Es gibt noch Wirtschaftsführer, die nicht dem gängigen Managerbild entsprechen. Tariq Al Qahtani, Präsident und Mitbesitzer des diversifizierten Familienkonglomerats Abdel Hadi Abdullah Al Qahtani & Sons aus Saudiarabien, ist so eine Persönlichkeit. Er schwärmt nicht von seinen Geschäftserfolgen, versucht auch nicht, persönliche Schwächen zu überspielen, und verzichtet auf Phrasen, wie man sie aus Kommunikationsseminaren kennt. Im Gespräch gibt er sich zurückhaltend und konzentriert, aber dennoch locker und natürlich.
Mit Erdöl gross geworden
Al Qahtani übernahm Ende 1991 das 1940 von seinem Vater, einem Grosshändler, gegründete Familienimperium. Dabei hatte er gerade erst in den USA und in Ägypten einen Hochschulabschluss in Internationaler Ökonomie erworben. Der 1965 in der Hafenstadt Dammam am Persischen Golf geborene Manager wurde unter den sechs Kindern auserkoren, nach dem Tod des Vaters die Geschäfte weiterzuführen. Die Wahl sei auf ihn, den zweitältesten Sohn, gefallen, weil er den Konzern habe vergrössern wollen, sagt er. Al Qahtani & Sons, oder Al Qahtani & Brothers, wie er es nennt, zählt heute mit seinen über 10 000 Angestellten laut arabischen Medien zu den grössten Familienholdings des Königreiches Saudiarabien. Die Muttergesellschaft hat ihr Domizil in Dammam, dem Zentrum der saudischen Erdölindustrie, dessen Aufstreben auch der Firma zu Wachstum verhalf. Al Qahtani ist in der Zulieferindustrie für Erdölförderanlagen sowie der Produktion von Pipelines tätig, und er betreibt Bau- sowie IT-Firmen. Er zählt als Geschäftsaktivitäten auch Immobilientransaktionen, die Nahrungsmittelproduktion, den Verkauf von Reisen und Versicherungen sowie das Betreiben von Schuleinrichtungen auf. 30% der Umsätze werden heute im Ausland erwirtschaftet.
Den Einwand, die Aktivitäten seien im Laufe der Zeit in zu viele Geschäftsfelder gewachsen, lässt der Saudi nicht gelten. Alle Konzernunternehmen würden eigenständig geführt, unterstreicht er, und er schaue sich jedes Quartal – bei unprofitablen Geschäften jeden Monat – die Entwicklungen genau an. Zudem hat man in den Beteiligungen eine einheitliche Software installiert, so dass als Entscheidungsbasis vergleichbare Finanzkennzahlen herangezogen werden können.
Alle Beschlüsse werden im Übrigen im Familienrat getroffen, wo neben den zwei Brüdern und drei Schwestern auch die Mutter Einsitz hat. Unter den sieben Personen entscheide stets die Mehrheit, betont Al Qahtani. – Fast staatsmännisch wirkt der Vater von fünf Kindern, wenn er auf bevorstehende Projekt zu sprechen kommt. Kürzlich hat er die Lizenz für eine Fluggesellschaft in Saudiarabien erhalten, will sich dazu aber noch nicht äussern. Nach seiner Beschreibung unterstützt er alles, was das Königreich voranbringt. Die Nutzung von erneuerbaren Energien, die Erweiterung von Wasseranlagen, der Wissenstransfer aus dem Ausland und der Ausbau der Hotellerie bieten dazu viele Chancen. Wichtig sind ihm bei kommerziellen Beziehungen der persönliche Kontakt und das Vertrauen in die Geschäftspartner. Deshalb reist er oft nach Houston in Texas, wo die Firma seit 1976 ein Büro hat.
Al Qahtani fühlt sich offenbar nicht nur für sein Familienimperium verantwortlich, sondern auch für die Familien seiner Angestellten. Aus diesem Grund, unterstreicht er, habe er selbst mit unrentablen Geschäften grosse Geduld und probiere viel aus, um sie profitabel zu machen. Von den Mitarbeitern erwartet Al Qahtani indessen, dass sie sich engagieren und nicht nur ihren «Job» erledigen. Bei seiner Mannschaft ist er als Chef anerkannt, man schätzt aber auch seine Bodenständigkeit. 1983 hatte ihn sein Vater nach Süddeutschland geschickt, um eine Zeitlang in einer Fabrik zu arbeiten. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erfahrung sucht er heute regelmässig das Gespräch mit den Arbeitern in den Werkshallen. Für Industriegüter brauche man ein Gespür, sagt er. Al Qahtanis Firmen publizieren zwar keine Geschäftsergebnisse, weil es für Familienkonzerne dazu keine Verpflichtung gibt; aber ausgewählten Geschäftspartnern gewähre man natürlich Einblick in die Bücher, beteuert er.
Pferde zum Verschenken
Spricht man mit dem Manager über seine Freizeitaktivitäten, kommt noch mehr Bewegung in die Konversation. Er hat eine Leidenschaft für Pferde, reitet gerne und züchtet selbst Vollblut-Araber. Allerdings verkauft er die Tiere nicht, sondern verschenkt sie bloss. Er liebt es zudem, als Ausgleich zum Geschäftsalltag im Persischen Golf zu angeln.
Die Vorstellung, eine Fischerrute auszulegen und zu warten und zu warten, hat für ihn offenbar etwas Faszinierendes. Er werde dadurch geduldiger und nutze die Ruhe, um nachzudenken, erklärt er. Sein Vater hat ihm ausserdem beigebracht, Zeit mit älteren Menschen zu verbringen. Er hat es sich deshalb zur Gewohnheit gemacht, Senioren regelmässig zum Mittagessen zu treffen. Er hört ihnen zu und kann dabei, wie er sagt, eine Menge lernen. Gefragt nach einer Schwäche, nennt Al Qahtani die Vorliebe für Süssigkeiten, die nach seiner Beschreibung zum Naschen überall in seinem Haus verteilt sind.
Den vollständigen Artikel erschien in der NZZ am 23.09.2013, finden Sie hier.
< Verantwortung nicht nur für die eigene Familie