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29.04.2014

 

Ein Gespräch mit Yasmina Khadra

 

Algerien-die Büchse der Pandora?

 

Anfang April, zum Finish des algerischen Wahlkampfs, erschien Yasmina Khadras neuer Roman. Der Autor, der selbst für die Präsidentschaft kandidieren wollte, versetzt darin dem obsoleten System einen wortgewaltigen Todesstoss. Regina Keil-Sagawe befragte ihn zu seinem neuen Buch und dem fragwürdigen Wahlgang.

 

Yasmina Khadra, Ihr neuer Roman «Qu'attendent les singes?» ist eine beissende Diagnose algerischer Missstände, mit teilweise verblüffenden Szenen. So erhebt eine Ihrer Figuren beim Polizeikommissariat in Algier «Anklage gegen den Staat». Haben Sie sich von realen Erlebnissen inspirieren lassen?

 

Mein Roman ist ein Röntgenbild des heutigen Algerien. Ich stelle die Fiktion in den Dienst der Realität. Mein Land hat mich schon immer inspiriert, es lässt mich nicht los, ist mein ganzer Stolz und mein Schmerz, mein Kummer und mein Traum. Ich will nicht tatenlos zusehen, wie es zerfällt, überschattet von Ungewissheit, während es doch über ein Potenzial verfügt, das es zum Emanzipationsmodell für den gesamten Mittelmeerraum prädestiniert. Es ist an uns, zu beweisen, dass wir trotz der Tragödie, die uns in den 1990er Jahren so herb getroffen hat, nicht resigniert haben.

 

In der algerischen Presse stand, Ihr Roman sei eine Abrechnung? Mit wem?

 

Da haben Sie sehr oberflächlich gelesen. Nur ein Journalist hat versucht, mein Buch herunterzumachen, bevor es überhaupt in Algerien erschienen ist. Dem stehen etliche begeisterte Reaktionen gegenüber, ein Zeitungsmacher bezeichnete «Qu'attendent les singes» gar als mein bisher bestes Buch. Ich muss mit keinem abrechnen. Ich bin ein Autor, der versucht, das wenige zu retten, was in seinem Land noch zu retten ist. Mein Roman benennt die wahren Probleme, die uns daran hindern, voranzukommen. Und diese sind eher moralischer denn politischer Natur. Das Buch ergründet den sozialen und intellektuellen Verfall, der Algerien in nie gekanntem Ausmass überzieht. Trotz der vom Regime gegen mich inszenierten Intrige reissen die Algerier sich um mein Buch. Ich habe bewusst das Genre des Roman noir gewählt, um das Tal der Finsternis auszuloten, in das Algerien sich verwandelt hat: die Niedertracht, die in den Köpfen herrscht, die Korruption, die die Gewissen mit ihren Tentakeln umfängt. Es ist ein Roman, der von Verrat und Bestechung handelt, aber er bleibt positiv, weil meine Figuren integer und tapfer sind und dafür kämpfen, dass die Gerechtigkeit siegt.

 

In einem Interview mit dem «Figaro» haben Sie das algerische Regime als «Zombie» bezeichnet, und so erscheint es auch im Roman, in Gestalt des gebrechlichen, aber monströsen Greises Haj Hamerlaine, der in seiner Villa in den Hügeln über Algier alle Strippen zieht. Ist Ihr Roman ein Schlüsselroman?

 

Durchaus. Ich kenne mein Land, die unterschiedlichen Mentalitäten, Schwächen und Stärken der Algerier. Viele fürchten, nur die Büchse der Pandora zu öffnen, wenn sie sich auf Neues einlassen, andere dagegen sind überzeugt, dass sich, wenn man den Deckel hebt, ein Weg ins Freie auftäte. Doch die Anstrengung wäre gewaltig, und die nationale Solidarität ist nicht gross genug, um eine Hoffnung auf Veränderung zu nähren. Selbst wer seine Fehler erkennt, will sie nicht immer korrigieren. Wir kommen unserer staatsbürgerlichen Verantwortung immer weniger nach, stehen immer weniger für unser Tun und Lassen ein.

 

Die «Büchse der Pandora» – die ist nach dem Willen der Algerier nun wohl verschlossen geblieben: Laut offiziellen Quellen wurde Bouteflika mit 81,53 Prozent der Stimmen wiedergewählt , bei einer Wahlbeteiligung von 51,7 Prozent. Sein Hauptrivale, Ali Benflis, fiel mit 12,18 Prozent überraschend weit zurück. Wie erklären Sie sich dieses Wahlergebnis?

 

Erklären? Ich würde sagen, man nimmt es zur Kenntnis und macht dann seine Hausaufgaben. Die Algerier haben die Ruhe dem Fortschritt vorgezogen. Ich verstehe sie. Das Jahrzehnt des Terrors hat sie traumatisiert, sie fürchten sich davor, Neuland zu betreten. Sie sind mit staatlichen Sozialleistungen und unhaltbaren Versprechungen gross geworden und glauben noch immer an Märchen. Sie vergessen dabei, dass sie da, wo sie sich nur als Opfer gebärden, letztlich eine Mitschuld an ihrer Misere tragen.

 

Was bedeutet denn dieses Wahlergebnis für Algeriens Zukunft?

 

Die Zukunft behält sich das letzte Wort vor. Zurzeit schweigt sie. Wie das Schicksal. Kein Mensch vermag vorherzusagen, was morgen passieren wird. Ich kann nur beten, dass die Situation nicht eskaliert.

 

Die Verhaftung etlicher gegen Bouteflikas Wiederwahl protestierender Jugendlicher, das Verbot, am 20. April in Tizi Ouzou, der Hauptstadt der Kabylei, den Jahrestag des Berberfrühlings von 1980 zu begehen, einer Region, in der am selben Tag 26 Soldaten einem Angriff islamistischer Terroristen auf einen Armeekonvoi zum Opfer fielen – das ist kein beruhigender Auftakt. Frankreichs Staatspräsident Hollande hat Bouteflika «einen vollen Erfolg» für seine vierte Amtszeit gewünscht. Was wäre denn Ihr Rat an Bouteflika? Und was könnte der Beitrag Europas oder Deutschlands sein, das derzeit in Algier die drittgrösste Moschee der Welt baut?

 

Hollande mag mit Algerien verhandeln, und er mag gratulieren, wem er will – in Zeiten der Krise verfolgt jedes Land zunächst die eigenen Interessen, bevor es sich mit Skrupeln belastet. Und wer bin ich, um als Bouteflikas Ratgeber aufzutreten? Er muss die Lücken in seinem Regierungskonzept selbst erkennen und beheben. Algeriens Probleme springen ja ins Auge. Ich wüsste nicht, was Europa ausser Devisen noch beisteuern könnte. Europa sollte sich lieber um sich selber kümmern, so zersplittert, wankelmütig und anfällig, wie es ist. Seine Möglichkeiten sind im Vergleich zu denen Algeriens minimal. Ich erkühne mich zu glauben, dass die Algerier reif für einen Wiederaufbau ohne fremde Hilfe sind.

 

Wie das im Kleinen gehen könnte, führen Sie in Ihrem Roman vor, auch wenn der kriminalistische Suchtrupp um Kommissarin Nora Bilal lange im Dunkeln tappt. Wie realistisch ist das eigentlich, eine Kriminalkommissarin in Algier? Ihr literarisches Alter Ego war bisher ja stets Kommissar Llob?

 

Mein Roman erzählt von einem Land, wo Frauen ausgegrenzt sind, ein Zustand, den ich unsäglich finde. Ich habe als Protagonistin diese Frau gewählt, weil sie das Zeug zur Kämpferin hat. Was erscheint daran so bemerkenswert? Wir haben sogar im Generalstab eine Frau und in anderen hohen Positionen. Algerien ist doch nicht vorsintflutlich, es ist ein modernes, weltoffenes Land. Nur dass es manchmal vergisst, aufzuwachen und seine Chancen auch zu ergreifen.

 

Was hat Sie eigentlich bewogen, bei der Präsidentschaftswahl als einer von hundert Bewerbern gegen Bouteflika ins Feld zu ziehen?

 

Ich sah es schlicht als meine staatsbürgerliche Pflicht an zu kandidieren. Als Schwerkranker eine vierte Amtszeit anzustreben, wie Präsident Bouteflika das getan hat, das ist doch absurd. Ich konnte nicht nur zusehen, wie man die Würde meines Volkes derart mit Füssen tritt.

 

Welche Lehre haben Sie, abgesehen vom Frust, statt der für die Endrunde erforderlichen 60 000 nur 43 000 Stimmen eingefahren zu haben, denn aus Ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt gezogen?

 

Meine achtwöchige Wahlkampfreise quer durchs Land hat mich in meinen Analysen bestärkt. Ich durfte feststellen, wie nah meine Algerien-Romane an der Realität sind. Und wie tief das Leid sitzt, das den Algeriern zugefügt wurde, wie störend für das herrschende System ihr Kampf für mehr Demokratie und die volle Wahrnehmung ihrer Bürgerrechte ist. Aber ich habe auch manchen Oppositionsherd entdeckt und halte es nicht für unmöglich, dass Algerien, wenn es nur einen langen Atem hat, doch noch an seine alten Ambitionen anknüpft.

 

In welche Richtung gehen die Ambitionen Yasmina Khadras denn nach der Wahl? In die Politik, zurück ins Algerische Kulturzentrum in Paris , als dessen Leiter Sie fungieren?

 

Ach, das Algerische Kulturzentrum hat sich zusehends zum Knüppel entwickelt, mit dem meine Widersacher auf mich einschlagen. Ich klebe nicht am Direktorensessel. Ich habe den Posten nur übernommen, um der algerischen Kultur ein Forum zu bieten, die in Algerien ein Schattendasein fristet. Ich habe meine Mission erfüllt.

 

Darf man denn auf eine autobiografische Ausbeute Ihres Ausflugs in die Politik hoffen?

 

Eher nicht. Ich bin Romancier und schreibe für Millionen von Lesern in aller Welt, die Romane von mir erwarten, keine Chronik meiner seelischen Bauchschmerzen. Fürs Erste kehre ich zur Literatur zurück. Ich habe ein Drehbuch für Forest Whitaker in der Tasche, mit dem ich im Mai nach Kuba fliege, um nach geeigneten Drehorten zu suchen. Auch habe ich einen neuen Roman begonnen, den ich noch vor Jahresende abschliessen möchte. Auch nach der Niederlage geht das Leben weiter. Ich bin und bleibe Optimist!

 

Karriere unter pseudonym

 

Hinter dem Frauennamen Yasmina Khadra verbirgt sich nicht nur eine der bekanntesten literarischen Stimmen Algeriens, sondern – ein Mann. Mohammed Moulessehoul, so sein Name, wurde 1955 im algerischen Kenadsa geboren und von seinem Vater schon früh für eine militärische Laufbahn bestimmt. Zwar stieg Moulessehoul tatsächlich in einen hohen Offiziersrang auf; daneben aber verfolgte er heimlich seinen Wunsch, Schriftsteller zu werden. Diese Entwicklung stellt er in seinem bisher persönlichsten, kürzlich im Osburg-Verlag auf Deutsch erschienenen Werk «Der Schreiber von Koléa» dar. Mit so spannenden wie zeitkritischen Kriminalromanen, die er ab 1997 zur Umgehung der Zensur unter dem Pseudonym Yasmina Khadra publizierte, fand der Autor ein Publikum, das mittlerweile weit über die Grenzen Algeriens hinausreicht. Ende 2000 ging er mit seiner Familie nach Frankreich, wo er bis heute lebt und dieser Tage den bissigen Politkrimi «Qu'attendent les singes?» vorgelegt hat. Vergangenes Jahr überraschte Khadra mit dem Entschluss, sich als unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaftswahlen im April 2014 aufstellen zu lassen; das Vorhaben scheiterte jedoch, da er nicht die für eine offizielle Kandidatur nötige Anzahl von Unterstützern hinter sich versammeln konnte.

 

   

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