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17.08.2017

 

50 Jahre israelische Besatzung

 

Ein Bericht von Matthias Jochheim

 

Vor 50 Jahren – exakt vom 5. bis 10. Juni 1967 – tobte im Nahen Osten der Sechstagekrieg zwischen Israel einerseits, Ägypten, Jordanien und Syrien andererseits, der zu einem vollständigen Sieg der israelischen Armee und dann zu der seit damals fortbestehenden militärischen Besatzung der Westbank, Ost-Jerusalems, der Golanhöhen und indirekt auch des Gaza-Streifens führte. Alle Initiativen zu einer friedlichen Beendigung des de facto fortbestehenden Kriegszustandes konnten auch nach 50 Jahren zu keiner Lösung führen, und sind gegenwärtig in einer scheinbar aussichtslosen Sackgasse gelandet.


Das Ziel unserer am 10. und 11. Juni 2017 in Frankfurt/M von KoPI, dem "Deutschen Koordinationskreis Palästina-Israel" (www.kopi-online.de)  organisierten Tagung "Für ein Ende der Besatzung und einen gerechten Frieden" war es, eine Zwischenbilanz und mögliche Perspektiven vor allem aus Sicht zivilgesellschaftlicher Akteure zu präsentieren. Die IPPNW Deutschland, aktives Mitglied von KoPI, unterstützte die Konferenz organisatorisch und finanziell.

 

Die Tagung war schon im Vorfeld über Frankfurt hinaus heftig umstritten: es wurden antisemitische Motive unterstellt; nicht zuletzt von Seiten des Kirchendezernenten Bürgermeister Becker (CDU) wurde Druck auf das Tagungszentrum ausgeübt, was zusammen mit einer Flut von Schmäh-Mails aus dem In- und Ausland, teilweise mit Gewaltandrohungen, dazu führte, dass die zeitweise Kündigung der Veranstaltungsräume erst durch eine einstweilige Verfügung des Frankfurter Amtsgerichts rückgängig gemacht werden konnte. Bei der Organisation einer Gegenkundgebung direkt vor dem Tagungsort tat sich „Honestly Concerned“ hervor, deren Spezialität es ist, Kritik an der israelischen Regierungspolitik mit Antisemitismus-Vorwürfen zu überziehen. Die Frankfurter Stadtverordnete Jutta Ditfurth reihte sich dann auch in diesen Chor ein. Unter anderem war folgende vielsagende Transparent-Parole zu lesen:  ‚Palästina‘ – Halts Maul! Treffender lässt sich die politische Intention dieser VersammlungsgegnerInnen eigentlich gar nicht zusammenfassen.

 

Aber auch Unterstützer der Gruppe „Free Palestine Frankfurt“ fanden sich am ersten Veranstaltungstag (ebenfalls mit rund 150 Demonstranten) vor dem Ökohaus ein. Und schließlich war auf dem Vorplatz auch ein starkes Polizeiaufgebot präsent. Am zweiten Tag schließlich verlief unsere Tagung dann ohne massive Präsenz von Sicherheitskräften und ohne Zwischenfälle.

 

„Palästina – Halts Maul!“ hat sich also nicht durchsetzen lassen. Bei der Tagungseröffnung referierte George Rashmawi (Palästinensischen Gemeinde Deutschland) über die massiven und andauernden Verletzungen der Menschenrechte und der zur Unterstützung der Palästinenser verabschiedeten UN-Resolutionen, darunter der Resolution 194 von 1948, in der das Rückkehrrecht der 1948 vertriebenen Bevölkerung festgeschrieben wurde (übrigens mit Zustimmung des UN-Mitglieds Israel). Er schilderte den permanenten widerrechtlichen Landraub durch die israelischen Siedler, inzwischen 720.000 Personen in den Gebieten Westbank, Ost-Jerusalem und Golan. 2016 gelang es hierzu (bei Stimmenthaltung der USA) eine einstimmige Resolution des UN-Sicherheitsrates zum Verbot weiteren Siedlungsbaus herbeizuführen (Resolution 2334), aktuell völlig ignoriert von der israelischen wie auch der neuen Trump-Regierung. Die vom internationalen Gerichtshof in Den Haag juristisch delegitimierte „Apartheidsmauer“ wird weiter komplettiert, und zerstückelt das Territorium der Westbank in drei große Enklaven, für die Palästinenser immer schwieriger zugänglich. Die soziale Lage der Menschen wird immer prekärer, 40 % in der Westbank und 80 % der Gaza-Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Die gewaltsame, oft tödliche Unterdrückung in den besetzten Gebieten ist alltägliche Realität.

 

Moshe Zuckermann, Universität Tel Aviv, Historiker und Philosoph, ging anfangs auf den Versuch des Frankfurter CDU-Dezernenten Becker ein, die Tagung zu verhindern. Mit welchem Recht habe Becker ihm als Sohn von Holocaust-Überlebenden einen Vortrag verbieten wollen, in Frankfurt, der Stadt, wo er vor der Rückkehr nach Israel 10 Jahre seiner Jugend mit seinen Eltern verbracht hatte? Dann ging Zuckermann auf die politische Lage in Israel ein, kennzeichnete das Vorgehen Israels in den besetzten palästinensischen Gebieten als »Barbarei«. Die Gewalt, die dort tagtäglich verübt werde, habe auch Einzug in die israelische Gesellschaft gehalten. Ein großer Teil der Israelis habe sich damit arrangiert und blende dies aus dem eigenen Leben aus. Israel wolle keinen Frieden, weil es sich »der Nachhaltigkeit des eigenen politischen Projekts nicht sicher« sei, so seine These. Der Zionismus habe das Land und die Region an den Abgrund geführt und sei gescheitert. Das zionistische Israel brauche den Antisemitismus, um die eigene Existenz zu behaupten. Hinsichtlich der BDS-Kampagne äußerte sich Zuckermann zurückhaltend – wirkungsvoller sei es, wenn die USA ihre finanzielle und militärische Unterstützung für Israel einstellten.

Am Samstag eröffnete Dr. Khouloud Daibes, die palästinensische Botschafterin in Deutschland, die Tagung mit ihrem Grußwort und dem Appell an die internationale Gemeinschaft, nicht mehr mit der Besatzung zu kooperieren. Sie kritisierte die beiden Oberbürgermeister von Frankfurt und von München, die jeweils die Schirmherrschaft für Veranstaltungen für ein wiedervereinigtes Jerusalem übernommen hatten, (Ostjerusalem wurde von Israel völkerrechtswidrig annektiert). Ihre Briefe an die beiden Stadtoberhäupter seien bis heute unbeantwortet geblieben.

 

Majida Al Masri aus Nablus, ehemalige palästinensische Ministerin für soziale Angelegenheiten, wies auf die Vorstellungen von Trump und Netanjahu hin, zunächst eine volle Normalisierung mit den arabischen Staaten herzustellen, und dann den Israel-Palästina Konflikt lösen. Die USA würden auf eine Konferenz Ende diesen Sommers drängen, um den Palästinensern eine „Lösung“ schmackhaft zu machen: Großisrael mit Jerusalem als Hauptstadt, und die Palästinenser in Enklaven, wo sie ihre privaten Dinge selber regeln dürfen. Als positive Entwicklung wertete Al Masri die Erklärung der Hamas, mit zwei Staaten leben zu können. Sie sieht damit eine Chance für mehr Einheit unter den Palästinensern.

Jamal Jumaa, Ramallah, Koordinator der Stop the Wall Campaign, sprach über die Folgen der Besatzung, die er als fortschreitendes Kolonisierungsprojekt schilderte. Das Ziel der israelischen Politik seien eine „sustainable“, also nachhaltige, langdauernde Ghettoisierung, die schrittweise Judaisierung Ost-Jerusalems, und die Fragmentierung des Westjordanlandes. Als wirksame Gegenstrategie stellte er die schon jetzt internationalisierte BDS-Bewegung dar, als eine gewaltlose, an den Ideen Ghandis orientierte Strategie, Kooperation mit den Besatzern und deren internationalen Unterstützern zu verweigern, durch Boykott von israelischen Produkten und von Unternehmen, die von der Okkupation profitieren – ein Boykott, der eben nicht nur den Warenhandel, sondern auch Finanzinvestitionen und andere Formen internationaler Kooperation mit der Besatzungsmacht treffen soll. (BDS=Boycott, Desinvestment and Sanctions).

 

Der Völkerrechtler Norman Paech ging noch einmal auf die Kontroversen um die Konferenz ein. Für ihn sei dies ein Beweis, dass die vielgerühmte Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte gescheitert ist. In seinem Vortrag ging er der Frage nach, welche völkerrechtlichen Gründe dafür sprechen, sich auf den ursprünglichen UN-Beschluss der Teilung des historischen Palästinas und der Bildung zweier unabhängiger Staaten, Israel und Palästina, zu berufen. In einem Apartheidstaat, einem binationalen Staat könnte die Staatengemeinschaft sagen: „wir mischen uns nicht in innere Angelegenheiten ein.“ Berufe man sich aber auf den UN-Teilungsplan, sei die Weltgemeinschaft zur Unterstützung Palästinas verpflichtet. An anderen Stellen berufe sich Israel durchaus auf das Völkerrecht, etwa beim Gazakrieg auf das Recht auf Selbstverteidigung. In einer solchen Konstellation sei aber nicht ohne weiteres klar, wer das Recht auf Selbstverteidigung habe. Zunächst hätten die Besetzten das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht sich gegen die Besatzung zu wehren. Beides schließe jedoch Angriffe auf Zivilisten aus. BDS betrachtet Paech wie auch über 200 andere Juristen weltweit als legal und legitim und als „die einzige Kraft, die wir derzeit haben, angesichts staatlicher Untätigkeit.“ Die Palästinensische Autonomiebehörde dürfe sich dem Druck Israels und der USA nicht beugen, wie dies beim Goldstone-Bericht zum Gazakrieg geschehen sei, als die Palästinensische Autonomiebehörde dafür stimmte, den Bericht in UN-Gremien nicht zu behandeln. Die Palästinensische Autonomiebehörde müsse nun aber verstärkt „den ‚Kriegsschauplatz‘ der Gerichte und der Justiz betreten“.

 

Iris Hefets, aus Israel stammende Psychoanalytikerin und Vorsitzende der "Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost", kritisierte zunächst den Einladungstext zur Konferenz, in dem es hieß, Deutschland habe »aufgrund des Holocaust eine doppelte Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Juden hier und in Israel sicher leben können und nie wieder verfolgt werden«, und Deutschland dürfe auch "nicht wegschauen, wenn den Palästinensern, die am Holocaust keine Schuld tragen, Unrecht geschieht". Deutschland habe, so Hefets, die Pflicht, jeden, der auf deutschem Boden lebe, zu schützen, egal, welcher Religion er angehöre, aber "keinerlei Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Menschen woanders sicher leben können", es sei denn, es werde "unter sehr bestimmten Bedingungen" gebeten, die Bundeswehr zu schicken. Als Israelin in Israel von Deutschland beschützt zu werden sei für Hefets "nicht besonders attraktiv".

Hefets sprach ausführlich über die israelische Staatenbildung nach der Nakba (arabisch für »Katastrophe«) 1947/48, während der rund 750.000 Palästinenser vertrieben und viele ihrer Dörfer zerstört worden waren. Für viele Zuhörer neu war ihre Schilderung der Konflikte zwischen den aus Europa zugewanderten Aschkenasim einerseits, den von ihnen unterdrückten Misrachim aus den arabischen und nordafrikanischen Ländern andererseits, ein  weiterer Sprengsatz für die prekäre Stabilität des zionistischen Staates. Um eine »jüdische Mehrheit« zu schaffen, sei von der zionistischen Führung (ganz überwiegend europäische Juden) die Rückkehr der Palästinenser verhindert und ein Transfer von orientalischen Juden nach Israel organisiert worden, die dann gezielt zur Unterschicht im neuen jüdischen Staatsvolk wurden.  Seit der Besetzung von Gaza, Westbank und Ost-Jerusalem mit der damit einhergehenden Unterdrückung profitieren die Misrachim ökonomisch davon und fühlten sich in Relation zu den dort lebenden Palästinensern in ihrem Status aufgewertet. 

 

Ilan Pappe, aktuell in England lehrender israelischer Historiker und Autor, ein radikaler Kritiker des Zionismus, definierte Israel als eine Siedlerkolonie, welcher von der britischen Regierung schon mit der Balfour-Erklärung von 1917 Eigenstaatlichkeit versprochen worden war. Die Unterdrückung der Einwohner Palästinas habe lange vor 1967 begonnen, beispielsweise als die zionistische Bewegung 1947/48 palästinensische Städte und Dörfer systematisch zerstört habe. Alles sei »unter den Augen der Welt« geschehen, so Pappe. Man müsse über die Wirklichkeit und die Verbrechen in Israel und Palästina sprechen, erklärte Pappe unter Verweis auf die Einschüchterungspolitik einschlägiger Lobbyisten in Deutschland. Ein Schlussstrich unter den Zionismus wäre letztlich gut für Palästinenser und Juden.

 

Ein schöner Abschlussakzent wurde uns telekommunikativ aus Hamburg übermittelt, beginnend mit der Zustimmung zu einem Zuckermann-Zitat:

Wer meint, den Antisemitismus bekämpfen zu sollen, vermeide es vor allem, Israel, Judentum und Zionismus, mithin Antisemitismus, Antizionismus und Israel-Kritik wahllos in seinen deutschen Eintopf zu werfen, um es, je nach Lage, opportunistisch zu verkochen und demagogisch einzusetzen… "Dir, den mit dir Referierenden und den Euch zustimmenden Versammelten solidarische Grüße, herzlich Esther Bejarano (Musikerin und ehemaliges Mitglied des Mädchenorchesters von Auschwitz) und Rolf Becker (Schauspieler)".

 

Unsere Tagung war ein Versuch, gemeinsam mit engagierten Palästinenserinnen und Palästinensern ebenso wie mit Israelis, die für ein gleichberechtigtes und friedliches Zusammenleben eintreten, den intensiven Dialog zu führen. Es gibt in Deutschland erhebliche Widerstände gegen solche Beschäftigung mit dem nahöstlichen Konflikt. Wir sehen unsere Aufgabe weiterhin darin, uns mit solchen Widerständen und ihren gesellschaftlichen Hintergründen offen auseinanderzusetzen.

Matthias Jochheim, IPPNW

Fotos von der Veranstaltung – und den Kundgebungen pro und contra – finden Sie auf den Seiten von Arbeiterfotografie.

Foto: Checkpoint bei Qalqiliya im Westjordanland. Foto: IPPNW

Quelle:

 

https://www.ippnw.de/frieden/artikel/de/50-jahre-israelische-besatzung.html

 

 

   

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