Der libysche Übergangsregierungschef Ali Seidan hat sich nach seiner Entmachtung durch das Parlament nach Europa abgesetzt. Das verlautete am Mittwoch aus dem Umfeld des ehemaligen Ministerpräsidenten.
Ehemalige Revolutionsbrigaden, die heute formal der Armee unterstehen, vertrieben derweil bewaffnete Anhänger einer Separatistenbewegung aus der Küstenstadt Sirte. Die libysche Nachrichtenagentur Lana meldete, die Truppen wollten die Kämpfer der selbst ernannten Autonomieregierung in der Stadt Adschdabia in den kommenden Tagen aus allen Ölverladehäfen vertreiben, die sie unter ihre Kontrolle gebracht hatten.
Der nun gestürzte Premier Seidan hatte vor dem Aufstand gegen den Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011 mehr als 30 Jahre als Oppositioneller im Exil gelebt. Gegen ihn war am Dienstag ein Haftbefehl erlassen worden, direkt nachdem ihn das Parlament per Misstrauensvotum abgesetzt hatte. Laut Medienberichten werden ihm Korruption und Misswirtschaft in Zusammenhang mit illegalen Ölverkäufen der Separatisten vorgeworfen.
Am Montag hatte ein Öltanker aus Nordkorea den libyschen Hafen al-Sidra verlassen, wo er Öl aus den von den Separatisten besetzten Anlagen geladen hatte. Teile der Separatistenbewegung verfolgen nach Einschätzung unabhängiger Beobachter keine politischen Ziele, sondern sind vor allem daran interessiert, sich zu bereichern. Die Kämpfer, die den Anführer der Separatisten, Ibrahim Dschadran, unterstützen, gehörten einst Wachmannschaften an, die mit dem Schutz der Ölanlagen beauftragt worden waren.
Muslimbrüder bangen um Einfluss
Dem gestürzten Regierungschef gelang es am Dienstagabend trotz des Haftbefehls, von Tripolis abzufliegen. Seidan landete laut Medienberichten kurz in Malta, bevor er in ein anderes europäisches Land weiterflog. Dem Vernehmen nach hält sich Seidan jetzt in der Schweiz auf, wo er früher schon einmal gelebt hat.
Seidans wichtigster Gegenspieler war in den vergangenen Monaten Parlamentspräsident Nuri Abu Sahmein. Mehrere libysche Kommentatoren äußerten in arabischen Talkshows Zweifel an den Vorwürfen gegen den Ex-Regierungschef. Wer neuer Regierungschef werden soll, ist noch unklar. Die Amtsgeschäfte soll in den kommenden zwei Wochen Verteidigungsminister Abdullah al-Thani führen.
Das Parlament hatte in seiner Sitzung am Dienstag auch Parlamentswahlen für Juli angekündigt. Verschoben wurde die Entscheidung, ob der künftige Präsident vom Parlament oder direkt vom Volk gewählt werden soll. Nach Einschätzung der Zeitung "Libya Herald" wollen die Muslimbrüder eine Direktwahl verhindern, weil ein Kandidat aus ihren Reihen dann keine Chancen hätte.
Quelle: welt.de
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