Worum geht es Abi Melzer in seinen Texten? Um zweierlei.
Zum einen um Kritik und Anklage der israelischen (Außen)Politik, die seit bald 50 Jahren auf der Barbarei der Okkupation und der Unterdrückung des palästinensischen Volkes materiell wie ideologisch basiert und diese letztlich auch bewusst und zweckgerichtet zum Inhalt hat. Zum anderen aber auch um die Wahrnehmung dieses Grundumstandes im deutschen Diskurs, und zwar sowohl von Nichtjuden als auch von Juden. Während Melzer mit Bezug auf Israels Wirklichkeit die reale Repression und ihre ideologische Verbrämung anprangert, sieht er sich im deutschen Kontext mit dem Problem konfrontiert, dass die Protagonisten der politischen Klasse sich (aus „historischen“ Gründen) scheuen, eine realitätsadäquate Politik Israel gegenüber zu verfolgen, was die institutionellen wie publizistischen Sachwalter des Jüdischen in Deutschland interessengeleitet weidlich auszukosten verstehen.
Moshe Zuckermann
Ich habe in diesem Buch Beiträge aus den Jahren 2010 bis 2014 gesammelt, in denen ich gegen die verheerende israelische Politik polemisiere und gegen die Haltung jüdischer Vertreter, Politiker wie Intellektuelle, die diese Politik entschuldigen, rechtfertigen und sogar verherrlichen indem sie behaupten, dass „Täter sein“ Spaß macht. Jede Kritik an dieser nationalistischen und kolonialistischen Politik wird von ihnen als „purer Antisemitismus“ abgelehnt. Antisemitismus ist widerlich und ich habe gewiss nichts dafür übrig.
Aber Zorn auf das, was die Israelis den Palästinensern angetan haben und immer noch täglich antun, ist für mich legitim und sogar zwingend. Wenn dies Antizionismus bedeutet, dann kann damit leben. Seit engstirnige, verbohrte Nationalisten die Macht übernommen haben, weht durch dieses Land wieder der Wind des Ghettos. Ich schäme mich deswegen und werde diese Scham nie mehr loswerden. Es bleibt mir nur noch diese Scham, denn um Verzeihung und Vergebung kann ich nicht bitten, weil solche Verbrechen gegen die Humanität und die Moral niemand vergeben kann. Wir Juden sollten das wissen. Auch wir konnten nicht vergeben. Es wäre auch unmoralisch und eine Sünde nach solchen Verbrechen Vergebung zu erwarten.
Abraham Melzer
Der Pilot der israelischen Luftwaffe, der spätere Generalstabschef der israelischen Armee, ist ein Held. Als man ihn fragte, was er empfunden habe beim Abwurf der tonnenschweren Bombe auf ein Wohngebiet, antwortete er: „Ein leichtes Schwingen der Flügel“. Es ist heute schick und cool in Israel, kein Gewissen zu haben. Wer ein Gewissen hat, ist ein „Humanist“, und das ist in Israel eine Beleidigung.
Hadas-Handelsmann, Israels Botschafter in Deutschland:
„Aber ich verstehe nicht, warum Leute uns angreifen. Warum?
Gibt es einen Grund dafür? Hauptthema ist Terror in Jerusalem und anderen Plätzen in Israel. Terror gegen Juden, weil sie Juden sind und weil sie dort wohnen“.
Wir, hier lebende Juden, schämen uns, dass so ein Verbrechen, wie die jüngste Invasion der israelischen Armee und der Massenmord an Zivilisten und Kindern, die in Gaza zur Welt gekommen sind, im Namen des Judentums begangen worden ist. Wir erklären uns mit allen Opfern des israelischen Militärschlags auf dem Gazastreifen solidarisch.
Brigadegeneral Shmulik Zakai gab seinen Soldaten vor einem Angriff auf Gaza den Befehl: „Ihr sollt so viele von ihnen wie möglich töten. Punkt“. Und dieser „Punkt“ sagt alles aus. Es handelt sich ja nur um Palästinenser, und deshalb braucht man es nicht zu erklären, geschweige denn zu rechtfertigen. Punkt.
Ja, der Holocaust, die Shoah, ist inzwischen zum Shoah-Business geworden. Meine Großeltern und ein Großteil meiner Familie ist in den Öfen von Auschwitz verbrannt worden. Ich möchte aber nicht, dass man sie jetzt missbraucht für eine verfehlte, grausame und menschenunwürdige Politik des Staates Israel. Sie wären sicher nicht damit einverstanden.
Abraham Melzer, Jahrgang 1945, ist in Israel aufgewachsen, mit 13 Jahren zusammen mit den Eltern nach Deutschland ausgewandert, wo er die Oberschule besucht hat; danach kehrte er nach Israel zurück, um seinen Militärdienst abzuleisten. Nach einem Jahr wurde er vorzeitig aus dem Militär entlassen und kehrte in den väterlichen Betrieb, einen Buchverlag, zurück. Neben vielen verschiedenen Bücher zu diversen Themen begann Melzer sich für den Nahost-Konflikt zu interessieren, und im Laufe der Jahre verlegte er nur noch Bücher zu diesem Thema. Daneben brachte er auch eine Zeitschrift heraus, die sich mit der Nahost-Thematik beschäftigte. Schon früh erkannte er, dass die israelische Vergeltungspolitik ein Irrweg war und begann, dagegen zu opponieren.
Seit 2013 erscheint die Zeitschrift nur noch online unter der-semit.de
Abraham Melzer ist auch Mitglied in der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost.
Den Flyer zum Buch finden Sie hier.
Merkel erwache! Israel vor Gericht. Essays eines antizionistischen Juden. Mit einem Vorwort von Moshe Zuckermann, Zambon, Frankfurt/M. 2015, 308 Seiten, 15,00 €.
< "Wahlen in Israel - Wohin steuert der Nahe Osten?"