich noch an dem ersten Projekt arbeitete hörte ich von einem zweiten Haus, dem Presse Haus (siehe Foto), das auf der Liste der abzureißenden Häuser stand. Diese Vorstellung war für mich eine Katastrophe, denn das Gebäude war wunderschön – im bahrainischen Baustil, original erhalten. Heute finden dort viele Dichterlesungen statt. Das Sheikh Ibrahim Haus war bereits abgerissen, ich musste es völlig neu aufbauen lassen, und hier war nun ein Haus, das zu retten sich lohnte. Also habe ich das Haus gekauft. Drei Jahre lang habe ich mich um alles selbst gekümmert und alles selbst finanziert, bis es mir gelang, Sponsoren unter Banken und Unternehmen zu finden. Nachdem ich das Pressehaus gekauft hatte, organisierte ich ein Treffen, zu dem ich verschiedene Banken einlud. Am Anfang unterstützten sie mein Projekt nur mit geringen Summen. Dann hörte der Kronprinz von Bahrain von meinen Aktivitäten in Muharraq, fand die Ideen sehr gut und beschloss, das Projekt zu unterstützen.
Dadurch wurde es möglich, das Projekt auf weitere Häuser auszudehnen: eröffnet sind Häuser für Musik, Dichtkunst, das Kurar Haus (siehe Foto) für traditionelle Handarbeiten, das Informationszentrum, eine Bibliothek für Kinder, das französisch-bahrainische Haus, unterstützt von Alliance Francaise, der französischen Botschaft und der Bank Paribas. Die Erweiterung des Ibrahim Hauses durch ein Auditorium, gesponsert von Seiner Majestät dem König, ist erfolgt, das Haus für Heimatgeschichte mit Schwerpunkt Perlentauchen, ein Forschungszentrumund weitere Häuser wie das Seyadi Haus (siehe Foto) sind für Besucher zugänglich“.
Die Erkundung der Altstadt von Muharraq ist somit ein Erlebnis für Freunde der Golfstaaten-Architektur und die Altstadt als eine in der Arabischen Welt einmalige, kulturelle Besucherattraktion mit kleinem Suq für den Verkauf traditionellen Kunsthandwerks ist Kontrastprogramm zu den vielen supermodernen High Tech Entwicklungen Bahrains. Diese Einrichtungen für die zahlreichen Veranstaltungen im Kulturjahr zu nutzen, erfreut die Besucher.
Inzwischen hat man auch mit kulturellen Großveranstaltungen Erfahrungen gesammelt und es geht weiter: Im Sommer 2011 stellte Sheikha Mai (siehe Foto) im exklusiven Capital Club im obersten Stock des Bahrain Financial Harbour Gebäudekomplexes das Projekt „Investing in Culture“ vor mit einer Vielzahl multikultureller Veranstaltungen, die das reiche Kulturerbe Bahrains bekannt machen sollen, mit dem Ziel regionale und internationale Touristen anzulocken.
Dies gelang besonders spektakulär mit dem dritten Bahrain Summer Festival im vergangenen Jahr. – Im Kulturjahr erwartet die Besucher selbstverständlich etwas ganz Neues: Das im Bau befindliche Nationaltheater konnte mit regelmäßigen „Inspektionsbesuchen“ von Sheikha Mai rechnen und im Januar 2012 galt ihr besonderes Interesse dem Innendesign und der Qualität der dafür verwendeten Materialien, die von dem französischen Unternehmen Architecture Studio (u. a. beteiligt bei der Architektur des Institut du Monde Arabe in Paris) eingesetzt werden. „Mitte 2012 soll das Nationaltheater in einer großen, feierlichen Zeremonie im Rahmen des Kulturjahrs 2012 eröffnet werden als eines der großen Projekte, die viel Aufmerksamkeit und Förderung durch das Königshaus erfahren haben. Das Nationaltheater wird nicht nur für Theateraufführungen, sondern auch für nationale und internationale Kunst- und Kulturveranstaltungen zur Verfügung stehen und ist ein in jeder Hinsicht professionell ausgestattetes Kulturzentrum, das internationalen Standards entspricht“, so Sheikha Mai. Der beeindruckende Bau liegt nördlich des eine Fläche von 11869 qm umfassenden Bahrain National Museum Lake und kostet ca. 38 Millionen Euro.
Text und Fotos: Barbara Schumacher
< Protokoll der konstituierenden Sitzung am 29. Juli 2007 des DAG-Arbeitskreises Wirtschaft Maschrek