Ich habe es mein Leben lang vermieden, auf sogenannte „Antisemitismus-Tagungen“ zu gehen. Ich war und bin der Meinung, dass Antisemitismus nicht mein Problem ist, dass ich deshalb auch kein Problem mit dem Antisemitismus habe, und deshalb diejenigen auf solche Tagungen gehen sollen, die damit ein Problem haben.
Wenn ich mich trotzdem zu einer Tagung der Evangelischen Akademie in Berlin angemeldet habe, dann deshalb, weil ich seit Anfang des Jahres an einem Buch mit dem Titel: Antisemiten sind mir egal – Das Gerücht über die Juden arbeite und die Tagung genauso hieß, nämlich: Das Gerücht über die Juden. Ich habe gehofft, etwas zu hören, zu erfahren und zu erleben, was ich noch in diesem Buch einfügen könnte. Es war selbstverständlich eine vergebliche Hoffnung.
Die herbeigerufenen Professoren haben das Thema wie eine Leiche auf dem Seziertisch behandelt, haben viel über Antisemitismus geredet und eigentlich nichts gesagt, so wenig, dass am Ende der Tagung ein Teilnehmer sich noch beschwerte, weil er eigentlich wissen wollte, woher der Antisemitismus kommt. Da hat er, und wahrscheinlich auch viele andere, den ironischen und distanzierten Vortrag von Prof. Moshe Zimmermann, dem einzigen Juden unter den Wissenschaftlern, nicht verstanden, dass Antisemitismus in der Regel ein Produkt der Kultur sei, in der er entstanden ist und es deshalb keinen Antisemitismus in China gebe und die Japaner all das, was europäische Antisemiten über die Juden sagen, als Grund verstehen, die Juden zu bewundern.
Die unzähligen Bücher über den Antisemitismus sind eigentlich überflüssig, denn Antisemitismus heißt, Juden zu hassen, nur weil sie Juden sind, nicht mehr und nicht weniger, und dass der Antisemitismus das Produkt eines Jahrhunderte währenden Judenhasses in der christlichen Gesellschaft Europas ist, darf auch niemanden wundern. Den kirchlich-christlichen Judenhass gibt es nicht mehr, außer bei einigen wenigen Christen, und den völkischen Judenhass gibt es ebenso wenig, aber geblieben sind zahlreiche Vorurteile, die in den Genen vieler Nichtjuden liegen und wie Schläfer, hin und wieder erwachen und sich zu Wort melden. Solange sie sich aber nur zu Wort melden ist die Welt noch absolut in Ordnung, zumindest unsere Welt, die ja Meinungsfreiheit propagiert und bereit ist, diese mit dem eigenen Leben zu verteidigen.
Zum vollständigen Artikel von Abi Melzer vom 08.09.15
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