Jeder, der die Gelegenheit hat, eines der zahlreichen, jährlichen Kultur-Festivals oder Moussems in Marokko zu besuchen, kann sicher sein, noch Jahre danach von unvergesslichen und tiefe Eindrücke hinterlassenden Erlebnissen zu profitieren.
Ob das Festival für sakrale Musik in Fes (u. a. mit mitternächtlichen Auftritten zahlreicher Sufi-Bruderschaften) oder das Gnaoua-Festival in Essaouira (mit internationalen Gnaoua Künstlern, die sich in Trance singen und tanzen) - jedes Festival hat seine regionale Eigenart und seine kulturellen Schwerpunkte und zieht Tausende Besucher an. Das gilt auch für das Festival in Tan-Tan, im Süden des Landes (siehe Karte), das ganz im Zeichen der Wüste steht. In diesem Jahr wird das 10-jährige Jubiläum (nach mehrjähriger Pause bis 2004) gefeiert und es gibt eine Besonderheit, nämlich einen Ehrengast: die Vereinigten Arabischen Emirate. Das Motto des Festivals „Immaterielles Kulturerbe und seine Rolle in der Entwicklung und Annäherung der Völker“ passt gut zu den Aktivitäten im Rahmen des immateriellen Kulturerbes in Abu Dhabi, wo die Abu Dhabi Culture and Tourism Authority ADCTA (Kultur- und Tourismusbehörde) weder Kosten noch Mühen scheut, Werte von Freundschaft und Toleranz mit dem Mittel von Dialog und Kulturaustausch am Leben zu halten. Man hat es sogar geschafft, mit einigen Aktivitäten des emiratischen immateriellen Kulturerbes – wie Falknerei, Taghruda und Sadu – in die UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen zu werden. – Die kulturellen Beziehungen zwischen Marokko und den VAE sind gut. So waren die Emirate beispielsweise Gast auf dem berühmten Asilah-Festival (nahe Tanger) im Jahr 2010 und marokkanische Dichter sind regelmäßig bei der ein Millionenpublikum erreichenden mehrwöchigen, jährlichen TV Show „Million’s Poet“ bei Abu Dhabi TV vertreten.
Tan-Tan Moussem und seine Bedeutung
Das jährliche Moussem hat eine lange Tradition. Dutzende Stämme aus dem Süden Marokkos und dem benachbarten Ausland treffen sich in Tan-Tan und nach einer mehrjährigen Pause wurde das Festival im September 2004 „wiederbelebt“ durch die Aufnahme in die UNESCO Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit. Zu sehen gibt es die verschiedenen Aspekte des Wüstenlebens: Sitten, Gebräuche und Traditionen. Heute spielt dieses Moussem eine Schlüsselrolle im Hinblick auf das immaterielle Kulturerbe in Marokko. - Die Stadt Tan-Tan liegt etwa 25 km landeinwärts von der Atlantikküste entfernt. Es gibt zwei Teile: Die Altstadt (Medina von Tan-Tan) und die neue Küstenstadt El Ouatia, 25 km von der Medina entfernt. Während des Festivals kann der Besucher sich mit dem Nomadenleben der Al Bidhan vertraut machen, in Zelten kunsthandwerkliche Dekorationen aus Leder, Metall und Holz sowie traditionelle Kleidung bewundern, die lokale Küche ausprobieren, sich mit traditioneller Medizin und allerlei Heilkräutern vertraut machen, Geschichtenerzählern lauschen, u.v.m. Höhepunkte sind die Fantasia-Reiterspiele mitten in der Wüste, also in authentischem Ambiente (siehe Foto).
Die Präsentationen des Ehrengastes
Parallel zum Festival wird die „Internationale Konferenz für immaterielles Kulturerbe in Wüsten- und Halbwüsten-Regionen“ stattfinden. Daran wird ein großes Aufgebot an Emiratischen Fachleuten sowohl von der Kultur- und Tourismusbehörde als auch vom Komitee für Kulturprogramme und Kulturerbefestivals aus Abu Dhabi teilnehmen unter der Leitung der Abu Dhabi Poetry Academy. Die Teilnahme an einer Buchmesse zum Thema Kulturerbe ist durch die Nationalbibliothek gesichert. In speziellen workshops werden Sadu (traditionelle Webkunst), Al Khous (Kunsthandwerk mit Palmmaterial) und Telly (Stickerei) vermittelt. Die nationale Folkloregruppe wird mit Ayala (traditioneller Tanz) an den verschiedenen Kulturerbe-Abenden auftreten, begleitet durch Sänger, Oud- und Rubaba- Spieler und Al Taghruda (gesungene Poesie) Künstlern. Auch an der Festival Prozession nehmen Emiratis in traditionellem Outfit teil. Präsentiert wird ein Programm, das sämtliche Formen der Emiratischen Volkskunst umfasst, also: Land Ayala, Meer Ayala, Liwa Kunst, Al Harbiya (traditioneller Tanz), Al Habban (Volkstanz), Al Maled (Dichtkunst), Al Taghruda (siehe Foto) und als Höhepunkt ein volkskundlicher Tarab Abend. Für diese Aktivitäten ist ein großes VAE-Kulturerbezelt aufgebaut. In weiteren kleineren Zelten können Gegenstände aller Art des emiratischen Kunsthandwerks bei der Herstellung beobachtet und erstanden werden, z. B. Produkte von Sougha, einer sehr erfolgreichen Initiative des Khalifa Fund for Enterprise Development, das seit einigen Jahren in der westlichen Wüste Al Garbia Beduinenfrauen ermöglicht, durch ihrer Hände Arbeit zu Geschäftsfrauen zu avancieren, indem sie Gebrauchsgegenstände, wie z. B. Laptoptaschen, in traditioneller Webkunst produzieren und vermarkten. Dieser Markt in Zelten bietet auch traditionelle Kleidung, Emiratischen Schmuck und eine Ausstellung der besten Dattelsorten (Al Fouaa Datteln). Damit nicht genug: Der Emirates Falconers Club präsentiert Falkner mit ihren Falken und dem traditionellen Falknerei-Zubehör. Das Al Dhafra Festival organisiert Kamel-Shows, eine Pferde-Show ist angekündigt und natürlich darf auch die traditionelle Kaffeezeremonie nicht fehlen. Mit anderen Worten: In Tan-Tan gibt es so viele emiratische Traditionen gleichzeitig an einem Ort zu sehen, wie kaum im eigenen Land. „Mit unserem Auftritt in Tan-Tan wollen wir für diese bedeutende Kultur- und Kulturerbeveranstaltung eine besondere Dimension an Qualität beisteuern und einen Beitrag zum kulturellen Dialog leisten“, so Mohammed Khalaf Al Mazrouei, Berater für Kultur und Kulturerbe des Kronprinzen von Abu Dhabi und Chairman des „Cultural Programs and Heritage Festivals Committee“ in Abu Dhabi. Seinem persönlichen Engagement sind die Verdienste um die Eintragung des Emiratischen Kulturerbes in die UNESCO Liste zu verdanken. „Wir sind stolz darauf, dass die Organisatoren des Tan-Tan Festivals uns als Ehrengast ausgewählt haben“, so Mazrouei.
Tan Tan Fantasia Reiterspiele
Text: Barbara Schumacher
Fotos: ADCTA
< Ein Schreiben von Herrn Dr. Martin Breidert, Sprecher der deutsch-palästinensischen Gesellschaft, an den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier