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20.05.2014

 

Vera Baboun - "Wir müssen Bethlehem verteidigen"

 

Ein Interview von Mechthild Herzog und Lukas Wiesenhütter

 

Vera Baboun ist palästinensische Christin und Bürgermeisterin von Bethlehem. Sie hofft, dass ihre Stadt bald wieder Frieden findet. Nächste Woche empfängt sie den Papst. Ein Interview von Mechthild Herzog und Lukas Wiesenhütter

 

17. Mai 2014 

 

Frage: Sie sind die erste Frau an der Spitze Bethlehems – und das in einem politischen Umfeld, in dem vor allem Männer das Sagen haben. Ist das ein Problem?

 

Vera Baboun: Sie müssen daran denken, dass ich von allen gewählt wurde: von Christen und Muslimen, Männern und Frauen gleichermaßen. Oft ist es sogar ein Vorteil, dass ich eine Frau bin – vor allem auf internationaler Ebene. Die Menschen begegnen mir äußerst respektvoll. Dennoch muss ich in vielen Fällen kämpfen. Es gibt Leute, die meinen, dass nur Männer Entscheidungen treffen können. Aber das ist deren Problem, nicht meines. Ich glaube an meine Fähigkeiten, ich glaube an die Fähigkeiten der Frauen. Allerdings sind in Palästina nach wie vor nur neun Prozent der Entscheidungsträger weiblich. Immerhin: Der Anfang ist gemacht …

 

Frage: Am Sonntag, dem 25. Mai, wird Papst Franziskus nach Bethlehem kommen. Was erwarten Sie von seinem Besuch?

 

Baboun: Der Papst wird mit dem Hubschrauber direkt aus Jordanien kommen. 10.000 Gläubige werden ihn auf dem Manger-Platz begrüßen, direkt gegenüber der Geburtskirche. Dort wird der Papst auch die Messe feiern. Wir erwarten Christen aus allen palästinensischen Städten – auch aus den Orten, die bis zur Staatsgründung Israels im Jahr 1948 zu Palästina gehörten. Wir rechnen zum Beispiel mit knapp 4.000 Pilgern aus Nazareth und dem Norden.

 

Herbergsmutter des Papstes

 

Wenn Vera Baboun aus dem Fenster ihres Büros schaut, blickt sie auf die Geburtskirche. Das Gotteshaus aus dem vierten Jahrhundert ist vielen Christen aus der ganzen Welt heilig. Auch Papst Franziskus wird hier bei seinem Besuch im Heiligen Land beten. Trotz dieses großen Symbols gibt es nur noch wenige Christen im Westjordanland. Eine deutliche Mehrheit der Palästinenser bekennt sich zum Islam, weniger als zwei Prozent der Einwohner gehören einer Kirche an. Laut den Organisatoren des Papstbesuchs leben heute fast 80 Prozent der palästinensischen Christen in der Diaspora – verstreut über die ganze Welt.

 

Für die knapp 50.000 Christen in der Westbank, in Gaza und Ostjerusalem ist die Reise von Franziskus daher ein wichtiges Zeichen. Schließlich wachsen in Israel die Ressentiments gegen Christen: Mehrfach beschmierten jüdische Extremisten christliche Gotteshäuser mit Hassparolen. Der israelische Inlandsgeheimdienst Schin Bet befürchtet gar Anschläge auf Christen und christliche Stätten während des Papstbesuchs. Im Alltag behaupten die Christen sich in einer doppelten Minderheitenrolle: Als Palästinenser sind sie Teil des Konflikts mit dem Staat Israel, als Christen müssen sie ihren Platz in einer mehrheitlich muslimischen Gesellschaft finden.

 

Vera Babouns Stadt ist hingegen traditionell christlich geprägt. Der palästinensische Präsident Jassir Arafat bestimmte in seiner Regierungszeit von 1996 bis 2004, dass der Bürgermeister Bethlehems immer ein Christ sein müsse. Als Katholikin entspricht Baboun dieser Regelung. Dass sie die erste Frau im Amt ist, ist in der palästinensischen Politik aber eine kleine Revolution. Baboun hat Literatur studiert, arbeitete später als Schulleiterin. Besonders wichtig ist ihr die Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Die Mutter von fünf Kindern gehört der Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas an.

 

Frage: Wie werden Sie Franziskus die Situation Bethlehems nahebringen?

 

Baboun: Er selbst hat darauf bestanden, nicht mit Würdenträgern zu essen, sondern mit gewöhnlichen Menschen – Menschen mit Schwierigkeiten. Er wird also einen unmittelbaren Eindruck von unserem Leben und unseren Problemen bekommen. Beim Mittagessen wird er zum Beispiel einen jungen Palästinenser treffen, der keinen Ausweis besitzt. Denn unsere Papiere müssen von Israel bestätigt werden. Dieser junge Mann wurde während der ersten Intifada in Bethlehem geboren – und wegen all der Beschränkungen wurden seine Dokumente nie bestätigt. Er ist verloren! Er ist jetzt 21 und kann nicht auf die Universität gehen. Er kann nicht heiraten. Er ist ein Mann, der offiziell überhaupt nicht existiert.

 

Frage: Papst Franziskus ist ein Mann großer Zeichen und Symbole. Hoffen Sie auf eine bestimmte Geste von ihm, wenn er in der Stadt ist?

 

Baboun: Der Papst ist eine Persönlichkeit, die nicht nur mit Worten Hoffnung macht, die Hoffnung wiederbringt für die Menschen, die an den Rand gedrängt sind. Er ist ein Vorbild für einfache und spontane Taten. Sein Herz spricht zuerst. Seine Lehre und seine Taten entsprechen unserem ersten Lehrer, unserem Herrn Jesus Christus. Ich kann nicht vorhersagen, was er machen wird. Aber Franziskus reagiert in jeder Situation mit liebendem Herzen und offenem Geist.

 

Frage: Was wird der Papstbesuch für die einfachen Gläubigen ändern?

 

Baboun: Papst Franziskus hat einmal gesagt: "Wir müssen den jungen Menschen die Hoffnung wiedergeben." Die Gläubigen Bethlehems und die Palästinenser brauchen dringend ein Zeichen dieser Hoffnung – für ein Leben in Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden. Die Anwesenheit des Papstes gibt uns Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Als Palästinenser sehnen wir uns alle danach, egal ob wir Christen oder Muslime sind.

 

Frage: Wenn der Papst da ist, steht Bethlehem im Fokus der Weltöffentlichkeit. Was wollen Sie der internationalen Gemeinschaft von Ihrer Stadt zeigen?

 

Baboun: Vor allem, dass es Bethlehem gibt! Es gibt Bethlehem mit seiner Botschaft – und mit seinen Christen. Aber der ganze Norden der Stadt ist nun eingemauert. Im Regierungsbezirk Bethlehem liegen 22 israelische Siedlungen, die eine nachhaltige Entwicklung verhindern und die Existenz der Stadt gefährden. Ich sage es immer wieder: Das ist nicht nur eine Mauer um Bethlehem, das ist eine Mauer um die Botschaft von Bethlehem – die Stadt, die mit der Geburt Jesu den Frieden in die Welt gebracht hat. Wir, die Gläubigen auf der ganzen Welt, müssen Bethlehem verteidigen.

 

Frage: Einmal mehr sind Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern gescheitert

 

Baboun: Die Verhandlungen haben die Situation überhaupt nicht verbessert. Ab irgendeinem Punkt sehen die Israelis nur noch sich selbst und nicht die anderen. Wir sollten dem Motto des Papstbesuches folgen: "Dass sie eins sind." Aber können wir das? Auch Israel muss auf diese wichtige Friedensbotschaft hören.

 

Frage: Der Bürgermeister Bethlehems ist immer ein Christ – das ist so festgelegt. Aber die Christen sind eine Minderheit unter den Muslimen im Westjordanland …

 

Baboun: Wir sind keine Minderheit! Wir sind zahlenmäßig weniger, ja. Aber wenn Sie uns eine "Minderheit" nennen, macht uns das zu einer anderen ethnischen Gruppe. Wir sind Palästinenser. Christen und Muslime stehen hier vor denselben Schwierigkeiten. Ich selbst bin Christin und Frau eines Gefangenen. Ich gehöre zu einer Familie, deren Arbeitsplatz zweimal völlig zerstört wurde. Wer kann akzeptieren, in einer eingemauerten Stadt zu wohnen? Wir sind weniger Christen hier als früher. Viele Familien verlassen das Land wegen der politischen Lage: der israelischen Besatzung und ihren Auswirkungen. Aber können Sie sich das Heilige Land ohne Christen vorstellen? Wir sind seine lebendigen Steine. Wir sind die Bewahrer des Sterns von Bethlehem! Wir stehen treu zu unserer palästinensischen Identität – und zu unserem Glauben. Unsere Präsenz hier im Land ist sehr wertvoll, obwohl wir wenige sind.

 

Frage: Mit Blick auf die Zukunft Bethlehems – sind Sie skeptisch oder optimistisch?

 

Baboun: Als die Bürgermeisterin Bethlehems und der Gläubigen der Stadt glaube ich an die Botschaft des Friedens und der Hoffnung. Ich kann darum nicht sagen, dass ich pessimistisch bin. Ich muss optimistisch bleiben – ich muss! Ich muss die Dinge mit einem Lächeln angehen – trotz all der Probleme und Herausforderungen. Direkt vor meinem Büro steht die Geburtskirche, der Ort, an dem Jesus geboren wurde. Aber ich frage alle Christen auf der Erde: Wo seid ihr, damit wir hoffen können? Ich wünsche mir, dass jeder erkennt: Bethlehem, die Stadt, die der Welt den Frieden gebracht hat, lebt nicht in Frieden. Und mit Frieden meine ich nicht bloß die Abwesenheit von Konflikten. Eine eingemauerte Stadt ist eine Stadt ohne Frieden. Ich träume davon, dass Bethlehem wieder die Hauptstadt des Friedens wird. Eine Stadt, in der Friedensverhandlungen und Konferenzen stattfinden. Der Stern von Bethlehem hat die Geburt Jesu angekündigt, der den Frieden in die Welt brachte. Wir müssen diesen Stern am Leuchten halten.

 

Frage: Als was werden Sie sich fühlen, wenn der Papst kommt: als Palästinenserin, Katholikin – oder Bürgermeisterin?

 

Baboun: Letztlich bin auch ich einer dieser lebendigen Steine, eine derer, die den Friedensstern von Bethlehem bewahren. Das ist Gnade und Segen, aber auch eine unermesslich große Verantwortung: Wie können wir unsere Stadt Bethlehem blühen lassen und ihre Nachricht von Frieden und Liebe für die Menschen und die Welt wiederbeleben?

 

 

   

< Vortrag von Peter Webers (BMBF) bei dem DAG-Frühlingsfest auf dem Landgut Gühlen am 03.05.2014