Exzellenzen, liebe Freunde!
Wir verabschieden heute einen Diplomaten aus Palästina: Abdullah Hijazi
Ein Diplomat, der vier Monate nach der Ausrufung des grenzenlosen Staates Israel in dem Teil Palästinas – in Nablus - geboren wurde, den die UNO Ende November 1947 für Palästina vorgesehen hatte.
In dieser Stadt machte Abdullah 1968 auch sein Abitur. Im selben Jahr, also zwei Jahre nach Gründung der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, kam er zum Studium nach Deutschland, nach Leipzig. Einen palästinensischen Pass konnte ihm seine Heimatbehörde nicht ausstellen, Abdullah kam 1968 als Jordanier (denn erst zwanzig Jahre später 1988 hatte der jordanische König zu Gunsten eines noch zu gründenden Staates Palästina seinen Anspruch auf Westjordanien aufgegeben) in den Teil Deutschlands, der in der „WELT“ als Bindestrich-Staat apostrophiert wurde. Der sogenannte Jordanier begann mit seinen Studien im sogenannten demokratischen Deutschland.
Die Hauptstadt der sog. DDR hatte den westlichen Teil Berlins sieben Jahre zuvor durch eine Mauer isoliert und sich selbst damit von der in ihrem Selbstverständnis freien Welt getrennt.
Bekanntlich hatten die in dem östlichen Deutschland lebenden Deutschen mit dem Ruf „Wir sind das Volk“ diese für die Ewigkeit errichtete Mauer im November 1989 eingerissen. Immerhin hielt die doch länger als das sog. Tausendjährige Reich.
Lieber Abdullah, wir hoffen, ja wir sind uns sicher: die von den Israelis gegen alle Proteste der Welt, auch gegen die scheinheiligen Widersprüche Washingtons, noch dazu auf unbestritten palästinensischem Boden gebaute israelische Betonmauer wird eingerissen werden. Du wirst das noch erleben, wie auch wir alle 1994 Zeugen wurden, dass der Verwoerd - de Klerk-Staat mit seinen Innengrenzen gegen den indigenen Bevölkerung gestorbene Geschichte wurde.
Abdullah, Du hattest es mit Deiner beruflichen Laufbahn nicht immer leicht, zumal Du den „falschen“ Teil Deutschlands zum Ausgangspunkt Deiner Karriere ausgesucht hattest. Die papierenen Solidaritätsbekundungen Pankows für Yassir Arafat waren, wie Du schnell herausfandest, nichts wert und ließen sich nicht in Realpolitik umsetzen.
Seit 1990 bist Du inzwischen im „richtigen“, im ungeteilten Deutschland. Du hast es schnell gemerkt: Es ist schwer für einen palästinensischen Diplomaten in Deutschland eine ihm wohlgeneigte Presse zu finden.
Viel lieber wird Dir hinter vorgehaltener Hand zugeraunt, dass man seine ablehnende Kritik gegen den auf palästinensischem Terrain ausufernden Staat Israel nicht offen aussprechen dürfe. Wegen der Verbrechen Nazideutschlands an den europäischen Juden sei man befangen.
Stattdessen erzählen wir uns immer noch das meiner Ansicht nach Märchen der Zwei-Staaten-Lösung. Lösungskonzepte werden immer unwahrscheinlicher. Drum finde ich, es wird Zeit für die internationale, also auch unsere Politik, ein Konzept für einen einheitlichen demokratischen Staat Israel-Palästina zu entwickeln.
In diesem Jahr haben wir in Deutschland den 50. Jahrestag diplomatischer Beziehungen zu Israel gefeiert. Natürlich ist der Jahrestag sowohl aus Sicht der Israelis als auch aus jener der Bundesregierung ein Grund zum Feiern. Nach der menschlichen und zivilisatorischen Katastrophe des Holocaust ist die Sehnsucht der Deutschen nach „normalen“ Beziehungen zum Staat der Juden ethisch-moralisch verständlich – auch wenn das Prädikat „normal“ in der Beschreibung der Beziehungen stets bewusst ausgespart wird.
Schade, bei allem Feiern erwähnten unsere Politiker beschämt und damit bewusst lügend das Unrecht nicht, das inzident einem anderen Volk widerfuhr und immer noch widerfährt. Die palästinensische Tragödie ist eine Folge der jüdischen Tragödie in Europa. Nahum Goldmann, der frühere Präsident des jüdischen Weltkongresses und Sparringpartner von Herman Josef Abs, brachte es zu Recht auf den Punkt: „Ohne Auschwitz kein Israel“.
Die palästinensische Autonomiebehörde erzielte im September 2012 vor die Vereinten Nationen einen diplomatischen Sieg: ein palästinensischer Staat wurde völkerrechtlich anerkannt. Bekanntlich stimmten Israel und die USA dagegen, Deutschland enthielt sich mutig. Die Gegner der Anerkennung waren und sind der Meinung, der Staat Palästina könne, wenn überhaupt, nur durch Verhandlungen mit Israel entstehen.
Dabei wird lautstark verschwiegen, dass Israel selbst durch einen UN-Beschluss und gegen den Willen der mehrheitlich arabischen Bevölkerung Palästinas entstanden ist.
Heute – nach Jahren des erfolglosen Oslo-Friedensprozesses – ist die Gründung eines eigenen Staates für die Palästinenser und eine Teilung des Landes de facto unmöglich geworden. Denn linke wie rechte israelische Regierungen haben seit 1967 durch die Ansiedlung von über 500.000 jüdischen Siedlern im Westjordanland und in Ost-Jerusalem hiermit eine binationale Realität geschaffen und damit den Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung im wahrsten Sinne des Wortes verbaut. Das ist meine persönliche Meinung und nicht mit dem DAG-Vorstand abgestimmt. Ich sehe aber, dass diese inzwischen auch die Ansicht der Mehrheit aller politischen Beobachter ist.
Konsequent ist denn auch das NEIN von Benjamin Netanjahu, Zeit damit für uns, endlich diese Chimäre auf dem Friedhof der Geschichte zu verscharren. Wir sollten Ideenfinder für das WIE eines künftigen binationalen Staats zwischen Mittelmeer und Jordan motivieren. Hier könnte sich die DGAP bzw. die Stiftung Wissenschaft und Politik oder meinetwegen auch Bertelsmann Stiftung neu profilieren. Keine Lösung ist jedenfalls ein von unterschiedlichen Rechtssystemen geprägter Staat für Juden und Palästinenser für 11 Mio. Menschen je zur einen Hälfte Juden (ob nun gläubig oder nicht) und zur anderen Palästinenser.
Der UN-Teilungsplan von 1947 sah noch einen zusammenhängenden palästinensischen Staat auf 44 Prozent des gesamten historischen Palästina vor. Doch die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah verwaltet heute knapp noch 12 Prozent des Landes – das ist keine Basis für eine Lösung: es gibt keinen Staat ohne tatsächliche Souveränität über den Luftraum, über Wasser und seine Grenzen – ohne zusammenhängendes Staatsgebiet, ein Flickenteppich bildeten den Masterplan für künftigen Streit.
Lassen Sie mich den israelische Historiker Ilan Pape zitieren: „Der Wunsch, den Status quo als permanente Realität erhalten zu wollen, wurde zu einer ausgewachsenen israelischen Strategie. Diese Strategie basiert auf der Annahme, dass die internationale Gemeinschaft Israels Kontrolle des Westjordanlands auf lange Sicht wenn schon nicht legitimieren, so doch dulden würde. Das war von Beginn an das Dilemma des Zionismus: Wie ein Land bekommen, aber ohne sein einheimisches Volk – in einer Welt, die noch mehr Kolonialisierung und ethnische Säuberung nicht länger akzeptierte.“
Dies alles – die zum Himmel schreienden Ungerechtigkeiten im sog. Hlg. Land sind der regierenden politischen Klasse Europas bestens bekannt. Nur leider verschließt sie sich derzeit noch in Abstimmung mit den USA eines tragfähigen Zukunftskonzepts für ISRAEL / PALÄSTINA.
Sollten sich aus diesem Kessel nach weiteren programmierten militärischen Experimenten zusätzlich zu den jetzt nach Europa und in das Einwandererland USA Millionen von Palästinensern und auch Israelis ergießen, hilft ein weiteres Wegducken nicht mehr.
Abdullah, auch wenn Du von nun an das friedliche Brot des Pensionisten brichst, jetzt durch Deinen Abschied vom diplomatischen Dienst, hast Du schon einen Abschnitt neuer Freiheit gewonnen.
Du kannst diese eben skizzierten Dir gewiss nicht neuen Einsichten in realpolitische Notwendigkeiten ummünzen. Wir laden Dich ein, in der DAG mitzuwirken. Unsere Nicht-Regierungs-Organisation steht Dir offen.
Die Realität, die der Autor des „Judenstaats“ Theodor Herzl 1890 erträumte „Wenn Ihr wollt, ist es kein Märchen“, wurde ein Alptraum für die Palästina-Araber.
Nutze Du die Kraft der freien Rede, nutze Deine Verbindungen, um Deine Träume Wirklichkeit werden zu lassen.
Herzlich Dein
Harald Moritz Bock
< Kostenloses Arabisch-Wörterbuch online