Die Staatlichkeit von Palästina wird derzeit von 136 der 193 UN-Mitgliedsstaaten anerkannt. Dennoch ist unter Völkerrechtlern umstritten, ob Palästina die Kriterien eines Staates erfüllt. Welche Kriterien jedoch müssen tatsächlich erfüllt sein, damit ein Staat sich „Staat“ nennen darf?
Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem europaweit aus Nationen Nationalstaaten wurden, definierte der deutsche Staatsrechtler Georg Jellinek diese drei Grundelemente eines Staates: Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. „Staatsgebiet“ beinhaltet, dass ein Staat klar definierte Grenzen haben muss (was nicht einmal bei bereits existierenden Staaten immer zutrifft, siehe Israel); „Staatsvolk“ ist der soziale Verbund aller im Staat lebenden Menschen, unabhängig von ihrer Ethnie oder Herkunft; „Staatsgewalt“ besagt, dass eine handlungsfähige Regierung die Geschäfte und Geschicke des Staates lenkt. Manche Völkerrechtler finden, dass eine Verfassung ebenso dazu gehört.
Im Prinzip hält sich auch das heutige Völkerrecht an Jellineks Kriterien. Entscheidend sind
Zur Klärung der Frage nach der Staatlichkeit Palästinas stellt die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Studie fest: „Wer sich wie ein Staat benimmt und wie ein Staat behandelt wird, ist ein Staat.“ Weiter heißt es: „Sowohl die Vereinten Nationen als auch die Weltbank haben es den Palästinensern bescheinigt: Die Autonomiebehörde ist in der Lage, einen stabilen Palästinenserstaat zu regieren. Laut dem Bericht des UN-Koordinators für den Nahost-Friedensprozess Robert Serry von 2011 „funktioniert die palästinensische Autonomiebehörde in allen Bereichen wie Gesundheit, Erziehung, Energie, Justiz und Sicherheit wie ein Staat“. Die Weltbank erklärte Anfang April 2011, die Palästinenserführung habe die Finanzverwaltung verbessert und das Gesundheits- und das Bildungssystem seien auf dem Niveau anderer Staaten der Region.“
Interessante Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung finden sich sehr übersichtlich in diesem Artikel von LIPortal der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ ).
Für Palästina besteht allerdings durch die militärische Besatzung das Problem, dass es selbst in den „A“- und „B“-Gebieten der Westbank, in dem eine gewisse Autonomie unter der Besatzung besteht, nicht Herr seiner wirtschaftlichen Entwicklung ist und dadurch die Erfüllung staatlicher Aufgaben behindert wird. Ein Bericht der Weltbank von Oktober 2013 schätzt, dass sich das Bruttoinlandsprodukt in der Westbank und Gaza um 35% erhöhen würde, wenn palästinensische Unternehmen und landwirtschaftliche Betriebe die grundlegenden Voraussetzungen – etwa Reisefreiheit und Zugang zu internationalen Märkten – hätten. Damit könnten Arbeitslosigkeit und Armut reduziert werden. Mit anderen Worten: Entscheidend für einen Wandel der wirtschaftlichen Entwicklung wäre die Aufhebung der vielen israelischen Hindernisse, sprich: Die Beendigung der Besatzung.
Bereits am 29. November 2012 verliehen die Vereinten Nationen Palästina den Status als Beobachterstaat; den selben Status in der UNO hat der Vatikan. 138 Mitglieder der Generalversammlung stimmten damals dafür, 9 dagegen, 41 enthielten sich der Stimme. Der Heilige Stuhl verwendet seit Januar 2013 in Dokumenten die Bezeichnung „Staat Palästina“ und führt seit Abschluss des Staatskirchenvertrages im Januar 2016 seine diplomatischen Beziehungen mit dem Staat Palästina an Stelle der PLO fort.
Im Februar haben über 150 französische Parlamentarier Präsident Hollande aufgefordert, Palästina als Staat anzuerkennen. 2014 hatte Schweden als erster EU-Mitgliedsstaat die Anerkennung Palästinas verkündet, Island 2011. Hier bei Arte finden Sie eine interessante interaktive Weltkarte über die Länder, die Palästina als unabhängigen Staat seit 1988 anerkannt haben.
Die Europäische Union „unterstützt grundsätzlich die Anerkennung Palästinas“, allerdings nur in Verbindung mit Friedensverhandlungen, hieß es nach einer Abstimmung mit überwältigender Mehrheit im Dezember 2014 in Straßburg.
In Deutschland wird von offizieller Seite zwar nach wie vor an der sogenannten Zwei-Staaten-Lösung festgehalten, aber zur Anerkennung des „zweiten Staates“ Palästina konnte man sich hier noch nicht durchringen. Anstrengungen in diese Richtung könnten ein Schritt in Richtung Gleichberechtigung sein und von uns als Zivilgesellschaft gefordert werden. Selbst wenn dieses Ziel durch Israels Zersiedlung der besetzten Gebiete immer unrealistischer wird und als eigentliches, alternatives Ziel die Gleichberechtigung aller Menschen in dem einen de-facto-Staat Groß-Israel angestrebt wird: Die Anerkennung des UNO-Mitglieds Palästina und die Unterstützung seiner Rechte sind für die Staatenwelt ein völkerrechtlich legitimer Hebel, um Druck auf Israel auszuüben, die untragbaren Verhältnisse zu ändern. Dagegen wäre die innere Verfasstheit eines Einheitsstaates Groß-Israel im Prinzip allein Angelegenheit der Bewohner dieses Staats – Parteinahme für die Palästinenser von außen wäre Einmischung in die inneren Verhältnisse.
Quelle: https://bibjetzt.wordpress.com/2017/03/06/bib-thema-der-woche-13-palaestina-ein-staat/
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