Er ist vielleicht der Letzte der großen Traveller, die seit den Zeiten der Antike die Welt explorieren und sie denen, die zu Hause bleiben, erklären: Peter Scholl-Latour, der am vergangenen Sonntag in Berlin seinen 90. Geburtstag feierte. Immer hat man das Gefühl, der Mann mit dem französischen Singsang in der Stimme werde gleich aus der Kulisse hervortreten vor die TV-Kamera, im Tarnanzug, statt der Waffe ein Mikrofon in der Hand, über das er seine zumeist widerborstigen Ansichten, Einsichten und Begegnungen dem Publikum vermittelt. Dieses Mal beließ er es bei Nadelstreifen ohne Orden.
Ort der Handlung war der Berliner China Club, auf der Rückseite des Hotels Adlon. Ungefähr 150 Gäste kamen zur Gratulation, zum Crémant, zu einem opulenten chinesischen Mahl – allerdings bei deutschem Riesling und französischem Grand Cru St. Emilion.
Für einen Offizier der Légion d'honneur, Mann des karolingischen Europa, dessen Vaterländer diesseits und jenseits des Rheins liegen und der am liebsten den General de Gaulle zitiert, war dies die zugleich überraschende und passende Inszenierung. Viel an Medien war vertreten, Print und Digital, Politik aktiv und pensioniert, Künstler und schöne Frauen, Gabriele Henkel und Imke Siedler, Klaus Bölling und Graf Nayhauß, viel altes West-Berlin, die Bonner und die Berliner Republik.
Starke Emotionen und heroischer Pessimismus
Helmut Schmidt hatte es sich nicht nehmen lassen, aus Hamburg kommend, zwischen zwei Menthol-Zigaretten Lobendes zu sagen über den Welt- und Menschenkenner Scholl-Latour, von dem er viel gelernt habe. So bescheiden klingt der Ex-Kanzler selten.
Er riet dem Autor von mehr als 30 Büchern seit dem Maßstab setzenden "Tod im Reisfeld", die Spitzfindigkeiten der Wissenschaft nicht zu ernst zu nehmen, sondern weiterhin der historischen Welterfahrung Kraft und Stimme zu geben: In Zeiten, da schon "19. Jahrhundert" zum Schimpfwort Richtung Russland gerät, ist das keine überflüssige Ermutigung, auch nicht, die Verbindung zu Frankreich zu ehren und zu pflegen.
Und dann die Laudatio durch Gero von Boehm, ein Meisterstück studierter Leichtigkeit. "König aller Unken", zitiert von Boehm ein Hamburger Nachrichtenmagazin über Scholl-Latour. Distanz bescheinigt er ihm, Erfahrung und Erzählkunst. Der Erfolg seiner Bücher beweist, dass es im Deutschen ein Publikum gibt jenseits flinker Reportage oder wissenschaftlicher Schwere.
Eleganz und Kaltblütigkeit zeichnen Scholl-Latour aus, dazu starke Emotion und heroischer Pessimismus. Zum späten Abschied gibt ihm der Laudator ein gelassenes "no risk no fun" mit auf den Weg zum nächsten Abenteuer.
Quelle: Die Welt
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