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04.08.2013

 

Nahostexpertin Muriel Asseburg über neue Gespräche zwischen Israel und Palästina

 

Nach dreijähriger Pause wird es wieder direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern geben. Die Gespräche seien jedoch nicht vom Willen geprägt, "tatsächlich zu einem Ergebnis zu kommen", meint Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Ergebnisse in "substanziellen Fragen" hingen nun vom Druck der USA ab.

 

Gerd Breker:
US-Außenminister Kerry hatte es mit intensiver Pendeldiplomatie erreicht, dass nach dreijähriger Pause es nun wieder direkte Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern geben wird. Gestern hatte das Kabinett in Jerusalem eine Vorbedingung der Palästinenser erfüllt und die Freilassung von mehr als 100 Gefangenen aus israelischer Haft gebilligt. Die Gespräche werden in Washington geführt, sozusagen unter der Aufsicht der US-Amerikaner. Am Telefon sind wir nun verbunden mit Muriel Asseburg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Guten Tag, Frau Asseburg!

 

Muriel Asseburg:
Ja, guten Tag, Herr Breker!

 

Breker:
Das Beste an dieser Nachricht ist, dass es überhaupt direkte Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern gibt.

 

Asseburg:
Das kann man so sehen, aber man kann natürlich auch sehen, dass Gespräche, die nicht ernsthaft geführt werden, nicht in dem Willen, tatsächlich zu einem Ergebnis zu kommen, eher negative Auswirkungen haben können, große Erwartungen erzeugen, die dann einmal mehr zu einem Ausbruch von Gewalt zum Beispiel führen könnten.

 

Breker:
Verstehe ich Sie recht, Frau Asseburg, Sie zweifeln an der Substanz dieser Gespräche, an der Ernsthaftigkeit, mit der sie geführt werden? Sie halten diese Gespräche mehr für Aktionismus denn konkrete Verhandlungen?

 

Asseburg:
Also bislang können wir von keiner der beiden Seiten sehen, dass sie in diese Gespräche reingehen mit dem ernsthaften Willen, hier zu einer Kompromisslösung zu kommen. Beide Seiten haben andere Interessen, warum sie in diese Gespräche reingehen, und das haben sie, denke ich, auch in den letzten Tagen noch mal sehr deutlich gemacht.

 

Breker:
Und die anderen Interessen, die kann man zusammenfassen unter der großen Überschrift, ohne Druck aus den USA gäbe es sie überhaupt nicht.

 

Asseburg:
Das ist in der Tat so, ja. Und deshalb hängt es jetzt auch ganz stark davon ab, wie die Amerikaner tatsächlich diese Gespräche führen, und ob sie bereit sind, diesen entsprechenden Druck auch jetzt so auszuüben, dass die Parteien eben gezwungen sind, nicht nur an den Verhandlungstisch sich zu bewegen, sondern darüber hinaus dann auch sich den substanziellen Fragen zuzuwenden und da Fortschritte zu erzielen.

 

Breker:
Wenn die Amerikaner diesen Druck so ausüben sollten, was müssen sie dann tun?

 

Asseburg:
Ich denke, es wird kein Weg dran vorbeigehen, dass die Amerikaner tatsächlich einen Plan auf den Tisch legen, der sehr deutlich macht, was ist der Ausgangspunkt von Verhandlungen, und da wird kein Weg an den Grenzen von 67 vorbeigehen, und auch die anderen Punkte, die zu verhandeln sind, sei es Sicherheit, seien es Flüchtlinge, seien es die Siedlungen, da werden Vorgaben notwendig sein, um die Parteien zu einem Ergebnis zu bringen. Die Vorgaben sind nicht aus der Luft zu ziehen, sondern sie sind im Grunde alle da, die Prinzipien sind alle schon ausformuliert worden, aber selbst darüber besteht ja keine Einigkeit zwischen den Parteien. Also die Prinzipien müssen verankert werden, und ich denke, es braucht dann tatsächlich noch zwei weitere Punkte. Das eine ist ein ganz klarer Aufsichtsmechanismus, der unparteiisch beurteilt, ob die notwendigen Fortschritte im Hinblick auf eine Umsetzung von welchen Regelungen dann auch umgesetzt werden, und das Dritte ist tatsächlich der anhaltende Druck auf beide Parteien zu einer endgültigen Lösung, einer endgültigen Regelung zu kommen.

 

Breker:
Ziel ist ja die Zweistaatenlösung, Frau Asseburg. Aber haben die Palästinenser, wenn man das Westjordanland nimmt, überhaupt noch genügend Land, um einen eigenen Staat zu errichten?

 

Asseburg:
Wenn man sich die jetzigen A- und B-Gebiete, also diejenigen Gebiete, aus denen die Israelis weitgehend abgezogen sind, anschaut, dann reicht das natürlich nicht aus, um einen palästinensischen Staat zu errichten. Wenn man die Westbank, Ostjerusalem und den Gazastreifen anschaut, dann lässt sich dort schon ein palästinensischer Staat errichten, aber dazu sind eben sehr, sehr weitgehende Maßnahmen notwendig, unter anderem die Evakuierung des allergrößten Teils der israelischen Siedler aus diesen Gebieten.

 

Breker:
Ist das realistisch? Netanjahu hat ja schon angekündigt, wenn es denn überhaupt Ergebnisse, konkrete Ergebnisse geben sollte, dann würde er darüber in einem Referendum abstimmen lassen. Sind die Mehrheitsverhältnisse in Israel so, dass zum Beispiel ein solcher Gebietstausch, der Abriss der Siedlungen im Westjordanland, dass das überhaupt durchsetzbar ist in Israel?

 

Asseburg:
Das kommt darauf an, wie das verknüpft wird, das kommt darauf an, dass das in einem Paket kommt, das den Israelis tatsächlich Sicherheit bringt, und das den Israelis tatsächlich das Gefühl gibt, wir bewegen uns hin auf ein Ende des Konflikts, auf eine Lösung dieser Situation. Und wenn man ein solches Paket hat, dann, so sagen alle Umfragen, hat man eine Mehrheit der israelischen Bevölkerung für ein solches Paket. Das heißt, das Problem ist in dem Fall nicht die Bevölkerung, die würde in einem solchen Referendum tatsächlich zustimmen, das Problem ist vielmehr die Zusammensetzung der Koalition, die Netanjahu leitet.

 

Breker:
Sie haben eingangs gesagt, Frau Asseburg, dass Sie die Ernsthaftigkeit der Verhandlungen auf beiden Seiten vermissen. Warum führen die Palästinenser diese Verhandlungen, wenn es so aussichtslos ist, aus Ihrer Sicht?

 

Asseburg:
Weil die palästinensische Autorität in jeder Hinsicht außenabhängig ist. Sie ist außenabhängig, was ihre wirtschaftliche Entwicklung angeht, und sie ist außenabhängig, was die politische Entwicklung angeht. Und deshalb hat sie großes Interesse daran, zu zeigen, dass sie den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft hier, in diesem Falle angeleitet durch die Amerikaner, dass sie diese Bemühungen nicht boykottiert, ihnen nicht im Wege steht, sondern versucht, alles zu tun, um sie zum Erfolg zu führen. Nur dann kann sie sich sicher sein, dass sie nach wie vor die entsprechende Unterstützung von außen bekommt.

 

Breker:
Ein großer Verhandlungspunkt wird auch Ostjerusalem sein. Sie haben es erwähnt, Ostjerusalem soll die Hauptstadt des Palästinenserstaates werden, aber die Israelis wollen Ostjerusalem nicht hergeben, beziehungsweise, sie bauen dort Siedlungen über Siedlungen und Wohnungen über Wohnungen.

 

Asseburg:
Richtig, aber wenn man sich Umfragen anschaut, die dieses Problem ein bisschen genauer beleuchten, dann sieht man, dass dort schon Raum für Kompromisse ist. Das heißt, es gibt sehr viele Bezirke in Ostjerusalem, die tatsächlich überwiegend palästinensisch bewohnt sind, an denen die Israelis auch nicht hängen. Das heißt, wenn man eben fragt, muss denn Beit-Hanina, muss denn Shu'fat in einem künftigen Abkommen Teil Israels sein, sagt ein Großteil der Israelis Nein, weil die kennen diese Bezirke gar nicht. Das heißt, es gibt Möglichkeiten, hier zu einem Kompromiss zu kommen, wenn man über ideologische Festlegungen hinausgeht, und wenn man bereit ist, und dazu braucht es Bereitschaft beider Seiten, tatsächlich dann über vollständige Souveränitätsansprüche in Ostjerusalem und insbesondere in dem, was als das Zentrum der heiligen Stätten gesehen wird, dass man davon wegkommt.

 

Breker:
Fassen wir zusammen, Frau Asseburg, wenn die Amerikaner ausreichend Druck auf beide Seiten ausüben, dann könnten diese Verhandlungen, diese direkten Gespräche konkrete Ergebnisse bringen - nur dann?

 

Asseburg:
Meiner Ansicht nach ja, nur leider muss man auch sehen, dass das relativ unwahrscheinlich ist.



Breker:
Die Einschätzungen von Muriel Asseburg, sie arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.

 

Das vollständige Interview vom 29.07.2013 im Deutschlanfunk finden Sie hier.

 

   

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