Er fehlt auf keiner internationalen Wirtschaftskonferenz, die in der an Sehenswürdigkeiten reichen jordanischen Hauptstadt Amman stattfindet: S. E. Dr. Jawad Al Anani, ehemaliger Stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister von Jordanien, der im Laufe seiner eindrucksvollen Karriere sogar mehrere Ministerämter bekleidete.
Er gilt als versierter, bestens vernetzter und sehr gefragter Wirtschaftsexperte vor allem auf den Gebieten Umwelt und Energie, der sich für die Privatwirtschaft einsetzt. Auf die Frage nach Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmer in Jordanien spricht er über vier große Bereiche:
Transport
„Anknüpfend an die bekannte historische Eisenbahnverbindung zur Zeit des osmanischen Reiches hat in Jordanien das Thema „Transport“ oberste Priorität. Es gibt die Vereinbarung mit Saudi-Arabien, die in den GCC-Staaten im Bau befindlichen Eisenbahnlinien über die Saudisch-Jordanische Grenze nach Jordanien weiterzuführen, zunächst bis Amman, sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr. Später sollen dann auch Syrien und Irak einbezogen werden“.
Energie
„Mit deutschen Unternehmen gibt es bereits Kooperationen im Hinblick auf Testprojekte für Solarenergie. In Safilah existiert eine 113 MW Windenergieanlage mit großem Potenzial, die weiter entwickelt werden muss. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt: Jordanien war früher abhängig vom Öl aus Saudi-Arabien, danach vom Öl aus Irak und zuletzt vom Gas aus Ägypten mit dem Ergebnis von 7 Mrd. USD Schulden an diese Länder (Stand 2016). Die von Jordanien angestrebte Unabhängigkeit macht den Energiemix aus Schieferöl, Erneuerbaren Energien und Atomenergie notwendig. In Jordanien gibt es bedeutende Uranvorkommen, auch das reichlich vorhandene Phosphat enthält Uran. Der Widerstand gegen die Atomenergie ist allerdings groß und die Probleme der Atommüllentsorgung werden diskutiert“.
Wasser
„Jordanien ist das zweitwasserärmste Land der Welt. Daher ist es wichtig, Meerwasserentsalzungsanlagen zu bauen. Um diese zu betreiben, wäre Atomenergie nützlich. Jahrelang gab es den Traum des „Red-Dead“ Kanals (Kanal vom Roten zum Toten Meer), um das Tote Meer vor dem Austrocknen zu bewahren. Jetzt sollen Pipelines für den Wassertransport sorgen. Ein wichtiges Thema ist die Wasseraufbereitung. Wir haben bereits geeignete Anlagen, brauchen aber noch viel mehr“.
Industrie
„ Es gibt mehrere Industriesektoren, die für deutsche Investoren interessant sind: Für den Bereich der Glas- und Keramikindustrie verfügt Jordanien über sämtliche für die Produktion notwendigen Materialien in bester Qualität. Hier könnten 5.000 Arbeitsplätze entstehen“. Die Rede ist von einer kleinen Stadt in einer Special Economic Zone, in der man ein Trainingszentrum für kreative Jordanier einrichten könnte. – „Ferner sehe ich lukrative Investitionsmöglichkeiten in der Fleischindustrie. Auf einer großen Fläche, die ausreichend mit Wasser versorgt wird, könnte das Futter für 1 Mio. Schafe und Kühe angebaut werden. Schon jetzt gilt das Fleisch aus Jordanien als das teuerste und beste Fleisch in der Golfregion. Die Golfaraber schätzen z. B. das Schaffleisch wegen des einzigartigen Geschmacks, der durch spezielle Kräuter im Futter entsteht. Professionelle Fleischverpackung ist eine große Marktlücke. An Ort und Stelle könnten Milchprodukte aller Art produziert werden und der Aufbau einer Leder- und Textilproduktion wäre interessant nicht nur für die Tourismusindustrie, sondern auch für den Export. Solche Projekte hätten gigantische Auswirkungen auf die Gesellschaft, denn sie würden Arbeitsplätze für die jordanische Bevölkerung in den ärmsten Regionen des Landes schaffen“.
Erinnerung an Deutschland
Nach einem besonderen Erlebnis während seiner zahlreichen Deutschland-Reisen gefragt, erzählt Dr. Jawad Al Anani: „Vor 13 Jahren war ich zu einem Dinner im Privathaus von Helmut Schmidt in Hamburg eingeladen. Während des Essens habe ich mich angeregt mit Josep Vicent, Leiter und Dirigent des World Orchestra unterhalten. Im Laufe des Gesprächs nannte ich 40 bekannte klassische Werke von Komponisten wie Mozart, Beethoven, Schubert, etc. Bevor ich am folgenden Tag wieder nach Jordanien zurückflog, übergab mir Josep Vicent eine CD mit genau diesen 40 Werken, alle von seinem Orchester gespielt und von ihm dirigiert“.
Text und Fotos: Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft
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