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10.09.2014

 

Rassismus und Antisemitismus in Deutschland "Muslime sind die neuen Juden"

 

von Armin Langer - Koordinator der Salaam-Schalom-Initiative in Neukölln, Rabbinerstudent in Berlin

 

Egal wie allgegenwärtig Antisemitismus in Deutschland ist, Juden sind nicht mehr die Hauptzielgruppe von Diskriminierung und Hass, sagt Armin Langer, selbst Jude. Muslime würden viel mehr benachteiligt. Juden sollten sich mit deutschen Muslimen solidarisieren. Ein Gastkommentar.


Immer wieder höre ich von Juden und Nicht-Juden, als Jude könne ich nicht in die Nähe einer Moschee, schon gar nicht in einem Problemkiez leben. Zur „No-go-Area“ wurde für mich der Berliner Stadtteil Neukölln erklärt, obwohl ich dort gerne und gut wohne seit einem Jahr. Muslime und Migranten schaden meiner körperlichen Unversehrtheit, darf ich immer wieder in Internetforen lesen, in Fernsehbeiträgen hören.



Doch nicht wir Juden müssen im Jahr 2014 Angst haben. Egal wie allgegenwärtig Antisemitismus in Deutschland ist, wir Juden sind nicht mehr die Hauptzielgruppe von Diskriminierung und Hass: Nach der Shoah, einem prägenden Ereignis in der jüdischen Psyche, wurden wir endlich Teil des Mainstreams in Deutschland, in Europa.


"Der Jude" ist nicht mehr schwach. Die neuen Juden sind die Muslime.


In den meisten Bundesländern ist es Muslimen nicht erlaubt, ihre Toten islamischen Ritualen gemäß zu beerdigen. Der Muezzin darf die Gläubigen nicht zum Freitagsgebet rufen. Muslimische Gemeinden sind vom Privileg der Kirchensteuer ausgeschlossen. Muslime sind in Rundfunkräten nicht vertreten. Und jetzt haben wir noch nicht von alltäglichen Diskriminierungen gesprochen.



Ich genieße, kurzum, in Deutschland mehr Rechte als meine muslimischen Freunde. Trotzdem werde ich, der Jude, noch immer als Opfer behandelt.



Uns kommen die Benachteiligungen, vor denen viele deutsche Muslime stehen, bekannt vor. Einst mussten wir für Anerkennung kämpfen, einst waren viele, zeitweise alle gegen uns, einst war unser Leben in Europa gefährdet. Der Hass gegen Juden wurde immer stärker, schließlich wurde unsere Vernichtung minutiös geplant.


"Der Philosemitismus in Deutschland nervt mich"


Zum Glück haben alle Europäer aus der Geschichte gelernt, aber ich kann den Unmut der Muslime nachvollziehen. Es waren schließlich Muslime, die vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ in Deutschland ermordet wurden.  Wir stehen zwar nicht vor einem "neuen" Holocaust, aber die NSU-Morde haben uns gezeigt, dass bei toten Türken und Muslimen so nicht genau hingeschaut wird. Denn – wenn ein Türke stirbt, dann hat’s doch einer aus der Sippe gemacht. Journalisten,,  Politiker, Polizisten und Geheimdienstler gingen derweil davon aus dass da "Dönermörder" ihresgleichen töteten. Klar, Mohammed ist ja per se kriminell, ist halt so bei "denen".

 

Über jüdische Kultur wird oft so lobend gesprochen, dass es schon nervt.

Wer bei Google die Kombination "Muslime sind" eingibt, dem liefert die Suchmaschine folgende Vorschläge für "verwandte Suchanfragen": 1. gefährlich, 2. intolerant 3. Abschaum 4. Dreck. In Blogs lese ich, dass "Muslime überall mit gleicher Wildheit agieren" oder dass "Muslime schon immer auf einer Mission gewesen sind." Ich habe dann das Gefühl, dass ich das alles kenne, nur mit "Juden" an Stelle von "Muslime".  Dieses Gefühl ist für mich verstörend. Und glauben Sie mir, dass niemand die Atmosphäre von damals besser nachvollziehen kann als wir Juden. Wir saugen diese Sensibilität  mit der Muttermilch auf.


Jahrhundertelang waren wir fremd in Europa – Juden haben es nur dann in die Schlagzeilen geschafft, als es um Ritualmorde, internationale jüdische Verschwörungen und „Judenbolschewismus“ ging. Heute, wenn ich während des Frühstücks das Radio einschalte, geht es um jüdische Traditionen und Ikonen. Über Juden und jüdische Kultur wird oft so lobend und freundlich gesprochen, dass es schon nervt.



Wenn es aber um Muslime geht, handeln die Beiträge fast immer von Terroranschlägen (da kommt Isis einigen wie gerufen) , Gewalt (die Salafisten aus Bonn oder die prügelnden Araber in den Berliner Sommerbädern) oder Integrationsdefiziten (Kopftuch). Wir bekommen das Bild einer gewalttätigen Religion geliefert. Warum  sollte man die anerkennen?
Thilo Sarrazin, Matthias Matussek oder Alice Schwarzer bewegen sich auf dünnem Eis.



Als es in Berlin, Bremen und anderen deutschen Städten zu antisemitischen Aussagen bei Demonstrationen gegen Israels Krieg kam, waren sie schnell zur Stelle, diejenigen die das Ganze für ihre antimuslimische Hetze genutzt haben. Aus 1000 Demonstranten auf der al-Quds-Demonstration sind "alle Muslime", ist „der Islam“ geworden, der uns bedroht, den Antisemitismus importiert. Dabei ist das selbe passiert, wie jedes Jahr beim al-Quds-Marsch: Basierend auf dem Verhalten von 0,0001 Prozent der Muslime in diesem Land, werden alle zu gefährlichen Islamisten, die Synagogen anzünden wollen. So wie im Kommentar des stellvertretenden Chefredakteurs der „Bild am Sonntag“ Nicolaus Fest mit dem Titel: "Islam als Integrationshindernis". Dieser Kommentar ist nur das berühmteste Beispiel für die Instrumentalisierung der Juden, um Rassismus zu verbreiten.

 

Islamfeindliche Aktivisten und Publizisten sind mir zu unkreativ



Ich übertreibe? Keineswegs: Um die vermeintliche Gewalttätigkeit des Islams zu beweisen, zitieren Islamkritiker wie Thilo Sarrazin, Matthias Matussek oder Alice Schwarzer gerne kriegerische Koranverse. Vor siebzig Jahren pflegten die Autoren der antisemitischen Wochenzeitung  "Der Stürmer",  kriegerische Verse aus dem Tanach, der jüdischen Bibel, zu zitieren. Damit wollten sie beweisen, dass Juden das Blut der weißen Europäer vergießen wollen. Juden wurde vorgeworfen, gegenüber Nicht-Juden zu lügen, so stehe es im Talmud. Wenn Muslimen pauschal ein Leben in Parallelgesellschaften vorgeworfen wird, ist das nichts anderes als das, was uns Juden vor ein paar Jahrzehnten noch ins Gesicht schlug.


Wir dürfen nicht vergessen, zu welchen Tragödien diese Ausgrenzung führen kann. Sie bietet Rassisten den Nährboden, um Schweineköpfe auf Moscheen und Synagogen zu werfen, um unsere Gotteshäuser anzuzünden. Zahlreiche Angriffe auf Muslime in Deutschland sind Ergebnis dieser Hassrede, wie beim Fall Marwa el-Sherbini vor fünf Jahren in Dresden oder das von Andres Breivik verübte Massaker in Norwegen.


Julius und Ethel Rosenberger haben für die Sowjetunion spioniert, also arbeiten alle Juden für den Staatskommunismus. Bernard Madoff war Finanzspekulant an der Wall Street, also sind alle Juden am Finanzkapitalismus schuld. Und analog dazu sind alle Muslime Terroristen, weil Osama Bin Laden und Abu Bakr al-Baghdadi ein Kalifat mithilfe eines heiligen Krieg errichten wollen. Alle Muslime unterdrücken ihre Frauen weil ein bis drei Ehrenmorde pro Jahr in Deutschland verübt werden.


Islamfeindliche Aktivisten und Publizisten sind mir deswegen zu unkreativ. Sie benutzten dieselbe Sprache und ähnliche „Argumente“ wie die Antisemiten des 19. Jahrhunderts, die es heute freilich auch noch gibt. Es ist erstaunlich, dass so viele Vertreter des jüdischen Establishment diese Parallelen nicht sehen. Im Gegenteil, sie deklarieren  ganze Stadtteile wie Neukölln als "No-go-Area" – für sich selbst. Dabei wäre es höchste Zeit für ein sozial engagiertes Judentum in Europa. Für Solidarität unter ehemaligen und aktuell diskriminierten Minderheiten. Es ist Zeit für Juden, die nicht mehr nur sagen "nie wieder", sondern "nie wieder, egal wen es trifft".


Der Artikel ist erschienen auf tagesspiegel.de

 

   

< Die Deutsch-Arabische Gesellschaft gratuliert sehr herzlich zur Verleihung des „Kölner Karls-Preises für engagierte Literatur und Publizistik“ an Evelyn Hecht-Galinski.