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07.11.2013

 

Abschied von einem Orient-Touristen

 

Kein anderer Politiker reist so oft und so erfolglos in den Nahen Osten wie Guido Westerwelle. Er leidet ganz offensichtlich an einer akuten Orient-Obsession.

 

Ulrich Kienzle

Guido Westerwelle

Sie trieb den deutschen Außenminister  immer wieder auf den Hot-Spot der Weltpolitik. Als Mann von Welt. Seriös. Staatsmännisch. Mit neuer Brille. Neuer Politik. Auf der Suche nach einem neuen Image. Weg von der „spätrömischen Dekadenz“. Sie hat politisch  nicht mehr viel gebracht, die Verwandlung des Guido W. Er wusste, dass er in der Außenpolitik nicht viel bewirken kann, deshalb versuchte er es erst gar nicht.  Seine Reise nach Israel im August 2013 war besonders erfolglos. Während er noch in der Luft war, verkündete die israelische Regierung brutal den Bau neuer Siedlungen in Jerusalem und im West-Jordan-Land. Kälter kann man einen Mann nicht abservieren, der es doch eigentlich gut meint mit den Kontrahenten. Doch der deutsche Außenminister ließ sich durch solche Provokationen nicht beirren. Trotz des Affronts blieb er notorisch „optimistisch“. Er wollte sogar einen „Erfolgswillen“ bei Israelis und Palästinensern erkannt haben. Er sah alle wichtigen Politiker. Für ihn doch schon ein schöner  Erfolg. Zum Schluss aber musste er sich mit einer dürftigen Binsenweisheit verabschieden. Die Friedensbemühungen stehen vor einer „entscheidenden Klippe“- sagte er in Jerusalem. Was für ein scharfer analytischer Verstand. Dazu hätte er nicht nach Jerusalem reisen müssen. Alles was Guido Westerwelle  sagt,  ist irgendwie vernünftig, aber es bleibt trotzdem folgenlos. Westerwelle machte nämlich Außenpolitik für die Medien. Und für sein neues Image. Als Politiker blieb er nicht mehr als ein interessierter Zuschauer der komplizierten Nahostwirren.

Viel Hoffnung auf schnellen Frieden gibt es sowieso  nicht. Das zeigt das letzte Angebot der Israelis für neue Friedens-Gespräche. Es  war ziemlich vergiftet. Sie ließen verurteilte palästinensische Terroristen frei, aber sie würden neue Siedlungen bauen. So was nennt man Chuzpe. Hinter diesem Angebot steckt denn auch alles andere als Erfolgswille. Wenn dahinter überhaupt eine erkennbare Strategie steckt, dann war es der Versuch, die Gespräche schon vor Beginn zu torpedieren, die Kritiker im eigenen Land zu beruhigen und den Schwarzen Peter im Zweifelsfall den Palästinensern zuzuschieben. Die Erfolgschancen auf Frieden sind äußerst gering. Viele Palästinenser glauben schon lange nicht mehr an eine Zwei-Staaten-Lösung, Netanjahu auch nicht. Öffentlich sagt er etwas anderes und ‚verhandelt‘ wieder.
Die Lage ist wirklich festgefahren, denn die Israelis müssten im Friedensfall endgültig auf den Traum von Groß-Israel verzichten und auf ihre Siedlungen im Palästinensergebiet. Die Palästinenser endgültig auf die Rückkehr ihrer Flüchtlinge nach Israel. Keine Seite ist bisher aber zu einem Kompromiss bereit. Und in der Hauptstadtfrage scheint man keinen Millimeter weiterzukommen. Jerusalem soll jüdisch bleiben –sagen die Israelis. Die Palästinenser bestehen  reflexhaft auf Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines Palästinenserstaates. Aber: Die Palästinenser selbst sind zerstritten.

Wie angesichts dieser verfahrenen Lage jemals  Frieden zustande kommen soll, das ist die große Frage. Die deutsche Nah-Ost-Politik jedenfalls wird  kaum Einfluss auf den weiteren Verlauf der Verhandlungen haben. Man hörte einfach nicht auf Guido Westerwelle. Seine Forderung auf Freilassung Mursis etwa hat in Kairo  große Verwunderung ausgelöst. Auch sein dringender Rat, die Muslimbrüder in den politischen Prozess einzubinden. Durchaus vernünftige politische Vorschläge. Aber wen interessieren sie? Die Regierung in Kairo ließ lieber die Protest-Camps stürmen. Die junge „Demokratie“ ging unter in einer Orgie der Gewalt. Die Ratschläge des deutschen Außenministers ignorierte man einfach. Die ganze Hilflosigkeit deutscher Nahostpolitik zeigte sich nach dem Blutbad an den Moslembrüdern. Der ägyptische Botschafter in Berlin wurde einbestellt. Was für eine kraftvolle politische Antwort. Man drohte Hilfsgelder zu stoppen, aber die Golf-Staaten hatten bereits 12 Milliarden Dollar angeboten. Auch der angedrohte Waffen- Boykott-eine stumpfe Waffe. Nach dem Giftgas-Verbrechen bei Damaskus zeigte sich der Westen besonders hilflos, Guido Westerwelle erschien zwar danach häufig als Mahner auf dem Bildschirm. Als vermeintlich entschlossener Krisenmanager  forderte er  ein klares Zeichen an Putin. Das Zeichen sollten indes andere setzen. Diesmal sagte Westerwelle nicht nein, aber überraschenderweise das britische Unterhaus. Westerwelle ließ sich nicht verdrießen und mahnte und drohte im Fernsehen einfach weiter. Im wirklichen Leben verhallten seine Mahnungen  indes ungehört. Zuletzt in der NSA-Affäre. Er bestellte den amerikanischen und britischen Botschafter ein. Die markige Geste blieb folgenlos. Der deutsche Außenminister musste schmerzlich zur Kenntnis nehmen: Deutschland ist ein weltpolitischer Zwerg und mit ihm auch der deutsche Außenminister.

Während deutschen Touristen das revoltierende Arabien inzwischen meiden, übte es auf Westerwelle eine nahezu magische Anziehungskraft aus. Aus dem polternden Steuersenker von einst war ein sanfter nah-östlicher Friedens –Mahner geworden, der mit verbalen Platzpatronen um sich schoss. Ein Unvollendeter. Ein politisch Untoter seit langem. Zum Abschluss seiner Karriere flog er zur UNO-Vollversammlung. Er schüttelte dem neuen iranischen Präsidenten Rohani die Hand. Noch einmal die Welt retten. Dann war es endgültig vorbei- das politische Abenteuer des glücklosen Nah-Ost-Touristen.


Ulrich Kienzle

 

   

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