Am 21./22.11.2020 fand in Riyadh der virtuelle G20-Gipfel statt. Wie eröffnet man in Pandemie-Zeiten einen G20-Gipfel? Durch eine Flugshow mit zivilem und militärischem Fluggerät - so geschehen am 21. November 2020. Man darf spekulieren, dass Prinz Sultan bin Salman, erster Araber im All (1985 mit einer NASA Mission), Chairman der Saudi Space Commission sowie Gründer und Chairman des Saudi Aviation Club, die Idee dazu hatte.
Sieben Saudi Air Force Hawks und drei Flugzeuge der nationalen Fluglinie Saudia - ein Airbus A320, eine Boeing 787-9 und eine Boeing 777-300ER, alle drei mit dem G20-Logo dekoriert, flogen zuerst über Riyadh und dann über die Wüste. Das medienwirksam produzierte Video (siehe Anlage) zeigt Fortschritt und Tradition: der über Riyadh und die Hochhäuser des King Abdulaziz Financial District führende Flug endet über einem traditionell gekleideten Beduinen mit edlem Araber Pferd und G-20 Fahne mitten in der Wüste. Der Flug von Saudia markierte gleichzeitig das 75. Jubiläum der saudischen Airline, die als eine der ersten Fluggesellschaften im Mittleren Osten gegründet worden war. Interessant ist auch das Zusammenspiel von zivilen und militärischen Flugzeugen, es passt zum Konzept von Prinz Sultan und seiner International Air Show, die vom 16.-18. Februar 2021 stattfinden soll.
Allen Boykottierungsaufrufen in einigen internationalen Medien zum Trotz präsentierten sich auf diesem ersten G20 Gipfel in einem arabischen Staat unter Präsidentschaft des einzigen arabischen Staats die G20 Staatschefs vollzählig - nebst einigen zusätzlichen Gastländern und den Führungspersönlichkeiten internationaler Organisationen. Das „Family Photo“ entstand unter dem Eindruck des unwürdigen Spektakels nach der Wahl in den USA und der alle Themen beherrschenden Pandemie, die dadurch ausgelöste weltweite Wirtschaftskrise und den Willen, den Impfstoff in spe gerecht zu verteilen. - König Salman, Meister der digitalen Diplomatie, hielt die Eröffnungsrede, die sich um die Bekämpfung der Pandemie drehte. Darauf folgten unmittelbar die Stellungnahmen von acht G20 Teilnehmern, darunter Macron und Merkel. Kanzlerin Merkel sagte: “A global challenge, which is what the pandemic undoubtedly is, can only be overcome with a global effort. The G20 has a crucial responsibility in this area. For example, we have launched the ACT Accelerator and its COVAX facility. This unique global platform serves to promote the development, production and distribution of medicines, diagnostics and vaccines.” Nur lokale Medienvertreter und Fotografen waren im Pressezentrum anwesend.
Und Kronprinz Mohammed bin Salman? Er hatte die Abschlussrede beim letzten Gipfel in Osaka gehalten und den Gipfel in Riyadh perfekt und professionell geplant. Er ist der eigentliche Pechvogel des Gipfels, nahm es aber gelassen und saß neben seinem (entgegen westlichen Behauptungen keineswegs demenzen, sondern nur alten) Vater, etwas traurig, aber aufmerksam zuhörend. Der „De-facto Herrscher“ wollte mit diesem Gipfel zurück auf die Weltbühne, daraus wurde - wegen Corona - erstmal nichts und daher werden seine sensationellen Reformen nur von den meisten arabischen Medien und von der 70 Prozent ausmachenden jungen Bevölkerung im eigenen Land geschätzt - und von denjenigen internationalen Diplomaten, Investoren, Unternehmern und Besuchern, die Land und Leute kennen. Der britische Premierminister Boris Johnson hätte gern die im Bau befindliche Giga-Stadt NEOM besucht und sagte: “If we were in Saudi Arabia today ... what I would have loved to have done was to visit the exciting new city of Neom, whose origins I was able to inspect a couple of years ago. Built on the sands of fossil fuels but powered by green hydrogen, under an enviable climate, an enviably reliable sun to provide just inexhaustible solar energy, that city, that vision of Neom represents a greener future for all of us."
Interessant war das abgekühlte Verhältnis zu Trump zu beobachten, während vor allem Großbritannien (wegen des BREXIT) und Frankreich große Bereitschaft für eine noch engere Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien auf jeweils bilateraler Ebene auf den verschiedensten Gebieten bekundeten. Frankreich ist bisher stark im Kulturbereich und Großbritannien im Bereich der Wirtschaft involviert.
Während arabische Medien den Gipfel als Meilenstein bezeichneten und in allen Einzelheiten darüber berichteten, erfuhr man in westlichen Medien kaum Profundes, immerhin erfuhr man aber vom positiven Ergebnis. Man sah vom ersten Gipfeltag zwar Teile des Eröffnungsvideos und wenige offizielle G20-Fotos, den abgewählten US-Präsidenten nach einem kurzen Statement auf seinem heimischen Golfplatz und wunderte sich am zweiten Tag nicht mehr über die weiter bestehende Ablehnung des Pariser Klimaabkommens durch Trump.
Die Ergebnisse des Gipfels können sich lt. Communiqué sehen lassen. Beispiele: Alle Teilnehmer bekräftigten die Kooperation (ACT und COVAX) bei Covid-19. Es gibt ein Entschuldungsprogramm, das Zinsen für die ärmsten Länder aufschiebt, damit sie ihre Volkswirtschaften und Gesundheitssysteme wieder aufbauen können (von Action Aid als unzureichend bezeichnet), Hilfen für die Frauen - besonders in den armen Ländern - und die großen Bemühungen des Gastgeberlandes, Frauen den ihnen gebührenden Platz in der Gesellschaft zu ermöglichen. - Für die GCC Länder und KSA gibt es die Gewissheit, dass KSA mit der G20-Präsidentschaft eine sehr gute Figur gemacht hat. Sie sind Teil der Familie der Nationen - mit Verantwortung und Privilegien. Das Engagement des Königreichs für den Multilateralismus ist in einer Zeit wichtig, in der viele multilaterale Vereinbarungen überprüft/bedroht werden. Dies gilt insbesondere für die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Welthandelsorganisation WTO, wo die „Riyadh-Initiative“ für die Zukunft der WTO positiv wirken wird. GCC mit Saudi-Arabien stehen an der Kreuzung zwischen Ost und West. Als Öl produzierende Länder sind sie auf eine blühende Weltwirtschaft angewiesen. Die Wirtschaft kann sich nur erholen, wenn es gelingt, das Virus in den Griff zu bekommen. Daher war der Fokus des ersten Tages auf Pandemievorsorge und Reaktion auf die Pandemie das richtige Thema, nicht nur aus humanitärer Sicht, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. - Am Abend konnte die Bevölkerung eine Lichtshow auf den Lehmwänden der renovierten Paläste in Diriyah sehen - mit den G20-Mitgliedern.
Der zweite Tag unter der Leitung von Kronprinz Mohammed hatte das Motto: Shaping a Better World. In einer Pressekonferenz gab der saudische Bildungsminister Dr. Hamad bin Mohammed Al-Sheikh zum Thema „Education Continuity in Times of Crises“ einen Überblick über die Maßnahmen des Königreichs in Schulen und Universitäten: Seit Beginn der Pandemie erfolgt die Wissensvermittlung digital. Im Königreich verfügt jeder Lehrende, Schüler und jeder Studierende über die entsprechende Technik. In einer fast drei-stündigen Sitzung wurde das Thema „Building an Inclusive, Sustainable and Resilient Future“ behandelt, dies war die einzige Konferenz, die nicht - wie alles andere - live per European Broadcasting Union übertragen wurde. Darüber gibt es auch kein Communiqué. Den Abschluss der Konferenz bildete die Schlussrede des Königs, darin integriert die Rede des italienischen Ministerpräsidenten - Präsidentschaft für den nächsten G20 Gipfel hat Italien.
Text: Barbara Schumacher, Beiratsmitglied der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG). Fotos: G20 Saudi Arabia.
Anlagen: Video, drei Reden des Königs, Rede von Kronprinz Mohammed, Abschlussdeklaration.
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