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14.02.2017

 

Allahs schwarze Tränen

 

Text und Fotos: Gerald Stäbler

 

Kamele vor einer Säulenallee in Palmyra

Tanz der Derwische

Maalula, ein christliches Kleinod im Orient

Restaurierte Räumlichkeiten des ehemaligen Stadtschreibers von Ghadames

Blick auf die Altstadt von Ghadames

Afrikanische Kinder in Tripolis

Kupferschmiede im Souk des Kadhimija-Viertels in Bagdad

Schiitischer Wallfahrtsort – der Al-Abbas-Schrein in Kerbala

In der goldenen Moschee (Kadhimain-Schrein) von Bagdad

Das Spiralminarett der großen Moschee von Samarra

Es sind erschreckende Nachrichten von Terrororganisationen wie Al Kaida, Boko Haram, Islamischer Staat oder anderen Splittergruppen des radikalen Islamismus, die uns tagtäglich medial auf allen Kanälen erreichen und insbesondere durch die neuen Medien einen exponentiellen Verbreitungsgrad erfahren. Die Ursachen und Wechselwirkungen sind unendlich vielschichtig und gleichen einem lebenden Organismus, bei dem man ebenfalls nicht von einer additiven Wirkung der Einzelfaktoren ausgeht. Kolonialismus, Bildungsmissstände, verfehlte Politik vieler Mächte und Potentaten - ein Kaleidoskop an „harten“ und „weichen“ Faktoren -  einhergehend mit dem Verlust an Respekt gegenüber originären Bedürfnissen menschlichen Daseins und allseits akzeptierten Grundrechten, haben eine ganze Region bereits heute auf Jahrzehnte über den Abgrund hinaus getragen. Nach den Geschehnissen von 9/11, einem Irakkrieg mit katalytischer Wirkung und einem länderübergreifenden desolaten Arabischen Frühling, war die Konfrontation mit dem Westen wohl unausweichlich. Mit nie gekannter Rücksichtslosigkeit wütet insbesondere im Irak, Syrien und Libyen die verbrämte Terrormiliz Islamischer Staat mit ihrer kruden Auslegung des Koran und jeglicher Wertvorstellungen. Gemäß einer Zeitungsnotiz strebten die Gotteskrieger des selbsternannten Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi gar in einer apokalyptischen Konfrontation das Ende der Welt an. Dem gegenüber stehen die Hochkulturen und Zeugnisse vergangener Jahrhunderte, die insbesondere im Irak, Syrien und Libyen Kultur, Wissenschaft, Kunst und Architektur erblühen ließen und eine nachdenkliche Reminiszenz an bessere Zeiten einfordern. 

 

Syrien 1993 – Der Wendekreis des Derwisch: Das Konterfei des Präsidenten Hafiz al-Assad, umrahmt von seinen beiden Söhnen Baschar und dem bei einem mysteriösen Verkehrsunfall 1994 verstorbenen Bazil, ist allgegenwärtig und empfängt den Reisenden bereits am Flughafen von Damaskus. Eine gespenstische Ruhe liegt kurz vor Mitternacht über der Millionenstadt, während mich das Taxi vor der bescheidenen Herberge Al-Haramain absetzt. Dafür brodelt die Metropole bereits in den frühen Morgenstunden und man taucht unversehens in das orientalische Herz der Hauptstadt ein, sobald man die Torbögen zum Suq al-Buzuriya durchschritten hat und sich inmitten des pulsierenden Gewürz-, Parfüm- und Süßwarenmarktes befindet. Nach Mekka und Medina und dem Felsendom in Jerusalem ist die Omayyaden-Moschee das bedeutendste Heiligtum der Muslime und von tiefer spiritueller Bedeutung. Ein Gefühl dafür bekommt, wer sich während des Abendgebetes inmitten des Juwels moslemischer Baukunst und Architektur aufhält. Unweit davon hat erst kürzlich das Umayyad Palace Restaurant im Untergeschoss eines renovierten Stadthauses eröffnet, welches ein Potpourri an Köstlichkeiten der arabischen Küche serviert. Den Höhepunkt des Dinners bildet der Tanz einiger Derwische, die sich zu den Klängen der Trommeln in eine Art verzückte Entrückung oder konzentrierte Trance versetzen. Ein Kleinod besonderer Art liegt unmittelbar vor den Toren von Damaskus. Die überschaubare Ortschaft Maalula schmiegt sich wohlgeschützt in die Felsen des Qalamun-Gebirges. Seine Bewohner unterhalten sich noch auf Aramäisch, der Sprache Jesu. Das malerische Frauenkloster Mar Thekla, das heute der griechisch-orthodoxen Kirche gehört, wurde zu Ehren der "Heiligen Thekla" an jener Stelle erbaut, wo sie sich einst erschöpft niedergelassen haben soll. Eine öde Strecke führt schließlich zu einem antiken Highlight, der Oasenstadt Palmyra. Dieser Knotenpunkt, von immenser Bedeutung für den frühen Handel in der Antike, wurde zuletzt von der Königin Zenobia beherrscht, die in einem Blitzzug Syrien, Ägypten und Anatolien erstürmte, bevor sie schließlich Kaiser Aurelians Truppen unterlag. Hier raubt ein monumentales Antikenfeld dem Betrachter zunächst die Sinne. Zwei Quellen haben diesem vergangenen Stadtstaat Leben eingehaucht. Sie speisen das Grün der Palmen und verleihen den sandfarbenen Gebäuden eine meditative Eleganz. Die wenigen Besucher verlieren sich in der Weite der Anlage, während mich ein Kamel mit sanftem Schritt durch monumentale Tempel, Nekropolen, Bäder und Kolonadenstrassen schaukelt. Verlässt man die Faszination der Wüste, so taucht man wenige Stunden später im wohl schönsten, märchenhaftesten und größten Basar der Welt ein, dem von Aleppo. Mit einer Länge von 12 Kilometern ist er unübertroffen und von einer Vielfalt, die sich nicht in Worte kleiden lässt. Tageslicht dringt nur spärlich in die gedämpfte Atmosphäre der endlosen Gänge ein. Nur wenige Schritte vom Bazar entfernt  begegne ich dem iranischen Staatspräsidenten Rafsandschani mit großer Entourage beim Besuch der Zitadelle, die dem Besucher einen eindrucksvollen Blick auf die „Perle des Orients“ gestattet. Seine Anwesenheit zeigt gleichzeitig jene Verbundenheit der Iraner zu der geheimnisumwitterten Religionsgemeinschaft der Alewiten Syriens. Nach dem Besuch der einzigartigen Omayyaden-Moschee hat man sich dann definitiv eine Teepause in den altehrwürdigen Räumlichkeiten des Baron Hotel verdient, das trotz seiner zwischenzeitlich eleganten Patina bereits Persönlichkeiten wie Winston Churchill, Lawrence von Arabien und König Faisal zu seinen Gästen zählen durfte. 

 

Libyen 1997 - Im Wüstenstaat des Oberst Gadhafi: Die Hauptstadt Tripolis wirkt auf den ersten Blick eher nüchtern, keinesfalls unangenehm, aber die beinahe klischeehaften orientalischen 1001-Nacht-Silhouetten mancher Städte des Nahen Ostens sind hier nicht zu finden. Mein ursprüngliches Vorhaben, die rund 600 Kilometer bis zur Oasenstadt Ghadames mit einem Flugzeug der Libyan Arab Airlines zurückzulegen, kann ich getrost vergessen. Von drei Flügen die Woche ist ein ungewisser Flug im Monat übriggeblieben und so wird Maschine für Maschine ausgeschlachtet, um jeweils dringend benötigte Ersatzteile für die wenigen noch verbliebenen Flugzeuge auszubauen. Dafür kostet das Busticket gerade einmal 8 Dinar für die neunstündige Fahrt in die Oase Ghadames, gelegen im Dreiländereck, von wo aus die tunesische und algerische Grenze kaum einen Steinwurf entfernt liegt. Außer mir sitzt kein einziger Europäer im Bus. Nach dem einzigen steilen Anstieg der gesamten Fahrt ein kurzer Stop im Bergdorf Nalut, wo einige Passagiere zu- und aussteigen. Der bekannte Song “Aisha” des Algeriers Khaled dröhnt aus den Lautsprechern, hektische Betriebsamkeit und laute Zurufe, dann macht sich der Bus auf die letzten 300 Kilometer. Irgendwann erscheint ein dürftiges Schild in arabischer Schrift und das Rumoren unter den Passagieren läßt darauf schließen, dass die Oase nicht mehr weit sein kann. Tatsächlich: Wenige Minuten später taucht Ghadames wie eine Fata Morgana aus dem Dunstkreis der Wüste auf.

 

Ghadames selbst teilt sich in eine Altstadt und eine Neustadt, die durch eine breite Straße voneinander getrennt sind. Die Neustadt mit großzügigen Bungalowbauten, elektrischer Versorgung, fließendem Wasser und großzügig angelegten Straßen wurde in den 80er Jahren erbaut. Hier leben die Ghadamer heute. An der Altstadt und den Oasengärten, die auf der Liste der UNESCO als Weltkulturerbe aufgeführt sind, erfolgte praktisch keinerlei Veränderung, und somit gehört die Oase zu einer der schönsten von ganz Nordafrika. Die Altstadt ist unbewohnt, teilweise werden die Gärten noch sorgsam gepflegt. Der nächste Tag könnte kaum geeigneter sein, den Mythos der alten Oasenstadt zu manifestieren. Wie ein Schleier wehen feinste Sandkörnchen über die gesamte Region. Staub- und Sandpartikel lassen der Sonne heute keine Chance. Das Gesicht schmerzt. Vorbei an einer kleinen Moschee mit unzähligen kleinen aufgeschichteten Gesteinsbrocken, die jeweils ein Grab kennzeichnen, ohne Inschrift, ohne Namen, aufgenommen von der Wüste. Kurz darauf erreicht man einen der Haupteingänge der Altstadt. Sofort taucht der Besucher ein in die Mystik dieser unwirklichen Kulisse. Sich einen Weg zu merken wäre sinnlos, zu verwirrend ist das Labyrinth der Gänge. Am besten läßt man sich treiben und genießt die fast geisterhafte Stille des Ortes. Ein raffiniertes System der Wasserverteilung gewährleistet in den Gärten das Wachstum von Obst, Gemüse und Palmen. Die “Quelle der Stute” sorgt für diese Wasserspeisung. Der Legende zufolge entdeckte die Stute des erschöpften Heerführers Sidi Oqba durch Stampfen mit den Hufen die Quelle. Leider werden nicht mehr alle der Gärten bewirtschaftet, und so steigt man des öfteren über umgefallene, skeletthafte Palmen, die ausgedörrt den Weg des Besuchers versperren. Wohltuend für das Auge hebt sich das üppige Grün so mancher Gärten von den unterschiedlichen sandfarbigen Schattierungen ab, die das natürliche Baumaterial der Wüste hervorbringt. Schutz vor der glühenden Sonne bieten außerdem hohe Mauern, welche sich um die Gärten ziehen, und ein teils üppiger Palmenbewuchs.

 

Irak 1998 - Tage in Samarra und Kerbala: Vor einigen Jahren, so erzählt mir Ahmad mit Stolz auf unserer Fahrt nach Kerbala, hätte er seine Wallfahrt nach Mekka unternommen, doch heute sei dies nur noch wenigen Gläubigen aus dem Irak überhaupt möglich - zu bedrückend sind die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse. Langsam nähern wir uns Kerbala, einem der bekanntesten schiitischen Wallfahrtsorte des Irak, der dem Land unter anderem sein religiöses Gesicht verleiht. Es ist ein Ort höchster Sensibilität, und so bestimmen pechschwarz verschleierte Frauen und tief ins Gebet versunkene Männer das Straßenbild der 100.000 Einwohner zählenden Stadt, bei der selbst alltägliche Szenen eine Art unsichtbare Verbindung zum Glauben herstellen. Die Gesichter der Menschen vermitteln einen ernsteren Eindruck als anderswo, die geistige Hingabe zum Islam spiegelt sich in ihnen wider. Tausende Gläubige besuchen die beiden Grabmoscheen von Imam Hussein ibn Ali und dessen Bruder Abbas. Kuppeln und Minarette der beiden Schreine glänzen in fast unvorstellbarer goldener Pracht im warmen Nachmittagslicht.

 

Der weithin sichtbare Askarischrein, der sich unterhalb einer riesigen vergoldeten Kuppel befindet, bildet das religiöse Zentrum der Stadt. Diese im 13. Jahrhundert erbaute, letzte Ruhestätte der beiden Imame Ali Al-Hadi und seines Sohnes Hassan al-Askari nimmt einen besonderen Platz für schiitische Wallfahrer ein, denn hier in Samarra verschwand einst Mahdi, der letzte Imam der Schiiten aus der Zwölfer-Schia. Normalerweise darf der Innenhof der Moschee von Nichtmuslimen keinesfalls betreten werden, aber nachdem Ahmad sich mit einem der Wärter unterhalten hat, winkt dieser mich mit einer einladenden Geste herein. Der Innenhof ist ebenfalls ein Spiegelbild der herausragenden islamischen Baukunst und goldene Verzierungen, glasierte und fein bemalte Kacheln runden das beeindruckende Bild ab. Neben den beiden 36 Meter hohen und prachtvollen Minaretten wird der Mensch zur unbedeutenden Erscheinung. Ihr Glanz in der Sonne bringt die Schönheit zur vollen Entfaltung und ein Blick auf die gleißenden Türme schmerzt beinahe in den Augen.

 

Gute zwei Autostunden von Bagdad entfernt erreicht man Samarra mit seiner  Großen Moschee und dem bekannten Spiralminarett, welches als Wahrzeichen der Stadt gilt. Nur ein paar irakische Familien flanieren auf dem Platz vor dem sonderbar geformten Minarett, das den wohl besten Ausblick auf Samarra gewährt. Ein schmaler Weg windet sich an der Außenseite des Turmes zur Aussichtsplattform in 52 Metern Höhe. Kinder rennen in atemberaubender Geschwindigkeit die Stufen nach oben. Kein Geländer verleiht dem Besucher das Gefühl der Sicherheit und man schleicht mit klopfendem Herzen an der Innenseite mit vorsichtigen Schritten in die luftige Höhe des Bauwerkes. Der Ausblick auf Samarra und den Askarischrein unweit des Tigris entschädigen dafür umso mehr. Als ich wieder unten angekommen bin, scheint auch Ahmad, dem die Höhenangst schon nach wenigen Metern ein Ende seines Besuchs auf dem Spiralminarett gesetzt hat, erleichtert zu sein. Gleich neben dem Minarett befindet sich die Große Moschee, ein gewaltiges Bauwerk, das um 850 nach Christus erbaut wurde und mit einem Grundriß von 240 auf 160 Metern über 100.000 Gläubigen Platz geboten haben soll. Das trockene Wüstenklima hat die dicken Mauern der wohl größten Moschee der Welt bis heute fast vollständig erhalten. Ein paar Windfahnen treiben den Staub am Boden des Innenhofes in die Höhe. Wir verlassen als eine der letzten Besucher den beeindruckenden Ort mit seiner eigenwilligen Architektur, bevor wir zum letzten Mal die pulsierende Metropole Bagdad erreichen.

 

   

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