Für die Rüstungsindustrie läuft es derzeit blendend im Nahen Osten. Kaum ein Monat vergeht ohne arabische Bestellungen. Vergleichsweise bescheiden klangen da noch die Wünsche aus Jordanien, Ägypten oder dem Irak an amerikanische Rüstungsfirmen, die das US-Verteidigungsministerium absegnete - ein Blackhawk-Helikopter, Munition, Hellfire-Raketen. Wert: knapp 500 Millionen Euro.
Wenn die ölreichen arabischen Golfstaaten einkaufen, geht es dagegen meist gleich um Milliarden. Katar unterzeichnete im April eine Bestellung über 24 französische Rafale-Kampfjets im Wert von rund 6,3 Milliarden Euro. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben im Februar auf der IDEX-Waffenmesse in Abu Dhabi im Wert von rund vier Milliarden Euro eingekauft.
Diese Großeinkäufe sind typisch, drei Trends zeichnen sich ab:
• Rekord-Ausgaben: Die sechs Mitgliedstaaten des Golf-Kooperationsrats (siehe Karte) geben mehr für Rüstung aus denn je. Zwischen 2011 und 2014 haben sich ihre Ausgaben fast verdoppelt - von rund 2,5 Milliarden Euro auf 4,5 Milliarden Euro laut dem Stockholmer internationalen Friedensforschungsinstitut (Sipri). Der Militäranteil ihrer Haushaltsbudgets ist gleichzeitig von 3,4 Prozent auf 4,0 Prozent gestiegen, wie Zahlen des militärwissenschaftlichen britischen Fachverlags IHS Jane zeigen.
• High-Tech: Die ölreichen Staaten der Arabischen Halbinsel haben sich seit jeher für die aktuellste Militärtechnik interessiert. Ihre jüngsten Großeinkäufe konzentrieren sich neben Kampfjets auf die neusten Luftraketenabwehrsysteme, High-Tech-Überwachungssatelliten und -Drohnen. Erstmals bekommen sie von den USA so moderne Technik, wie sie bisher nur engsten US-Partnern vorbehalten war, etwa Nato-Ländern oder Israel. Die VAE etwa sollen bald "Predator"-Drohnen zur Aufklärung bekommen, allerdings ohne Bewaffnung. Der F-35 Kampfjet bleibt zum Ärger der Araber weiterhin Israel vorbehalten.
• Tödlicher Einsatz: Bisher haben die Mitglieder des Golf-Kooperationsrats ihr hochgerüstetes Militär selten eingesetzt. Ihre Luftwaffen waren "nationale Flugvereine", spottete Richard L. Aboulafia, ein Rüstungsanalyst, zuletzt gegenüber der "New York Times". Das hat sich in den vergangenen zwölf Monaten drastisch geändert: Ihre Kampfjets bombardieren Ziele in Syrien und im Jemen, und haben auch in den Bürgerkrieg in Libyen eingegriffen.
Warum die Golfstaaten aufrüsten:
Craig Caffrey, Rüstungsausgaben-Experte beim Fachverlag IHS Jane, vermutet vier Gründe hinter dieser Entwicklungen:
• Iran: Die arabischen Golfstaaten fühlen sich durch Irans Atomprogramm bedroht, ebenso durch Teherans massive militärische Interventionen in der Region etwa in Syrien und im Irak.
• Unsicherheit: Ihre gesamte Nachbarschaft ist instabiler geworden. Die Bürgerkriegsländer Jemen und der Irak grenzen an; Syrien und Libyen sind nicht weit entfernt.
• Rückzug des Westens: Die USA und Großbritannien wollen sich weniger stark im Nahen Osten engagieren und mehr auf örtliche Partner setzen. Die arabischen Golfstaaten schicken sich nun an, von ihnen die Rolle des "Polizisten" in der Region zu übernehmen.
• Geldschwemme: Die hohen Öl-Preise hatten zwischen 2008 und 2014 die Kassen der Golfstaaten gefüllt. Diese Entwicklung ist vorerst gestoppt. Wegen des niedrigen Öl-Preises müssen nun auch die Golfstaaten stärker auf ihr Budget achten.
Geliefert werden die Rüstungsgüter an die Golfstaaten vor allem aus dem Westen. 2014 fiel die Hälfte der Ausgaben auf US-Rüstungsfirmen.
Doch das Aufrüsten bringt erhebliche Risiken mit sich:
• Zivile Opfer: Die Golfstaaten werden von autoritären Regierungen geführt, die kaum zur Rechenschaft verpflichtet sind. Humanitäre Bedenken müssen meist hinter den strategischen Zielen zurückstecken. Im Jemen etwa leidet die Bevölkerung erheblich unter den saudi-arabischen Luftangriffen. Nicht auszuschließen ist auch, dass sie ihr Militär gegen die eigenen Bürger einsetzen.
• Wettrüsten: Beispiel für eine Kettenüberreaktion: Die Golfstaaten kaufen Luftabwehrsysteme aus Sorge vor Iran. Iran wiederum fühlt sich vom Westen und den Golfstaaten bedroht. Nun will Iran ein modernes Luftabwehrsystem von Russland kaufen, obwohl dies ein Uno-Embargo verbietet. In Reaktion auf Irans Atomprogramm warnte ein saudischer Prinz, dass nun auch sein Land über nukleare Aufrüstung nachdenke.
• Proliferation: Iran liefert Waffen an seine Verbündeten - etwa in Syrien, im Irak, im Sudan, im Jemen, im Libanon, in Gaza. Die arabischen Golfstaaten wollen dagegen halten und unterstützten ihre Verbündeten mit Geld und teils auch mit Waffen in Syrien, in Ägypten, in Libyen, im Jemen, im Libanon.
Trotz der Risiken halten die USA an der Aufrüstung der Golfstaaten fest. US-Präsident Barack Obama will so ein neues Gleichgewicht schaffen: Im Juni könnte ein internationales Atomabkommen mit Iran zustande kommen. Für den 13. und 14. Mai hat Obama die Mitglieder des Golf-Kooperationsrats ins Weiße Haus eingeladen. Auf dem Programm steht: ein modernes regionales Raketen-Abwehrsystem.
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Zusammengefasst: Die ölreichen Golfstaaten geben so viel für Rüstung aus wie noch nie. Einer der Gründe dafür ist die Rivalität mit Iran. Die USA hoffen, dass das Aufrüsten am Golf zur Stabilität und Sicherheit in der Region beiträgt. Doch es birgt auch erhebliche Risiken.
Den vollständigen Artikel von Raniah Selloum erschien am 12.05.2015 in Spiegel ONLINE finden Sie hier.
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