Neue archäologische Funde in Ägypten ist man gewohnt. Sie erregen großes internationales Interesse, sind sie doch - neben dem Erkenntnisgewinn für die Archäologen - auch interessant für Besucher. So gehören z. B. die Königsgräber mit ihren wundervollen Wandmalereien zu den größten Touristenattraktionen Ägyptens. Bei neuen Funden handelt es sich meist um Gräber, Statuen oder Sarkophage mit Mumien wie kürzlich der spektakuläre Fund in Saqqara, eine Entdeckung, von der der Ägyptologe Dr. Zahi Hawass in seiner bekannten überschwänglichen Art behauptete, sie würde „die Geschichte neu schreiben“.
Am 13. März 2021 gab das ägyptische Ministry of Tourism and Antiquities einen Fund ganz anderer Art bekannt: ein französisch-norwegisches Archäologen Team hat 350 km südwestlich von Kairo, in der westlichen Wüste, genauer gesagt auf dem Gelände von Tal Ganoub Qasr Al Agouz in der Bahariya Oase, christliche Ruinen ausgegraben. Es handelt sich um eine Klosteranlage aus dem 5. Jh. aus Basalt und Lehmziegeln. Osama Talaat, Leiter der Abteilung für islamische, koptische und jüdische Altertümer im Ministerium erklärte: „Der Gebäudekomplex besteht aus sechs Bereichen mit den Ruinen von drei Kirchen und Zellen für Mönche, auf deren Wände Zeichnungen und Symbole mit koptischen Konnotationen zu sehen sind“.
„Wir sind jetzt in der dritten Grabungssaison. Schon 2020 hatten wir 19 Bauwerke und eine Kirche entdeckt, die in das felsige Grundgestein eingelassen waren. Die Kirchenwände sind mit religiösen Inschriften und biblischen Passagen dekoriert - alles Hinweise auf intensives christliches Kirchen- und Klosterleben in der Region seit dem fünften Jahrhundert“, so Victor Ghica - Leiter der Grabungsmission des französischen Instituts für orientalische Archäologie.
Die 2000 qkm große Oase Bahariya liegt in der Nähe der Schwarzen Wüste, die ihren Namen von den schwarz aussehenden Hügeln vulkanischen Ursprungs hat. Die schwarzen Flächen bestehen aus Vulkanauswurf in Form kleiner Steine, genannt Dolerit. Solche Phänomene sind nicht selten, außergewöhnlich ist hier allerdings, dass die „Vulkane“ in einer Sandwüsten-Landschaft stehen. Wie die anderen Oasen der libyschen Wüste, z. B. die Oase Siwa, liegt auch Bahariya in einer Senke und profitiert vom nicht allzu tief entfernten Grundwasser. Die Gegend war zwischen dem 4. und 8. Jh. bewohnt und erlebte ihre Blütezeit im 5./6. Jh.
Heute ist die Oase Bahariya in 2-Tages-Ausflügen von Kairo zu erreichen. Im Qasr El Bawiti kann man in landestypischem Stil übernachten und am nächsten Morgen mehrere kleine Oasenorte und die Oasenwirtschaft erkunden, wobei man freundlichen Bauern auf Eseln begegnet. Natur pur ist das Erlebnis bei der Fahrt zum See der Oase. Außerdem bietet sich der Besuch von vier Grabanlagen der 26. Dynastie an. Die schönsten Grabmalereien befinden sich im Grab von Bannentiu. Wer die Grabmalereien im Tal der Könige kennt, stellt fest, dass die künstlerische Qualität der Malereien etwas „einfacher“ ist, aber die Intensität der Farben macht das wieder wett. Schlagzeilen machte dereinst auch die riesige Grabstätte aus der griechisch-römischen Zeit: das „Tal der goldenen Mumien“ wurde 1996 von Dr. Zahi Hawass und seinem ägyptischen Archäologenteam in Bahariya entdeckt. Dr. Zahi Hawass schrieb darüber sein Buch: „Das Tal der goldenen Mumien“. Die Mumien kann man heute im El Bawiti Museum bestaunen.
Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG). Fotos: Ministry of Tourism and Antiquities (1) und BS (4)
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