Algier: Khaled in der Kasbah
„Wer sich Algier vom Meer nähert, dem erscheint die Kasbah mit ihrem sich am Hang ausbreitenden weißen Häusermeer wie ein Segel“, so formulierte es vor 300 Jahren ein englischer Segler. Das kann nachvollziehen, wer sich alte Stiche und Zeichnungen ansieht. Phönizier, Karthager, Berber-Stämme, Römer, Byzantiner, Araber und die Franzosen (seit 1830) siedelten hier. Der Eindruck des „Segels“ wurde minimiert, als die Franzosen den unteren Teil der Kasbah zerstörten um Platz zu schaffen für Boulevards (im Hinblick auf den heutigen Autoverkehr war das durchaus weitblickend) und Arkaden-Wohnhäuserblocks mit Geschäften. Wer keine Kasbah-Gasse auslässt, stelle sich auf einen 15 km langen Weg ein. Die zentrale Rue de la Casbah hat 472 Treppen. Wem es leichter fällt, Treppen hinabzusteigen, der sollte die Kasbah von oben, also vom Startpunkt der Zitadelle erkunden. Zu entdecken gibt es viel: Enge Gassen, Museen in ehemaligen Palästen, Moscheen, Koranschulen, alte Brunnen, mit Keramikbildern geschmückte Terrassen, …
Beginn der Erkundung ist die Rue Sidi Driss Hamidouche. Dort fällt rechter Hand das Haus Nr. 76 auf, in dessen Außenwand kleine, traditionelle Keramikarbeiten mit typischen Architekturmerkmalen angebracht wurden; solche Arbeiten, z. B. eine Brunnenfassade kann man in einigen Kunsthandwerkerläden auch als Souvenir erstehen. Die Tür ist stets offen, man blickt in einen großen Raum mit viel Kleinkunst aus Holz und den für deren Anfertigung notwendigen traditionellen Maschinen. Der freundlichen Einladung des Besitzers Khaled Mahiout folgt man gern. „Kunsthandwerker und Künstler“ steht auf seiner Visitenkarte und wie sich herausstellt, ist er Eigentümer einer der ältesten Kunsthandwerk-Produktionsstätten der Kasbah. „Mein Vater hat das Unternehmen 1941 im unteren Teil der Kasbah gegründet, wir sind dann später nach oben umgezogen und jetzt existiert das Geschäft in dritter Generation, denn mein Sohn arbeitet mit“. Mahiout Khaled ist eine bekannte Persönlichkeit: „Nationale und internationale Fernsehsehsender (auch ARD) kommen hierher und viele Reporter von Magazinen haben Artikel über die Geschichte dieses Unternehmens veröffentlicht, die ich gesammelt habe“. Der dicke Ordner darf durchgeblättert werden. Die Wände sind geschmückt mit historischen s/w-Fotos von Frauen in traditioneller Kleidung, die Regale bieten eine Auswahl der hier produzierten Holzkunst. „Wir haben die neue, handgeschnitzte Holzeingangstür des Musée de l’Art Populaire (Museum für Volkskunst) eingebaut“, meint er und empfiehlt, auf die Terrasse im obersten Stockwerk zu steigen. Dort wird man für das Treppensteigen belohnt durch den freien Rundblick auf Kasbah, Stadt, Meer, Hafen und die im Bau befindliche neue Große Moschee – ein atemberaubendes Erlebnis und schon wird klar, warum die Fernsehteams hier auftauchen: Einen besseren Ausblick gibt es nicht. - Wieder unten angelangt, erklärt Khaled: “Ich würde gern auf der Terrasse ein Café eröffnen, aber seit Jahren warte ich auf die Genehmigung der für die Kasbah zuständigen Behörde. Also konzentriere ich mich auf die traditionellen Holzarbeiten und freue mich über einen großen Auftrag für die Innendekoration der Großen Moschee“.
Text und Fotos: Barbara Schumacher
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