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07.11.2013

 

Interview: Deutschland ist nicht souverän

 

Publizist Peter Scholl-Latour über Abhörpraktiken der US-Geheimdienste, die Gefahren des internationalen Terrorismus und die neue Großmacht China.

 

Peter Scholl-Latour

FOCUS-MONEY: Abhörskandal, Wirtschaftsspionage, Guantanamo, Afghanistan-Krieg – wie passt das zum Bild der USA als Vorkämpfer von Demokratie und Menschenrechten?

Peter Scholl-Latour: Eine Weltmacht operiert natürlich ganz anders, als Mittelmächte wie Deutschland oder die europäischen Staaten das könnten. Großbritannien auf der Höhe seiner Macht hätte wahrscheinlich ganz ähnlich operiert. Abhören ist auch nichts Neues, ich bin überzeugt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Alliierten hier ihre Stationen aufbauten, von Anfang an mitgehört wurde. Nur haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre die elektronischen Möglichkeiten so multipliziert, dass das jetzt ein ziemlich erschreckendes Ausmaß annimmt. Im Übrigen hören auch die Briten oder Franzosen ab, von Russen und Chinesen ganz zu schweigen. Das gehört heute einfach zum Geschäft. Aber das Kriterium der „idealen Demokratie“, wie wir uns das in unserer Naivität vorgestellt haben, gibt es schon seit Langem nicht mehr.

MONEY: Aber die Amerikaner behandeln Deutschland doch nicht wie einen Verbündeten, sondern eher wie einen Vasallen . . .?

Scholl-Latour: Das liegt natürlich auch an den deutschen Politikern. Ich glaube nicht, dass es uns schaden würde, wenn wir in Amerika auch mal etwas energischer auftreten würden.

MONEY: Ein besonders krasser Verstoß gegen die Menschenrechte ist Guantanamo.  Warum schaffen es die USA eigentlich nicht, dieses Lager aufzulösen?

Scholl-Latour: Das schockiert mich auch am meisten, zumal Obama ja schon zu Beginn seiner ersten Amtszeit versprochen hatte, Guantanamo aufzulösen. Jetzt, nach seiner Wiederwahl, wo er auf niemanden mehr Rücksicht zu nehmen hat, müsste er einfach „auf die Pauke hauen“. Er hätte sicher innenpolitisch einen großen Teil des Kongresses gegen sich, aber das müsste er einfach durchsetzen – das ist er der übrigen Welt, aber auch dem Ansehen der USA schuldig.

MONEY: Die offizielle Begründung der Abhöraktionen ist der Kampf gegen den Terrorismus. Wie gefährlich ist der islamistische Terror heute denn wirklich?

Scholl-Latour: Im Grunde ist seit dem Attentat vom 11. September eigentlich nicht so schrecklich viel passiert. Global betrachtet ist doch viel schlimmer, was im Irak, im Libanon, in Libyen oder Syrien geschieht. Beim Boston-Attentat sind drei Menschen umgekommen. Das ist ein bedauerlicher und zutiefst trauriger Vorfall, aber verglichen mit dem, was sonst in der Welt passiert, doch ein relativ geringer Schaden. Wir müssen endlich von der amerikanischen Sichtweise wegkommen, dass ein amerikanisches Leben mehr wert sei als anderes Leben.

MONEY: Kann Terrorismus mit Abhöraktionen überhaupt wirksam bekämpft werden?

Scholl-Latour: Man ist vielleicht in der Lage, einige Attentate aufzuspüren und rechtzeitig zu verhindern. Die Sauerland-Attentäter – übrigens ausgesprochene Dilettanten und keineswegs Profis – wurden wohl mit Hilfe der Amerikaner entdeckt. Sogar Russland hat die USA auf einen tschetschenischen Terroristen aufmerksam gemacht, der sich auf deren Gebiet befand. Dieser Austausch ist notwendig und nützlich. Aber man sollte nicht glauben, dass der Terrorismus aufzuhalten sei – auch durch die raffiniertesten Methoden nicht.

MONEY: Deutschland wurde offenbar stärker von den USA ausgespäht als andere Nationen. Ist Deutschland denn wirklich ein Zentrum des internationalen Terrorismus?

Scholl-Latour: Das würde ich nicht sagen, aber Deutschland hat eine zentrale geografische Lage in Europa, über die die verschiedenen Kommunikationslinien laufen. Zudem ist es natürlich leichter, die Überwachung in Deutschland durchzuführen: Die Franzosen haben eben keine amerikanischen Garnisonen mehr auf ihrem Gebiet. Wir sind noch in der Nachfolgesituation des Besatzungsstatuts, und Amerika hatte natürlich hier eine sehr starke Position, denn hier verlief die Frontlinie des Kalten Kriegs. Die damaligen Strukturen sind noch vorhanden und wurden wahrscheinlich sogar ausgebaut. Deutschland ist eben – trotz der Behauptung unserer Politiker – kein voll souveräner Staat.

MONEY: Aber warum wagt Deutschland nicht, in Washington bestimmter aufzutreten?

Scholl-Latour: Da werden vor allem auch wirtschaftliche Rücksichten genommen, man befürchtet amerikanische Sanktionen. Die USA sind eben ein ungeheuer wichtiger Wirtschaftspartner. Deutschland trägt zum Beispiel die amerikanischen Sanktionen gegen den Iran mit, obwohl wir keinen Konflikt mit diesem Land haben. Trotzdem werden deutsche Unternehmen wie die Deutsche Bank, Bosch oder Siemens unter Druck gesetzt, ihre Geschäfte mit dem Iran aufzugeben. Ansonsten, sagen die USA, machen wir bei uns den Laden dicht. Das wäre natürlich für die betroffenen Firmen sehr viel schädlicher als das, was sie im Iran verlieren.

MONEY: Ist das nicht verständlich, dass deutsche Firmen nicht an den Iran liefern sollen?

Scholl-Latour: Für mich ist das eher eine leichte Erpressung.

MONEY: Aber sind nicht die USA selbst wirtschaftlich ziemlich angeschlagen?

Scholl-Latour: Trotzdem haben sie immer noch einen enormen technischen Vorsprung. Alle bedeutenden Neuentwicklungen – selbst die unschönen wie Drohnen oder perfektionierte Lauschangriffe – kommen immer noch aus Amerika. Silicon Valley liegt nun mal in den USA.

MONEY: Die USA sind derzeit stark im Nahen Osten und im Mittelmeerraum engagiert. Was sind ihre Interessen in diesen Gebieten?

Scholl-Latour: Die Unterstützung der syrischen Aufständischen ist keine Sache der Menschenrechte, sondern eine strategische Frage. Man will verhindern, dass eine vom Iran beherrschte Staatenbrücke zwischen der afghanischen Westgrenze und dem Mittelmeer entsteht. Da wollten die USA Syrien herausbrechen – aber sie haben damit ein unglaubliches Unheil angerichtet und verhelfen möglicherweise den islamischen Extremisten zur Macht.

MONEY: Wie das?

Scholl-Latour: Etwa 60 Prozent der kämpfenden Aufständischen kann man zur „Freien Syrischen Armee“ rechnen, die wohl halbwegs demokratisch agiert. Aber der harte Kern sind die sogenannten Salafisten, vor allem die „Front der Unterstützer“. Das sind Leute, die sich mit al-Qaida solidarisch erklärt haben. Und so entsteht die absurde Situation, dass der Westen der Verbündete von al-Qaida geworden ist.

MONEY: Welche Rolle spielen die USA derzeit in Ägypten?

Scholl-Latour: Die US-Botschaft in Kairo hat ja ganz klar-gemacht, dass die USA den Militärputsch in Ägypten gutheißen. Amerika hofft, dass damit wieder eine USorientierte Gruppe an die Macht kommt, wie das ja schon unter Mubarak oder Sadat der Fall war. Ohne grünes Licht der USA wäre dieser Putsch wahrscheinlich nicht erfolgt. Die Konsequenzen sind aber fürchterlich: Einerseits wurden auch Muslimbrüder Opfer von Massakern, daher steuert man auf einen Bürgerkrieg zu. Andererseits hat der Westen geduldet, dass in der provisorischen Regierung die Organisation al-Nur vertreten ist. Das sind ganz harte Salafisten, viel radikaler als die Muslimbrüder. Und mit denen wird nun paktiert – das ist äußerst besorgniserregend.

MONEY: Wie wichtig sind die Erdölvorkommen im Nahen Osten für Amerika?

Scholl-Latour: Das spielt sicher eine ungeheure Rolle und ist ein ganz wesentlicher Kernpunkt der gesamten Nahost-Strategie. Aber das gilt für alle Regierungen, übrigens auch für uns: Wir machen Erdölpolitik mit Russland zur Sicherung unserer Energieversorgung.

MONEY: Wie lange werden die USA ihre Dominanz als Supermacht eigentlich noch ausüben können?

Scholl-Latour: Derzeit zeigen die Amerikaner immer noch, dass sie die führende Weltmacht sind. Das zeigt auch die Affäre Snowden: Sogar die Russen taktieren hier sehr vorsichtig – niemand will mit den USA offen brechen. Aber für Amerika besteht die Gefahr des sogenannten Overstretch: dass sie also ihre Interventionen zu weit streuen und dann den jeweiligen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Der Irak-Krieg endete in einem Desaster, auch Afghanistan ist dabei, sich im Ungewissen aufzulösen. Syrien ist eine Katastrophe, und jetzt kommt Ägypten dazu, wo durchaus die Gefahr eines Bürgerkriegs besteht. So ein Bürgerkrieg kann sehr lange dauern, in Algerien waren es zum Beispiel neun und im Libanon sogar 15 Jahre.

MONEY: Also globales Chaos?

Scholl-Latour: Es entsteht jetzt genau der Flächenbrand, vor dem schon immer gewarnt wurde. Aber bei alledem darf man nicht aus dem Auge verlieren, dass der wirkliche Rivale der USA, die Macht, die ihnen den Rang streitig machen kann, die Volksrepublik China ist. Auch deshalb verlegt Präsident Obama den Schwerpunkt seiner Außenpolitik in die pazifische Region. Und China hat sein volles Gewicht noch gar nicht in die Waagschale geworfen.

MONEY: Wirtschaftlich oder militärisch?

Scholl-Latour: Auf allen Gebieten. Wirtschaftlich sowieso: Da hat China erstaunliche Fortschritte gemacht. Was das Militärische betrifft, müssen wir sehen, dass der Krieg der Zukunft nicht mehr wie der Zweite Weltkrieg geführt werden wird. Die Zahl der Flugzeugträger wird nicht mehr die entscheidende Rolle spielen. Das werden Cyber-Kriege sein – und da können die Chinesen, die ja begabte Tüftler sind, die perfektionierten amerikanischen Waffen, die wirklich ein Wunderwerk der Technik sind, lahmlegen. Das ist auch die große Sorge des US-Generalstabs.

MONEY: Was heißt das für das Verhältnis Chinas zu den USA?

Scholl-Latour: Jedenfalls wird es zu einem Patt kommen: Schon in naher Zukunft werden die USA China nicht mehr drohen können. Das, was sie im Moment mit ihren Verbündeten gelegentlich praktizieren, werden sie mit China nicht spielen können.

MONEY: Und die Rolle Russlands?

Scholl-Latour: Auf Grund der völlig unnötigen Konfrontation, die die USA und die Europäische Union gegenüber Putin betreiben, wird Russland förmlich in die Arme Chinas getrieben. Und das, obwohl China mit seiner gewaltigen Masse an Menschen und seiner technischen Überlegenheit auch für Russland eine große Gefahr ist.

MONEY: Und welche Rolle bleibt dann für Deutschland und die EU?

Scholl-Latour: Wir sollten keinesfalls gegen Amerika arbeiten, wir sind weiterhin auf die USA angewiesen. Dass es uns noch gibt, verdanken wir Amerika. Vergessen wir nicht, dass der Kalte Krieg gelegentlich an die Grenze des realen Kriegs geriet. Wir Deutsche haben allen Grund, dankbar für die Unterstützung der Amerikaner zu sein, bis hin zur Wiedervereinigung – da gibt es schließlich so etwas wie ein Gefühl des Anstandes. Aber wir sollten nicht zu irgendwelchen Konfrontationen gegenüber Russland auffordern, ob das nun wegen Pussy Riot ist oder wegen der Oligarchen. Russlands Oppositionelle haben sofort großen Applaus im Westen: Dabei geht uns das schlicht nichts an.

MONEY: Noch mal zu den Abhörskandalen: Was würden Sie Angela Merkel und Guido Westerwelle raten?

Scholl-Latour: Sie sind in einer sehr schwierigen Position: Der Wahlkampf steht bevor, und die SPD, die Grünen vor allem und die Linke sowieso werden versuchen, das auszuschlachten. Aber es wusste doch jedermann, dass abgehört wird. Die Bundesregierung will natürlich auch nicht mit Amerika brechen, denn wir sind nach wie vor in vielen Dingen auf die USA angewiesen. Aber die Regierungskoalition kann argumentieren, dass die rot-grün geführten Vorgängerregierungen auch von diesen Dingen gewusst haben.

MONEY: Was wusste eigentlich der deutsche Geheimdienst?

Scholl-Latour: Der Bundesnachrichtendienst hätte seine Arbeit nicht gemacht, wenn er nicht von den Abhörmaßnahmen gewusst hätte. Und vergessen Sie nicht: Der BND beziehungsweise sein Vorgänger, die Organisation Gehlen, hatte von Anfang an enge Beziehungen zu den Amerikanern.

MONEY: Kooperieren BND mit US-Geheimdienste immer noch eng?

Scholl-Latour: Das ist auch normal, selbst wenn das manchmal missbraucht wird. Man hat beispielsweise dem BND die Fehlinformationen über die angeblich gewaltigen Giftgas- und Nuklearpotenziale von Saddam Hussein in die Schuhe schieben wollen. Das kam aber nicht vom BND, im Gegenteil: Der hatte die Amerikaner sogar gewarnt. Aber trotz solcher Vorkommnisse ist der Austausch zwischen Nachrichtendiensten für beide Seiten nützlich. Es wäre naiv, das zu leugnen.

Experte: Peter Scholl-Latour kennt die Brennpunkte der Weltpolitik aus eigener Anschauung

Quelle: focus.de