Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Roters,
ich habe mit Entsetzen und tiefster Enttäuschung die Nachricht gelesen, dass Sie nach „Protesten der israelischen Botschaft“ die Ausstellung „Breaking the Silence“ abgesagt haben. In Zürich stößt diese Ausstellung auf großes Interesse. Der Andrang der Besucher ist „überwältigend“. Auch in der Schweiz hatte die israelische Botschaft kritisiert und alles getan, damit die Ausstellung abgesagt würde. Die Schweizer sind aber nicht eingeknickt, wie Sie und wie es in Deutschland inzwischen Routine ist, wenn es um Ausstellungen wie die „Nakba“, die den israelischen Behörden und vor allem dem israelischen „Hasbara“ (Propaganda) Ministerium nicht passen.
Wir Deutsche sind leider Opfer von unfähigen, rückgratlosen Politikern, Gewerkschaftsbossen und Kirchenoberen, die nicht den Mut haben, der israelischen Botschaft und dem Zentralrat der Juden zu sagen, dass sie sich gefälligst in kulturelle Angelegenheiten der Deutschen nicht einmischen sollen.
Als Jude und Deutscher, als deutscher Jude, protestiere ich gegen diese Feigheit, gegen diesen Opportunismus und gegen die Verletzung unseres Grundgesetzes, der ausdrücklich in Artikel 5 sagt: (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Es sind immer wieder dieselben Organisationen, die diese Freiheit verhindern, weil sie damit den Staat Israel und seine Menschenrechte verletzende Politik schützen wollen. Es sind die Synagogengemeinden geführt und geleitet vom Zentralrat, es ist die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und vor allem ist es auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft. Alle behaupten immer wieder, auch im Falle der Nakba-Ausstellung, dass solche Ausstellungen „antisemitische Reaktionen hervorrufen könnten.“ Antisemitische Reaktionen würde aber die Absetzung hervorrufen, denn die Bevölkerung ist nicht dumm und nicht naiv, und sie hat es nicht gerne, bevormundet zu werden von einer israelischen Botschaft, die besser schweigen sollte und ihren Soldaten ermöglichen sollte, ein anderes Schweigen zu brechen.
Die Ausrede Ihres Amtes, dass man „die Ausstellung nicht zeigen kann, ohne sie in einen größeren Kontext zu stellen“, ist mehr bzw. weniger als dürftig. Welcher „Kontext“ schwebt Ihnen da vor? Mit solchen Ausreden zeigen Sie doch nur, dass Sie der Meinung sind, dass „das Volk“ nicht reif ist für solche Ausstellungen, die aber das Willy Brandt-Haus in Berlin bereits gezeigt hat, ohne dass es zu antisemitischen Reaktionen gekommen ist.
Die Ausstellung ist der israelischen Botschaft und dem Zentralrat der Juden, der sich als zweite israelische Botschaft versteht, peinlich. Das ist auch gut so. Aber das darf doch kein Grund sein, sie dem deutschen Publikum vorzuenthalten.
Zeigen Sie Zivilcourage und nehmen Sie Ihre Absage zurück. Die Bürger der Stadt Köln werden es Ihnen danken und auch ich, als ehemaliger Kölner werde es Ihnen danken.
In den Auseinandersetzungen um die Nakba-Ausstellungen haben mehrere Gerichte unabhängig voneinander entschieden, dass die Behörden kein Recht hatten, sich einzumischen bzw. abzusagen. Das könnte auch in diesem Fall passieren, wenn jemand Sie verklagen sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Abraham Melzer
Jüdischer Verleger und Publizist
< Das Märchen der Zwei-Staaten-Lösung