Gudrun Harrer
7. März 2014, 20:38
Riad/Wien - Für Frauen in mindestens drei arabischen Ländern sieht die Bilanz des vergangenen Jahres endlich einmal gar nicht so schlecht aus - immer daran gemessen, dass 2012 der große islamistische Backlash nach dem Arabischen Frühling Übles befürchten ließ. In Tunesien und in Ägypten haben die Frauen nun Verfassungen bekommen, auf deren Basis sie gleiche Rechte zumindest argumentieren können.
Beim dritten Land ist die Sache etwas komplizierter: Hier kann man eine Verbesserung konstatieren, die jedoch erstens an dem geringsten denkbaren Ausgangsniveau zu messen und zweitens weitgehend nicht rechtlich abgesichert ist. Das Land hat nicht einmal eine Verfassung. Aber immerhin: Es gibt sie, die Veränderungen für Frauen in Saudi-Arabien.
Dass Frauen in Saudi-Arabien über ihr Vermögen einige indirekte Macht und Einfluss ausüben, ist nichts Neues. Aber dass König Abdullah bin Abdulaziz den Schritt tat, Frauen in die Schura zu holen, ließ manchen Angehörigen des religiösen Establishments den Atem stocken. Diese beratende Kammer sollte man nicht als irrelevant abtun - auch ein saudischer König muss seine Macht immer wieder neu verhandeln.
Die erste Chefredakteurin
Die Schura-Entscheidung betrifft die Sichtbarkeit der Frauen, die nun auch in anderen Bereichen zunimmt. Mitte Februar wurde eine Frau zur Chefredakteurin der Saudi Gazette ernannt. Illusionslos spricht Somayya Jabarti von "einem Sprung in der Glasdecke". Die Redaktion der in Jeddah erscheinenden englischsprachigen Tageszeitung ähnelte bisher ihren meisten westlichen Pendants: ein Überhang von Journalistinnen, die Chefposten von Männern besetzt.
Jabartis Ernennung - bei der betont wurde, dass es sich nicht etwa um eine Emanzipationsmaßnahme handelte, sondern dass sie die erste Wahl war - wurde in vielen Foren hämisch kommentiert: Die Frau Chefredakteurin könne nicht einmal selbst in die Arbeit fahren, das sei ihr verboten, nicht aber dem Laufburschen der Redaktion. Jabarti selbst, zuvor lange Vize-Chefredakteurin, hat einmal in einem satirischen Artikel das Jahr 3000 imaginiert, in dem saudi-arabische Frauen sehr wohl ein Auto lenken dürfen - aber sonst noch immer nichts. Bei allem, was sie tun will, stößt sie auf die Frage, wo denn ihr männlicher Vormund sei: Ohne den geht gar nichts.
Die erste Rechtsanwältin
Dabei haben die Frauen im Vorjahr in dieser Beziehung eine wichtige Bastion erobert: Sie können nun die ihnen vorher verwehrten Rechtsanwaltslizenzen bekommen, und zu Jahresbeginn öffnete die erste "weibliche Anwaltskanzlei". Die Klienten werden erst einmal ebenfalls weiblich sein, aber Bayan Mahmud al-Zahran, die Inhaberin, kündigte bereits an, besonders an Arbeitsrecht interessiert zu sein.
Das könnte in der Tat ein Betätigungsfeld der Zukunft sein: Die saudi-arabischen Frauen drängen in den Arbeitsmarkt, und das folgt durchaus einer Einsicht ganz oben, dass sich die saudi-arabische Wirtschaft in dieser Beziehung ändern muss, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben will. Die Frauen müssen etwas zum Bruttonationalprodukt beitragen. In der Stadt Yanbu am Roten Meer soll ein eigenes Industriegebiet geschaffen werden, wo nur Frauen arbeiten.
Manchmal hat etwas, was wie ein konservativer Schub aussieht, eine paradoxe Wirkung: Eine Unternehmensberaterin, Reem Assad, startete per Facebook eine "Wäschekampagne": Frauen sollten sich zu Verkäuferinnen in der Wäsche- und Modebranche ausbilden lassen. König Abdullah unterzeichnete dann ein Dekret, das Männer aus Damenwäsche- und Kosmetikshops verbannte: Die Folge waren nicht nur eine Menge Arbeitsplätze für Frauen, sondern auch ein rasantes Steigen der Umsätze in der ganzen Modebranche. Auch in Yanbu sollen unter anderem Kleidung und Schmuck produziert werden.
Die Zusammenarbeit von Frauen und Männern unterliegt in Saudi-Arabien strengsten Regeln, die dennoch nicht verhindern, dass viele konservative Bewohner des Königreiches - auch Frauen - über den Geschlechtermix empört sind. Sogar die Entfernung zueinander, in der ein Verkäufer und eine Verkäuferin stehen dürfen, ist festgehalten, zum Beispiel dürften sie sich nicht zusammen hinter einem Schalter aufhalten. Die Pausenräume sind getrennt.
Eine Angestellte darf auch nie allein mit einem Angestellten bleiben: Mindestens drei Frauen auf einen Mann müssen es sein. Dass es nicht umgekehrt sein darf - drei Männer, eine Frau -, ist klar: Denn in einer repressiven Gesellschaft wie Saudi-Arabien blüht die sexuelle Belästigung. Wobei diese nirgends schlimmer ist als im gesellschaftspolitisch und rechtlich liberaleren Ägypten.
Quelle: DieStandard.at
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