Öl gehört zu den politischen Rohstoffen, deren Preis sich nicht allein aus Anfrage und Nachfrage bestimmt, sondern auch geostrategischen Kalkülen folgt. Schließlich hängt die Machtbalance in der Welt auch maßgeblich vom schwarzen Gold ab. Doch genau diese Gemengelage macht Prognosen derzeit nahezu unmöglich.
Niemand kann sagen, welchen Verlauf der Zwist zwischen den beiden wichtigen Förderländern Iran und Saudi-Arabien nimmt, ob der Irak zu politischer Stabilität findet und eine verlässliche Menge Öl aus dem Boden pumpt oder wie stark die amerikanische Schieferölproduktion wegbricht.
Entsprechend erratisch bewegen sich die Notierungen beim Öl. Es vergeht kaum mehr ein Tag, an dem der Preis nicht um mehr als zwei Prozent hoch- oder heruntergeht. In den vergangenen Wochen zeigte die Tendenz nach oben. Der Preis sowohl der Nordseesorte Brent als auch für WTI markierte Mitte der Woche den höchsten Stand seit Ende November. Dahinter stehen die wiederholten Versuche wichtiger Förderländer, die Produktion zu drosseln und so die seit zwei Jahren grassierende Ölschwemme einzudämmen, die für den Ausverkauf gesorgt hat.
Iran und Saudi-Arabien sind zu zerstritten
Die jüngsten Preisavancen verdecken, dass das Ölkartell Opec selbst keine wirkliche Macht mehr an den Energiemärkten hat. Die Mitglieder – darunter Saudi-Arabien und der Iran – sind zu zerstritten, als dass die Organisation wie in den vergangenen Jahrzehnten wirksam die Preise über eine Ausweitung oder Drosselung der Förderung beeinflussen könnte.
Am Treffen der Förderländer im Golfemirat Katar am Sonntag nahm der Iran dann gar nicht erst teil. "Da wir einen Plan fürs Einfrieren nicht unterzeichnen wollen, gibt es auch keine Notwendigkeit, jemanden vor Ort in Doha zu haben", sagte Ölminister Bidschan Namdar Sanganeh nach Angaben der Nachrichtenagentur Shana. Der Iran unterstütze zwar den Plan, werde aber seine Produktion auf vier Millionen Barrel am Tag – so viel wie vor den Sanktionen – erhöhen, so der Minister. Wegen der jahrelangen Sanktionen liegt Teherans Produktion noch weit unter alten Höchstständen.
Und damit wurde auch Saudi-Arabien zum Wackelkandidaten. Denn würden die Saudis ihre Ölmenge einfrieren - und der Iran nicht - verloren sie gegenüber ihrem Erzfeind Marktanteile. Wohl auf Drängen von Saudi-Arabien sah der vorgestellte Entwurf dann auch vor, dass alle Länder der OPEC mitziehen müssen. Und so kam die Nachricht, dass die Ölförderstaaten ihr Treffen in Katar ohne Einigung beendeten wenig überraschend.
Einer der größten Preisstürze der Geschichte
In einem anderen Entwurf für die Doha-Verhandlungen hatte es zuvor geheißen, die Produktion solle auf dem Januar-Niveau eingefroren werden. Dies solle zunächst bis Oktober gelten. Dann solle es ein weiteres Treffen in Russland geben. Denn allen ist klar: Es bedarf einer Zusammenarbeit mit Moskau, um eine Trendwende bei den Notierungen zu erreichen.
Und so kann derzeit niemand sagen, ob die rivalisierenden Ölproduzenten eine nachhaltige Lösung im Kampf gegen den ruinösen Preisverfall finden werden. Klar scheint nur, dass die Preise kaum unter 30 Dollar fallen können. Unterhalb dieses Niveaus kann keine Firma und kein Staat wirtschaftlich investieren. Analysten halten es jedoch für möglich, dass die Notierungen von Brent und WTI wieder unter 40 Dollar fallen.
Bereits im vergangenen Jahr kam es zu einem der größten Preisabstürze in der Geschichte. Die Preise fielen von durchschnittlich 99 Dollar im Jahr 2014 auf 53 Dollar 2015 und auf gut 34 Dollar im laufenden Jahr. Damit wurde allein im vergangenen Jahr ein Wohlstand in Höhe von 1,61 Billionen Dollar von den Rohstoff produzierenden Ländern zu den Ölverbraucherstaaten umverteilt.
Unter dem Preisrutsch leiden nicht nur die Staaten, auch die Gewinne vieler Ölkonzerne brechen ein. Jedoch zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Firmen. Während die amerikanischen Riesen Exxon, Chevron oder Occidental ihren Börsenwert in der vergangenen Dekade halten oder sogar noch ausbauen konnten, haben ihre europäischen Konkurrenten wie Total, Eni, BP oder Statoil teilweise die Hälfte ihrer Marktkapitalisierung eingebüßt.
Am schwersten traf es den russischen Rohstoffgiganten Gazprom. Der ehemals drittgrößte Öl- und Gaskonzern der Welt drittelte seinen Börsenwert und rangiert nur noch auf Platz 13 der größten Energiemultis. Für Verbraucher und Anleger ist die Situation schwierig. Wer seinen Tank zu füllen hat, ist mit den aktuellen Notierungen sicher gut bedient. Aktionäre hingegen warten erst mal ab, wie sich die politische Situation entwickelt.
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