Viele Deutsche fragen sich, warum gerade jetzt so viele Syrer hierher drängen. Doch wer dieser Tage Europa erreicht, ist meist schon lange unterwegs. Hintergründe von Kristin Helberg
Zwanzig Checkpoints musste Abou Adnan passieren, mit gefälschten Papieren. "Jedes Mal bleibt dein Herz stehen, weil du weißt, dass du jederzeit verhaftet werden kannst", schreibt der 26-jährige Mediziner für "The Syria Campaign", einen Aufruf der syrischen Zivilgesellschaft im Internet. Dass er es vor wenigen Wochen aus den östlichen Vororten von Damaskus bis nach Deutschland schaffte, grenzt an ein Wunder. Denn Ost-Ghouta ist eines der am stärksten vom Krieg gezeichneten Gebiete Syriens. Seit Jahren vom Assad-Regime abgeriegelt, 2013 mit Giftgas angegriffen, unter Dauer-Bombardement – "durchschnittlich acht Luftangriffe am Tag" zählte Abou Adnan.
Der angehende Chirurg gehört zu den mehr als 109.000 Syrern, die seit 2011 einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben, genauer gesagt zu den etwa 34.000 jungen syrischen Männern, die in diesem Jahr illegal über das Mittelmeer und die Balkanroute gekommen sind. Viele Deutsche fragen sich, warum gerade jetzt so viele Syrer hierher drängen. Doch wer dieser Tage Europa erreicht, ist meist schon lange unterwegs. Als Vertriebener innerhalb des Landes auf der Suche nach Sicherheit, oder als Gestrandeter in den Nachbarstaaten auf der Suche nach einer Perspektive.
Beides haben die Syrer nicht gefunden. Auch weil die internationale Gemeinschaft zu wenig tut, um den Syrern ein (Über-)Leben in ihrer Heimat bzw. in der Region zu ermöglichen. Wer deshalb noch Ersparnisse hat oder einen Mann in der Familie, der unterwegs mit Schwarzarbeit das nötige Fluchtgeld verdienen kann, macht sich auf nach Westeuropa, denn dort gibt es sowohl Sicherheit als auch Zukunftsperspektiven.
Zu dem kompletten Artikel vom 16.09.2015 von qantara.
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