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14.04.2015

 

Wer den Wind sät – Was westliche Politik im Orient anrichtet

 

 

N E U - DER Polit-Thriller von Michael Lüders beschreibt keine Fiktionen von einem fremden Stern, Lüders rechnet vielmehr ab mit  der verlogenen und scheinheiligen Politik des Westens im Orient. Peinlich für uns, peinlich für Europa, wir sind Teil dieser Realität. Lüders nimmt kein Blatt vor den Mund und entlarvt die angeblich den Menschenrechten verpflichtete Politik der „westlichen Wertegemeinschaft“ als blutrünstige Aggressoren, denen es nur um Ausbeutung von Bodenschätzen und um die Ausdehnung ihres Einflussbereichs geht. Dieses Buch ist eine schmerzhafte Ohrfeige für unsere USA-genordeten Medien, die bereitwillig die US-gebastelten „Wahrheiten“  über die Gründe des militärischen Engagements im Iran oder Irak übernehmen, ohne etwa den von CIA und MI6 eingefädelten Sturz des demokratischen Ministerpräsidenten Mossadegh zu verurteilen. Lüders erklärt die Hintergründe des Erfolges des „Islamischen Staats“ und rechnet ab mit der deutsch-israelischen Nahost-Politik, die verlegen den israelischen Rassismus verschweigt und die deutsche Aufrüstung dieser Atommacht schamlos betreibt.

Lesen Sie Rupert Neudecks Besprechung dieses Buches, dessen Lektüre wir wärmstens empfehlen:

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Wer den Wind sät: Was westliche Politik im Orient anrichtet

Eine Abrechnung, wie wir sie noch nicht gelesen haben. Michael Lüders kritisiert unsere westliche Nahost-Politik. Von Rupert Neudeck

Das ist eine Abrechnung mit der westlichen Politik, die manchmal etwas ungerecht ist, aber die immer eine Qualität erreicht: Sie ist ungeschminkt, Klartext, nicht diplomatisch und hat Verve. Der Autor hat den allergrößten Vorteil bei diesem Thema: Er ist ganz unabhängig. Nein, mehr noch, er hat sich diese Unabhängigkeit auf eigene Kosten erkämpft. Er ist nicht in der Galeere der Hamburger Wochenzeitung Die ZEIT geblieben, wahrscheinlich wurde er achtkantig da herausgeworfen wegen seiner unbotmäßigen Haltung zu Israel - Palästina, er ging dann zur Friedrich Ebert Stiftung, spürte auch da die ideologischen und parteilichen Fesseln und ist das, was man in der Sprache des Journalismus ein „freier Journalist“ nennt.

Er beschreibt die Fehler und Skandale westlicher Politik mit dem Ausgangs-Sündenfall der Ermordung des iranischen Premierministers Mohammed Mossadegh am 19. August 1953. Das wird der Fluch der bösen Tat werden, die nachfolgend weitere böse Taten produzierte und bis heute nicht beendet ist. Auch durch die totale Panzerung der westlichen Welt, die eines nicht versteht, obwohl sie von ihren christlichen Wurzeln her dazu prädestiniert wäre: Sie kann eigene Fehler nicht zugeben. Der Autor lässt kein Schlupfloch, wir im Westen halten uns immer für die Guten, sind es aber nicht. Denn wir führen weiter eine Kumpanei an mit dem Wahhabismus Saudi Arabiens, der im Grunde genauso schlimm ist wie Al Qaida und der IS. Wir folgen sklavenhaft der US-amerikanischen Politik, obwohl eine eigenständige Politik Europas schon längst den arabischen Raum und Nordafrika hätte gewinnen und auch den Staat Palästina längst hätte begründen können.

In Bezug auf die totale Sperre jeder denkbaren Kritik am Staat Israel findet er befreiende Worte. Vielen Europäern falle es schwer, sich vorzustellen, was das hemmungslose Vorgehen israelischer Politik mit Kriegen und Militäraktionen an Emotionen unter den Palästinensern auslöst. Lüders vermisst eine öffentliche Debatte darüber, was mit Formeln wie der besonderen historischen Verantwortung für Israel oder der Staatsraison gemeint sein könne. Sie wirken „wie ein Mantra“. Die richtige Lehre zieht bei diesem Glaubenssatz nur der, der „gegenüber Israel Nibelungentreue beweist“. Der eigentliche Kern bleibt ungesagt und unberührt. „Weder wird die gezielte Vertreibung von rund der Hälfte der palästinensischen Bevölkerung im Zuge der Israel Staatsgründung angesprochen noch der systematische Siedlungskolonialismus in den 1967 eroberten palästinensischen Gebieten“. Außerdem gibt es das Gegenteil eines Gleichstandes der Waffen. Israel sei eine der stärksten Militärmächte der Welt, bei weitem die stärkste im Nahen Osten. Das Land ist Atommacht, „ohne jedoch verpflichtet zu werden anders als der Iran, sein Arsenal unter internationale Kontrolle zu stellen“.

Lüders stellt die Fragen zur Debatte, die niemand als Fragen zu stellen wagt: Stellt Gewalt gegen Israelis ein größeres Verbrechen dar als Gewalt gegen Palästinenser? Ist Hetze gegen Juden verwerflicher als Hetze gegen Araber und Muslime? Was spreche dagegen, den Terror der Palästinenser ebenso beim Namen zu nennen wie die israelische Staatsgewalt? Oder – fragt Lüders wieder ganz unbeeindruckt von den Vorwürfen, die möglicherweise auf ihn einprasseln – wäre es nicht klarer, „von israelischem Staatsterrorismus zu sprechen“? Und: Betrachten wir ethische und völkerrechtliche Normen als universale oder müssen Palästinenser, Araber und Muslime hier und da Abstriche hinnehmen, auf Grund der von Deutschen eingerichtetes Todesfabrik Auschwitz?

Lüders zitiert den israelischen Historiker Tom Segev, der von der unkritischen Haltung der Deutschen als von „Feigheit vor dem Freund“ spricht. Israels Weg, so Lüders, geht in das Verderben, nämlich in die Ethnokratie, die Zwangsherrschaft der jüdischen Minderheit über eine nichtjüdische Mehrheit zwischen Mittelmeer und Jordan. Das sei der Weg, Selbstmord zu begehen. Das, was nur einzelne wie Alfred Grosser in Paris sich bisher getraut haben zu sagen, wiederholt Lüders in diesem Buch. Die Hamas habe einen Waffenstillstand vom November 2012 bis Juli 2014 gehalten. Auch vor dem Krieg 2008/09 hat nicht die Hamas den Waffenstillstand beendet, sondern Israel. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, die Rolle von Gut und Böse klar besetzt ist, stellt die New York Times wahrheitswidrig es am 23. Juli anders dar. Überschrift: „Hamas setzt auf Krieg, weil sie in Gaza mit dem Rücken zur Wand steht“. Fast alles stimmt nicht in der Propaganda, bei der wir in Deutschland der israelischen Politik und der jeweiligen Israel Botschaft folgen und dem israelischen Botschafter meist die Interpretationslinie überlassen, auch in den öffentlich rechtlichen Medien. Der Hamas Führer Ismail Haniya schrieb im Januar 2006 einen handgeschriebenen Brief an Präsident Bush jr: „Wir sind so sehr besorgt über Sicherheit und Stabilität in der Region, dass wir keine Einwände gegen einen palästinensischen Staat in den besetzten Gebieten erheben“. Natürlich flog der Brief in den Papierkorb: Keine Antwort. Und kurz vorher hatte er der Washington Post gesagt: „Wenn Israel erklärt, dass es den Palästinensern einen Staat und ihre Rechte zurückgibt, dann ist die Hamas bereit, Israel anzuerkennen“.

Das Buch stellt die verschiedenen Fehler und Skandale westlicher ‚Menschenrechtspolitik‘ in Variationen immer neu dar. Was den Autor auszeichnet: Er kann sich in die Sichtweise der Araber und Muslime versetzen. Er beginnt das Kapitel über den „Islamischen Staat“, und beschreibt, wie die USA seit 9/11 sieben Staaten der islamischen Welt angegriffen haben: Afghanistan, Irak, Somalia, Jemen, Pakistan, Libyen, Syrien. Diese Interventionen haben bewirkt: einmal den Zerfall ganzer Staaten und das Erstarken islamistischer Bewegungen. „Mit anderen Worten: der Westen schafft sich seine terroristische Bedrohung zu einem erheblichen Teil selbst“. Das Schlimmste, was man zu westlicher, sog. Werte-orientierter Politik sagen muss, steht im Zentrum des Buches. „Kriege rechnen sich“, sogar sehr gut. „War proved“, heißt das Signet, das auf Waffenprodukten des militärisch-industriellen Komplexes in den USA, in Israel, aber auch Europa sich kauffördernd und profitträchtig anbietet. Großangelegte Armeeoffensiven sind aus der Mode, dafür gibt es Drohnen und Luftangriffe. „Rational ist das nicht, ohne Zweifel aber profitabel“. Der Aktienkurs des größten US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin verdoppelte sich zwischen Mitte 2013 und Mitte 2014. Am 6. Oktober 2014 wurde berichtet: „Angeführt von Lockheed Martin werden die Aktien von Rüstungsunternehmen zu Höchstpreisen gehandelt. Die Aktionäre profitieren von den eskalierenden Konflikten weltweit“. Fröhlich sagt der US-Verteidigungsminister Leon Panetta eine Profitsträhne von dreißig Jahren voraus. Er erklärte im August 2014: „Wir stehen vor einem neuen 30jährigen Krieg“. Das hätten die Waffenproduzenten gerne. Der Journalistenkollege von Edgar Snowdon Glenn Greenwald sagt: Es sei mittlerweile nicht mehr vorstellbar, dass sich die USA nicht im Krieg befinden...“Der Begriff endloser Krieg sei eine Zustandsbeschreibung amerikanischer Außenpolitik“. Warum? Das rechtfertige den Machtzuwachs der Regierung und die Aushöhlung von Bürgerrechten. Gleichzeitig gibt es Steuermittel in großer Höhe für die „Homeland Security“ und die Waffenindustrie.

Eine andere Verlogenheit macht das Buch überdeutlich: Die sog westlich-wertorientierte Politik steht auf bestem Fuße mit den Terroristen in Saudi Arabien. Lüders: „Wahrscheinlich passt kein Blatt Papier zwischen den Wahhabismus und die Ideologie des IS“. Wer deshalb Al Qaida oder den IS bekämpfen will, muss an die Wurzel gehen „und das saudische Regime unter Quarantäne stellen“. Das werden aber unsere werteorientierten Regierungen und Parteien und Politiker nicht tun. Deshalb ist der IS kaum zu bekämpfen. Noch einmal in großer Klarheit Michael Lüders: Selbst wenn der IS zerfiele, würden die Kämpfer untertauchen, unter neuem Namen weitermachen. „Der Wahhabismus, ihr geistiger Nährboden bliebe erhalten. Ebenso der Staatszerfall in Syrien und im Irak“. Ebenso der konfessionell camouflierte Konflikt: Sunniten gegen Schiiten.

Die Einschätzung des Syrischen Kriegs muss man nicht in allem teilen. Aber ganz sicher kann man festhalten, dass der Versuch, Baschar al Assad frontal zu stürzen, gescheitert ist. Das mindert für mich nicht, dass es eine sehr authentische Revolte der jungen Generation von Sunniten, Christen, Kurden und anderen gab, die das versucht hat, aber eben keine Unterstützung von außen bekam. Zuzustimmen ist Lüders, dass sich der syrische Widerstand bis heute durch eine totale Unfähigkeit auszeichnet, sich zugunsten der gemeinsamen Ziele zusammenzuschließen und unter eine wirklich charismatische Führung zu begeben. Diese Führer, auch Frauen, gibt es ja.

Ganz sicher hat der Autor Recht, wenn er sagt. „Westliche Politik hat in Syrien und im Irak verbrannte Erde hinterlassen.“ Der Schaden sei so gewaltig, dass er wahrscheinlich irreparabel sei. Möglicherweise müsse erst die ganze Region in Flammen aufgehen, bevor sich die Verantwortlichen in Washington bequemen, einige Tabus aufzugeben. Wie z.B. den Iran als regionalen Akteur in die Beratungen einzubeziehen.

Zwei Gefahren sieht der Autor: Der Wahhabismus habe Geister gerufen, die er selbst nicht mehr bändigen kann und die ihn auf Dauer selbst als Lehrmeister vom Thron stürzen können. Und die Israelische Regierung wird mit ihrer total eigensinnigen, keinen Nachbarn wirklich achtenden Politik scheitern. Sie hat Syrien durch die Verweigerung der Rückgabe der Golan Höhen endgültig an die Seite Russlands katapultiert. Sie zieht die religiöse Karte. Zum Brennpunkt entwickelte sich der Tempelberg, auf dem die jüdische Klagemauer an die Al -Aqsa Moschee grenzt. Den Muslimen wird der Zugang zur Moschee erschwert, die Ultraorthodoxen rufen nach jüdischen Gebeten auf dem Moscheegelände.

Die Lage ist ernst. Westliche Regierungen müssen ihre Arroganz, wir Westler das Bewusstsein ablegen, dass nur wir die Guten sind. Doch bestehen die USA auf der Weltmacht-Rolle. Dieser fehlende Pragmatismus werde den Niedergang der Weltmacht beschleunigen.

Michael Lüders "Wer den Wind sät. Was westliche Politik im Orient anrichtet"

 

   

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