C.H.Beck, München 2016
767 Seiten mit 7 Karten
Gebunden € 34,95, E-Book € 29,99
ISBN 978 3 406 688553
Der Autor lehrt als Professor für Islamwissenschaft und Neuere Orientalische Philologie an der Universität Bern. Von Reinhard Schulze liegen zahlreiche Publikationen zur islamischen Geschichte der Neuzeit vor. Das obige Werk ist eine grundlegend neu bearbeitete und erweiterte Fassung seines Buchs „Geschichte der Islamischen Welt im 20. Jahrhundert“ von 1994.
Der Autor beginnt seine Einleitung zu dem komplexen Thema mit den Worten:
„Der Arabische Frühling (Januar 2011 bis Herbst 2012) war der erste Höhepunkt eines politischen und sozialen Umbruchs, der die moderne Ordnung in der islamischen Welt tiefgreifend veränderte. In diesem Zeitraum wurden Regime in Tunesien, Ägypten, Libyen und Jemen durch zivilen Protest und militanten Widerstand gestürzt, mörderische Kriege in Syrien, im Irak und Jemen entfesselt und Millionen Menschen zur Flucht gezwungen.“
Reinhard Schulze möchte in diesem Werk die islamische Geschichte vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in unsere Tage verständlich machen. Dabei beschränkt er sich nicht auf den Nahen Osten, sondern bezieht auch den Islam in angrenzenden und entfernten Ländern ein. Seine Ausführungen basieren auf allen bedeutenden politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen. Und er bringt es auf den Punkt: Nur wenn wir die entsprechenden historischen Zusammenhänge kennen, begreifen wir, wie es zur heutigen Situation kommen konnte, ja kommen musste.
Das umfangreiche Material ist chronologisch in 7 Kapitel mit zahlreichen Untertiteln gegliedert. Kapitel I „Islamische Kultur und Koloniale Moderne 1900-1920“ beinhaltet u.a. die Vision von einer islamischen Souveränität, die Kriegsjahre 1909-1919 sowie die Zeit der Revolten (1919-1923).
Das II. Kapitel „Bürgerlicher Nationalismus und staatliche Unabhängigkeit 1920-1939“ erläutert die Stellung des Kalifats zwischen Republikanismus und Royalismus, islamische Nationalpolitik und die Weltwirtschaftskrise sowie die neuen islamischen Bewegungen.
Kapitel III „Die Zeit der Restauration 1939-1958“ zeigt zunächst die islamische Welt im Zweiten Weltkrieg, stellt im Zeichen neuer Staatsgründungen in der islamischen Welt die Frage „Eine arabische, eine islamische Nation?“ und schließt mit Ausführungen über eine „’liberale Dekade’ oder die Revolte gegen die alte Ordnung“.
„Islamische Kultur und Republikanismus der Dritten Welt 1956-1973“ wird in Kapitel IV behandelt. Triumph und Niedergang des Republikanismus der Dritten Welt sowie die Kultur der Nationalen Befreiung sind hier u.a. die Themen. Kapitel V „Die Durchsetzung der Islamischen Ideologien 1973-1989 befasst sich in drei Untertiteln u.a. mit der Krise der Jahre 1973 und 1974 und den ‚schrecklichen Jahren’ in der islamischen Welt von 1979 bis 1989. Hierzu gehören u.a. der Krieg in Afghanistan und der iranisch-irakische Krieg. Kapitel VI gilt der „Erosion der Islamischen Öffentlichkeit“, das heißt die islamische Welt nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, das Ende der Hoffnung auf eine islamische Souveränität und die Situation zwischen Zivilgesellschaft und Militanz.
Das letzte Kapitel „Der Arabische Frühling und Danach“ untersucht die diversen Revolten in den arabischen Ländern mit einem Exkurs zu Boko Haram in Nigeria und ultraislamischen Bünden in Mali. Die Ausführungen schließen mit einem Rück- und Ausblick. Allerdings endet noch nicht das Buch, es folgt ein fast 300 Seiten starker Anhang. Umfangreiche Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Zeittafel, Glossar, Register und Karten sind für dieses komplexe Thema mit einem anspruchsvollen Text selbstverständlich. Sie erleichtern das Studium, zumal einzelne Länder nicht chronologisch behandelt werden, sondern hie und da als Fallstudien eingeflochten sind. - Fazit: Ein höchst interessantes Buch! Dank an Autor und Verleger.
Helga Walter-Joswig
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