Mehr als 300.000 Menschen im Süden Syriens sind innerhalb der vergangenen zwei Wochen zu Binnenflüchtlingen geworden. Die neue Offensive zeigt, wie verlogen die vor einem Jahr vereinbarten „Deeskalationszonen“ sind.
Im Süden Syriens sind vor dem Krieg mehr Menschen auf der Flucht als zu jedem anderen Zeitpunkt in den vergangenen sieben Jahren. Die Offensive des syrischen Regimes, das von iranischen Milizen und der russischen Luftwaffe unterstützt wird, hat in den letzten zwei Wochen in den Provinzen Daraa und Qunaitra mehr als 300.000 Menschen zu Binnenflüchtlingen gemacht, also jeden dritten Einwohner. Sie kampieren ohne Schutz und Unterkunft an der Grenze zu Jordanien und nahe den Golanhöhen.
Jordanien, wo bereits 670.000 syrische Flüchtlinge leben, kann jedoch nicht auch sie noch aufnehmen und hat seine Grenzen geschlossen. Die neue Offensive zeigt, wie verlogen die vor einem Jahr vereinbarten „Deeskalationszonen“ sind. Sie haben dem Regime die Gelegenheit gegeben, seine Truppen vorübergehend an anderen Orten einzusetzen. Nachdem sie den Damaszener Vorort Ghouta erobert hatten, waren sie frei für Daraa und Qunaitra, wo der Krieg nun eine neue Flüchtlingswelle ausgelöst hat und wo die Rebellen aus gutem Grund nicht bereit sind, ihre Waffen niederzulegen.
Rainer Hermann (Her.): Geboren am 15. Juni 1956 in Lörrach. Nach dem Wehrdienst Studium der Volkswirtschaftslehre, vom dritten Semester an auch der Islamwissenschaft (Arabisch, Persisch, Türkisch); zunächst in Freiburg, dann in Rennes, Basel und Damaskus. In Freiburg Diplomvolkswirt und 1989 Promotion mit einer Arbeit über moderne syrische Geistesgeschichte. Redakteur bei der Bundesstelle für Außenhandelsinformation in Köln, 1990 deren Korrespondent in Kuweit und Augenzeuge des irakischen Einmarsches, 1991 Umzug nach Istanbul. 1998 Eintritt in die Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Sitz in Istanbul. 2008 Übersiedlung nach Abu Dhabi, um den raschen Wandel der Golfstaaten aus der Nähe zu beobachten. 2012 Rückkehr nach Deutschland, wo er in Frankfurt die Vorzüge des Lebens in einer europäischen Stadt entdeckt hat. In der politischen Redaktion kümmert er sich vor allem um den Nahen Osten und die islamische Welt. Autor von fünf Büchern über die Türkei und die arabische Welt. Zuletzt erschien 2015 „Endstation Islamischer Staat? Staatsversagen und Religionskrieg in der arabischen Welt“.
Quelle: FAZ vom 04.07.2018
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