von Hildegard Lenz
Guten Abend nach Deutschland
Heute waren in sehr vielen Orten überall in der Westbank und Ost-Jerusalem "Freitags-Demonstrationen".
Um nur von einem Ereignis zu berichten:
Gestern 27.2.wurde in der Universitätsstadt Bir Zeit, 7km nördlich von Ramallah am helllichten Tag ein Haus von 25 hoch bewaffneten Soldaten einer Spezialeinheit der israelischen Armee umstellt. Ein junger Mann von 22 Jahren wurde verdächtigt, an der Planung von Anschlägen beteiligt zu sein. Mit Lautsprechern forderten sie ihn auf, herauszukommen. Die gesamte Familie kam heraus, aber nicht der Sohn. Da warfen sie eine Handgranate mitten ins Haus. Dann zündeten sie zusätzlich einen riesigen Sprengsatz im Haus. Der junge Mann wurde in Stücke zerrissen, das Haus vollkommen zerstört. Zwei weitere Häuser in der Nachbarschaft wurden auch gesprengt, teilweise waren noch Familienmitglieder drinnen. Unser Fahrer und Übersetzer Abed hatte während des Vormittags Aufnahmen von dem Blutbad im Fernsehen gesehen und war den Tränen nahe, als er uns davon berichtete - alle Viertelstunde auf dem Weg zu einem Checkpoint, wo wir Schulkinder begleiten, hörten wir Nachrichten. Abed befürchtet, dass bald ein 3.Intifada ausbrechen könnte. Er und auch andere Führer sind sich bewusst, dass dies genau das ist, was das israelische Militär mit dieser Art von brutalen Übergriffen auslösen will. Eine andere wichtige Informationsquelle hatte uns schon Tage vorher erzählt, dass Palästinenser Präsident Abbas vor einigen Tagen die Führung seiner Partei und andere Personen des öffentlichen Lebens zusammengerufen hat und sie gewarnt hat vor solchen Entwicklungen und eindringlich gebeten hat, alles zu tun, um die Bevölkerung ruhig und besonnen zu halten, dass die Proteste friedlich bleiben sollten. Israels Regierung ist offenbar so unter Druck bei den Friedensverhandlungen und den immer mehr um sich greifenden BDS-Aktionen, dass sie dringend einen Anlass brauchen, um zuschlagen zu können, und sich der Weltöffentlichkeit und der eigenen Bevölkerung wieder als die Schwachen, Bedrohten zu präsentieren.
Heute war die Beerdigung des jungen Mannes in Bir Seit. Die Trauergemeinde wurde auf dem Friedhof von Helikoptern beschossen mit live ammunition beschossen, der Friedhof umstellt und abgeriegelt. 5 Leute mussten später schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht werden. Die Trauernden wurden mit Tränengas und Wasserwerfern, die mit Stinkstoffen (wie mit Fäkalien) versetzt sind, auseinander getrieben.
Soweit für heute aus dem Un-Heiligen Land.
Hildegard Lenz ist im Rahmen des EAPPI-Programms im Westjordanland. Dieses ist das ökumenische Begleitprogramm des Ökumenischen Rats der Kirchen. Es sendet Freiwillige nach Palästina/Israel, die an den dortigen Brennpunkten die betroffenen Menschen begleiten und anschließend dokumentieren.
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