Saudi-Arabien war das einzige arabische Land beim Gipfel. Im Vorfeld hatte es viele Spekulationen gegeben: Kommen König Salman und/oder der neue Kronprinz Mohammed bin Salman nach Hamburg? Im Auftrag von König Salman kam Ibrahim Al-Assaf, Staatsminister und Kabinettsmitglied, der die saudische Delegation leitete, zu der auch Finanzminister Mohammed Al-Jaddan gehörte. Ob der Grund für den Verzicht auf die G20 Teilnahme von Seiten des Königshauses die Qatar-Krise ist, wurde nicht bekannt. Schon im Vorfeld hatte die Bundeskanzlerin als eines der zahlreichen Gipfel-Themen den Kampf gegen den internationalen Terrorismus genannt und das war ein aktuelles Thema, das auch Saudi-Arabien beschäftigt – siehe Qatar-Krise.
Globale Verantwortung
„Der Kampf gegen Terrorismus und Extremismus ist eine globale Verantwortung, die effektive Kooperation und Koordination zwischen allen Ländern der Welt erfordert“, formulierte es Al-Assaf. „Terrorismus hat weder religiöse noch ethnische Wurzeln, er ist ein Verbrechen, das die ganze Welt betrifft und er ist eine der ernstesten Herausforderungen hinsichtlich Frieden und Sicherheit auf der Welt“. Assaf sagte, dass Saudi-Arabien den Terrorismus in all seinen Formen und Auswirkungen verurteile. „Das Königreich Saudi-Arabien ist dazu bereit, mit allen Partnern zusammenzuarbeiten beim Kampf gegen den Einsatz von Internet und Sozialen Medien im Hinblick auf Terrorismus und Kriminalität inklusive der Nutzung dieser Medien für Propagandazwecke und Rekrutierung. „Es muss verhindert werden, dass Terroristen und Drogenhändler die internationalen Finanzsysteme nutzen. Ferner brauchen wir die wirkungsvolle Einrichtung zur Bekämpfung der Geldwäsche“.
Strategie gegen Terrorismus
Der Minister betonte ferner die Wichtigkeit, Arbeitsplätze für die jungen Leute zu schaffen, nur so könnten diese ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten und seien nicht empfänglich für Gedankengut aus den Bereichen Extremismus und Terrorismus. „Unglücklicherweise ist Saudi-Arabien seit über 20 Jahren Ziel von Terrororganisation und Ländern die den Terrorismus unterstützen. Wir sind nicht nur von direktem und indirektem Terrorismus bedroht, sondern auch von Terrorismus, der in den verschiedensten Quellen seinen Ursprung hat. Das Königreich steht an vorderster Front derjenigen Länder, die einen Krieg gegen den Terror in all seinen Erscheinungsformen führen. Wir arbeiten eng mit der internationalen Gemeinschaft zusammen um den Terrorismus zu bekämpfen, Terroristen und ihre Organisationen zu verfolgen und deren Finanzquellen auszutrocknen. Wir haben eine umfassende Strategie erarbeitet, um Terrorismus und Extremismus auszurotten und haben z. B. Regularien in Kraft gesetzt, die nicht nur die Unterstützung und Anstiftung von Terrorismus kriminalisieren sondern auch Reisen in Konfliktgebiete. Im Rahmen dieser Anstrengungen hat Saudi-Arabien sich aktiv an der US-geführten internationalen Koalition im Kampf gegen Daesh („IS“) beteiligt und die Islamische Allianz für den Kampf gegen Terrorismus gebildet“. Assaf führte aus, dass das Königreich nicht nur die Bemühungen der Unterbindung von Terror-Finanzierung unterstützt, sondern auch Sanktionen über vom Sicherheitsrat identifizierte Privatpersonen und Organisationen verhängt, die Terrorismus finanzieren und außerdem mit Staaten und Organisationen Informationsaustausch pflegen. „Diese Kooperation wird von vielen Ländern hoch geschätzt”.
Globales Zentrum für Kampf gegen Extremismus
Schließlich erinnerte der Minister an die Eröffnung des Globalen Zentrums für den Kampf gegen den Extremismus in Riyadh im Beisein von US Präsident Trump und Teilnehmern am Arabisch-Amerikanisch-Islamischen Gipfel, der am 22. Mai 2017 in Riyadh stattgefunden hatte. Mit diesem Zentrum will man den Kampf gegen extremistische Ideologie thematisieren. (Informationen zu dem neuen Globalen Zentrum finden Sie hier)
Dynamischer Wandel in Saudi-Arabien
Die Äußerungen von Ibrahim Al-Assaf bezüglich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus sind auf diesem Gebiet ähnlich zu werten wie die Vision 2030 des Kronprinzen auf wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Ebene. Der Gipfel war eine gute Plattform, aber die dicke Wand der alten Vorurteile ist schwer zu durchbrechen. Es mehren sich die Zeichen, dass Saudi-Arabien den dynamischen Wandel wirklich will – vor dem Hintergrund schwindender Öleinnahmen und einer schnell wachsenden, sehr jungen Bevölkerung. So richtig wahrgenommen wird das noch nicht, oder: die Gipfel-Teilnehmer sind Zeuge eines dramatischen Wandels, aber keiner merkt etwas. Man kann davon ausgehen, dass das Königreich noch weitere Überraschungen parat hat – vielleicht im Hinblick auf die erzkonservativen Wahhabiten? Immerhin unterstützen diese das Königshaus in der Qatar-Krise. Da liegt der Gedanke nahe, dass ihr Widerstand gegen autofahrende saudische Frauen bald der Vergangenheit angehört, wie es bei der Religionspolizei schon der Fall ist. Solche Vermutungen werden im Königreich offen geäußert (wie bei einer Reise nach Saudi-Arabien im Februar 2017 persönlich erlebt). Es scheint, als sei eine zeitgemäße Definition des Wahhabismus in Arbeit – in der neu erbauten Sheikh Mohammed bin Abdul Wahhab Foundation? Das ist eine ultramoderne, akademische Institution in Diriyah, der früheren Hauptstadt bei Riyadh und Wirkungskreis des dort 1792 verstorbenen Sheikhs der „reinen Lehre“ des Islam. Diriyah wird sogar als neues Tourismuszentrum vermarktet …
Was bleibt vom Gipfel?
Die Bilder von sinnloser Gewalt und brutaler Zerstörung gingen um die Welt. Die Berichte über die bürgerkriegsähnlichen Szenen hatten weit mehr Raum in den ausländischen Medien als die Informationen über tausende friedliche Demonstranten. Die vermummten, schwarzen Gestalten erinnerten an „IS“. Wahrscheinlich hat Ibrahim Al-Assaf mit Erleichterung das „Bürgerkriegs-Hamburg“ verlassen, um in das friedliche Riyadh zurückzukehren. Und vielleicht hat ihn das Konzert in der Elbphilharmonie für ein Konzertgebäude in Riyadh inspiriert: das würde gut ins Konzept der Vision 2030 passen. Als Architekten könnte man den in Hamburg lebenden Iraner (!) Hadi Teherani empfehlen, der hat z. B. mit dem grandiosen Bau der Zayed Universität Abu Dhabi im befreundeten Nachbarland VAE von sich reden gemacht. – Als am 9. Juli 2017 bei NDR 1 Radio Niedersachsen die Ergebnisse des Gipfels genannt wurden, hieß es, dass sogar Russland und Saudi-Arabien dem Klimaschutz zugestimmt hätten. Die Nachrichtenredaktion wusste wohl weder etwas von der Vision 2030 noch von der Tatsache, dass Saudi-Arabien massiv in Forschung und Entwicklung im Bereich umweltschonender Technologien investiert und bereits bahnbrechende Forschungsergebnisse im Bereich der Solarenergie erzielt hat, wie Prinz Turki bin Saud bin Mohammed Al Saud, Präsident der King Abdullah City for Science and Technology gern bei jeder sich bietenden Gelegenheit vor internationalem Fach-Publikum voller Stolz verkündet.
Zukünftige G20 Gipfel
Am Ende der Veranstaltung wurden die Termine/Gastgeberländer für die drei folgenden G20 Gipfel bekannt: Argentinien 2018, Japan 2019 und Saudi-Arabien 2020.
Text: Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
Fotos: Saudi Press Agency
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