Syriens Katastrophe ist beispiellos. Die Deutsch-Arabische Gesellschaft startet nun eine Petition. Trotz politischer Differenzen ist man sich in der humanitären Frage einig: Gauweiler, Scholl-Latour und Kubicki haben schon unterzeichnet.
Die Deutsch-Arabische Gesellschaft (DAG) fordert internationale Luftbrücken für Syrien und startet zu diesem Zweck am heutigen Dienstag eine Kampagne über die Petitionsplattform change.org. Deutschland, die EU, die GUS-Staaten und die Länder des UN-Sicherheitsrates sollten umgehend »Hilfsgüter (Zelte, Baumaterial, Arzneimittel und Lebensmittel) an die türkisch-syrische Grenze, in den Libanon und nach Jordanien transportieren«. Die DAG appelliert damit an die »Mitmenschlichkeit« der Regierungen, um die Not in Syrien einzudämmen. Mithilfe der Plattform change.org versucht die DAG, eine möglichst große Anzahl von Unterstützern zu mobilisieren.
Zu den Erstunterzeichnern gehören neben dem 90-jährigen DAG-Präsidenten Peter Scholl-Latour auch Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft: etwa Rupert Neudeck, der Gründer der Hilfsorganisationen »Cap Anamur« und »Grünhelme«, der Journalist und Nahost-Experte Ulrich Kienzle, aber auch der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der Präsident des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, oder der ehemalige UN-Diplomat Hans-Christof Graf Sponeck. Daneben hat sich der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki der Initiative angeschlossen.
Auffällig ist, dass einige der Erstunterzeichner zum Syrien-Konflikt bislang mit sehr unterschiedlichen politischen Positionen in der Öffentlichkeit auftraten. Innerhalb der DAG wird, so ist aus Vorstandskreisen zu vernehmen, über das Thema zum Teil heftig diskutiert. Umso wichtiger sei die humanitäre Hilfe. »Wir veröffentlichen die Petition in Deutsch und den sechs UN-Sprachen, um eine möglichst weite Verbreitung zu gewährleisten und die Politik wachzurütteln«, sagt Susan Darwich, Leiterin der Geschäftsstelle der DAG in Berlin.
»Die Not der Menschen in Syrien ist nicht mehr zu übertreffen«, schrieb Mitinitiator Neudeck am 7. April in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Es bedürfe »einer Initiative im UN-Sicherheitsrat, die auch die Moskauer Regierung nicht ablehnen könnte. Kann die Initiative für eine solche Resolution nicht aus Berlin kommen?« Neudecks Artikel sei ein Zündfunke für die Petition der DAG gewesen, sagt DAG-Generalsekretär Harald Moritz Bock. Als Vorbild für die Petition gelte die Luftbrücke nach Sarajevo, die mittels einer Petition entstanden sei und die belagerte bosnische Hauptstadt während des Jugoslawienkriegs von 1992 bis 1996 mit Hilfsgütern versorgte.
Seit 2011 tobt in Syrien ein Krieg, der bisher mehr als 100.000 Todesopfer forderte. Anfang des Jahres verkündete das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte, dass es aufgehört habe, die Toten zu zählen. Der Zugang zu den umkämpften Gebieten sei nicht ausreichend, um genaue Opferzahlen zu ermitteln. Auch die Daten externer Quellen könne man nicht mehr prüfen.
Keinen Vorwand für ein »Geht nicht« liefern
Laut Auswärtigem Amt benötigen insgesamt rund 9 Millionen Syrer humanitäre Hilfe. Seit 2012 habe Deutschland rund 440 Millionen Euro bereitgestellt. Erst Ende Februar 2014 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Syrien-Resolution, die Damaskus auffordert, humanitäre Hilfe zuzulassen.
Dem Libanon drohe aufgrund der Flüchtlingsströme der Kollaps; »ohne Hilfe von außen wird er als Staat physisch ersticken«, heißt es in der Petition der DAG. An der türkisch-syrischen Grenze und in Jordanien nimmt die Zahl der Flüchtlinge zu. Bis Europa schafften es bisher nicht einmal vier Prozent. Die Internationale Föderation von Rotem Kreuz und Rotem Halbmond appellierte angesichts der humanitären Lage am vergangenen Freitag an die Weltgemeinschaft, sich stärker für ein Ende des Blutvergießens in Syrien einzusetzen.
Eine Unschärfe der Petition mag darin liegen, dass sich ein Großteil der notleidenden syrischen Bevölkerung nicht in den Flüchtlingslagern an den Grenzen, sondern innerhalb Syriens befindet. Dort sind vor allem Menschen in den aufständischen Gebieten von humanitärer Hilfe abgeschnitten. Eine internationale Luftbrücke ins Landesinnere käme allerdings einer Intervention gleich, die militärisch abgesichert werden müsste. Die DAG verlangt dies in ihrer Petition ausdrücklich nicht. Man wolle einzelnen Staaten nicht den Vorwand liefern, die Luftbrücke aus Bedenken der Sicherheit oder des Völkerrechts abzulehnen, heißt es aus dem Umfeld des Vorstandes. Es sei aber zu wünschen, dass »uniformierte Blauhelme« die Hilfsgüter auch ins Land hineinbringen.
Der zenith-Artikel von Laura Pannasch
< SOS! Syrien stirbt! Internationale humanitäre Luftbrücken für Syrien!!!