C.H. BECK, München 2017
128 Seiten, gebunden € 18,50/eBook € 13,99
ISBN 978 3 406 70615 8
Fürwahr, es ist ein interessanter Titel und ein ganz besonderer Autor im breiten Spektrum des C.H. Beck Verlags. Mehdi Bazargan (1907 – 1995), Führer der iranischen „Freiheitsbewegung“ und einer der wichtigsten islamischen Denker Irans im 20. Jahrhundert, war der erste Ministerpräsident des Landes nach der Revolution von 1979, der Absetzung von Schah Reza Pahlevi. In dessen Gefängnissen war Bazargan mehrere Jahre inhaftiert. Wegen politischer Differenzen mit dem Revolutionsführer Khomeini trat er nur wenige Monate nach Amtsübernahme zurück. Bis zu seinem Tode im Jahr 1995 war er der berühmteste Oppositionelle im Iran.
Der Herausgeber vorliegenden Werks ist Navid Kermani, im Iran geboren, heute freier Schriftsteller in Köln, Träger zahlreicher Auszeichnungen, dessen Werke im C.H. Beck Verlag erschienen sind (www.chbeck.de). Der Übersetzer, Markus Gerhold, Vorsitzender des Kultur- und Hilfswerks Avicenna erhielt den Auftrag von Djavad Kermani – Vater des Navid. Das Manuskript gab Mehdi Bazargan ursprünglich seinem Landsmann Abdoldjavad Falaturi, damals Professor für Islamwissenschaft an der Universität Köln. Nach dem Tode von Bazargan (1995) und Falaturi (1996) nahm sich Navid Kermani des Manuskripts an.
Die Koranforschung ist wesentliche Aufgabe der Islamwissenschaft und die Thematik ist in vielen Veröffentlichungen präsent. Im Verlag C.H. Beck ist nun das Werk Mehdi Bazargans erschienen, Navid Kermani schrieb dazu die Einleitung. Er erzählt aus dem bewegten Leben des Gelehrten und verweist auf die Bedeutung seiner Forschungen, die auch für die christliche Theologie in der biblischen Deutungsgeschichte wichtig sind. - Er betont, dass auch bei kritischer Betrachtung mancher Auslegung Bazargans dieses Werk eine Grundlage schafft, sich zu den Aussagen des Korans über Jesus, Maria und die Christen, in chronologischer Ordnung dargelegt, ein eigenes Bild zu machen. Bazargan erinnert auch seine eigenen Glaubensbrüder an den Respekt, den Mohammed den Christen entgegengebracht hat.
Mehdi Bazargan beginnt seine Ausführungen mit der Anrede „An meine christlichen Brüder und Schwestern“ und erklärt sein Anliegen, das er mit diesem Werk verbindet. Er möchte die Christinnen und Christen mit dem bekannt machen, was der Koran über Jesus Christus und Maria aussagt. Der Umgang mit Christen und die Verantwortung des Korans gegenüber den „Buchbesitzern“, Juden und Christen, wird mit Koranversen belegt. Es folgt der Hauptteil: Auslegung der Koranverse, die sich auf Jesus, Maria und die Christen beziehen. Die Christen bezeichnet der Koran als „Nazarener“ oder „Angehörige des Buches“, der Bibel.
Für das intensive Studium des Werkes sei auf die Bedeutung der Ziffern hinter den Suren hingewiesen: Es wird die kufische Verszählung der offiziellen ägyptischen Koranausgabe benutzt. Die Ziffern in Klammern beziehen sich auf die Ausgabe von Gustav Flügel (1834), sofern die beiden Zählungen voneinander abweichen. Die Texte selbst werden nach der Koranübersetzung von Max Henning von 1901 zitiert. Dabei erleichtert es die Lektüre, dass die Zitate in roter Schrift gedruckt wurden.
Mehdi Bazargan, kommt bei der Exegese von einigen Versen aus Sure 5: Vers 47 (51), Vers 48 (52) und Vers 48 (53) zu folgender Erkenntnis:
„Der Koran geht in diesen drei Versen davon aus, daß im Evangelium das gleiche Licht der der Rechtleitung zu finden ist, das den Gottesfürchtigen einen Rat spenden und die früheren Propheten bestätigen soll. Der Koran erwartet von den Christen, daß sie befolgen sollen, was ihnen Gott aufgetragen hat, und sich niemals davon abwenden. Der Koran bestätigt … das Evangelium und faßt … zusammen: 1.) Der Koran löst die Tora und das Evangelium nicht nur nicht ab, sondern er schickt sogar Mohammed, um Christen und Juden an die Beachtung ihrer eigenen Schrift und ihrer eigenen Gebote zu erinnern. 2.) Der Koran verkündet, daß die Vielzahl der Religionen und Gesetze gottgewollt ist, und bittet die Anhänger aller monotheistischen Religionen darum, …. sich von den bestehenden Unterschieden nicht bekümmern zu lassen, sondern deren Lösung dem jenseitigen Ratschluß Gottes zu überantworten“. (S. 88)
Ein wichtiges und Werk, das manche Vorurteile widerlegt - ein Werk, das zum Verständnis anderer Kulturen und dem interreligiösen Dialog prädestiniert ist, gerade in unserer Zeit!
Helga Walter-Joswig
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