Jeder, der in Algerien entweder als Unternehmer oder als Besucher unterwegs ist, weiß, dass für den des Arabischen bzw. Tamazight (Amtssprachen) nicht Kundigen die Verständigung ohne Französischkenntnisse schwierig ist. Französisch ist seit Jahrzehnten eine Arbeitssprache in Algerien – eine Folge der Kolonialzeit. Allerdings muss man sagen, dass es auch noch erstaunlich viele Algerier gibt, die nicht französisch sprechen, sogar unter jungen Leuten außerhalb der großen Städte, wie ich bei meinen zahlreichen Reisen durch das größte Land Afrikas festgestellt habe. Aber nun ändern sich die Zeiten grundlegend und es bewegt sich etwas in der Gesellschaft. Neue technologische Entwicklungen, vor allem die Digitalisierung, eröffnen neue Möglichkeiten - alles auf Englisch - ein unaufhaltsamer Trend. Auch potenzielle ausländische Investoren könnte das interessieren.
Die treibende Kraft: Forderungen der Wirtschaft
Heute sind über 55 %, also etwa 22 Mio. der 43-Mio.-Bevölkerung unter 30 Jahre alt und diese neue Generation steckt voller Energie, ist eine treibende Kraft für den Wandel und braucht Arbeitsplätze. Englisch ist das Schlüsselwort. Die algerischen Arbeitgeber fordern zunehmend Englischkenntnisse, da sich die Wirtschaft zunehmend für ausländische Partner und Lieferanten öffnet. In anderen arabischen Ländern ist man da schon deutlich weiter und das extremste Beispiel hinsichtlich der Nutzung von Englisch als erster Fremdsprache sind die VAE, wo sich die jungen Emiratis untereinander sogar in der Freizeit in Englisch unterhalten. Auch in Algerien ist die neue Generation nur noch im Internet unterwegs, die Fülle an verfügbaren Informationen ist in englischer Sprache. Profis aktualisieren ihr Wissen im Internet - alles auf Englisch. Anwälte halten sich auf Englisch auf dem Laufenden, z. B. über das Völkerrecht. Ärzte brauchen Zugang zu medizinischen Dokumenten in englischer Sprache. Ingenieure müssen sich in englischer Fachliteratur auskennen, etc. Fazit: Die algerische Gesellschaft verändert sich schnell, da die neue Generation den Forderungen multinationaler Unternehmen nachkommen will und muss. Die Privatwirtschaft setzt sich dafür ein, dass die Mitarbeiter mit Logistik, Lieferanten und Kunden im Ausland umgehen können - und dafür ist die englische Sprache erforderlich.
Brexit animiert zu neuen Wegen
In letzter Zeit ist in Algerien ein Boom englischsprachiger Schulen zu verzeichnen. Die British School Algiers bietet jetzt einen vollständigen Englisch-Lehrplan an - vom Kindergarten bis zum Abitur. Da bleibt der nächste Schritt nicht aus, nämlich die Forderung nach dem Zugang zu britischen Universitäten. Dafür zuständig ist das Northern Consortium United Kingdom (NCUK), dessen Aufgabe es ist, algerische Studierende an britischen Universitäten anzusiedeln. Drei Universitäten engagieren sich in diesem Bereich besonders: John Moore University, Birmingham University und Northampton University. Seit dem Brexit ist ein deutlich verstärktes Engagement der Briten in der arabischen Welt zu verzeichnen und dabei agieren Bildung, Kultur, Diplomatie und Wirtschaft Hand in Hand: der Handelsbeauftragte des britischen Premierministers ist genauso dabei wie die jeweiligen Botschafter, das algerische Ministerium für Hochschulbildung, das British Studies Centre und der British Council.
Dieser Weg ist gut für die Zukunft, denn ein ausreichendes Angebot an Ausbildung und guten Arbeitsplätzen für die junge Generation ist von essentieller Bedeutung und stellt die Basis für Frieden und Wohlstand dar.
Text und Fotos (Menschen in Algier): Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG)
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