Israels Waffenindustrie hat mit dem schlagenden Argument, dass ihre Waffen sich in der Praxis als kampftauglich erwiesen haben, einen führenden Platz als weltweiter Waffenexporteur errungen. Daher ist die Fortsetzung der Besatzung für Israels Waffenindustrie äußerst sinnvoll (s. unser Thema der Woche #18). Dass Waffengeschäfte zum lohnendsten Business schlechthin zählen, dass bei Milliardendeals nicht so genau zwischen Freund und Feind unterschieden wird, dass etwa Saudi-Arabien sowohl von Israel mit Waffen beliefert wird wie von Deutschland, dass Katar unser zweitgrößter Abnehmer für Waffen ist, mag kein Geheimnis mehr sein. Geheim hingegen wollte Israels Regierung halten, dass sie entgegen einem internationalen Waffenembargo Waffen an Burma liefert.
Birma oder Burma, auch als Myanmar bekannt, rund 50 Millionen Einwohner, doppelte Fläche Deutschlands, liegt in seinem Süden am Indischen Ozean und grenzt im Westen an Bangladesch und Indien, im Norden an China und im Osten an Laos und Thailand.
In Burmas Südwesten, langgestreckt am Indischen Ozean, liegt die Provinz Rakhaing (früher Arakan): gebirgig, regenreich, mit Teakwäldern, fruchtbar und reich an Bodenschätzen. Man sollte aber lieber nicht hinfahren, warnt unser Auswärtiges Amt, denn dort gibt es Mord und Totschlag aufgrund "ethnischer Auseinandersetzungen". Dort leben ca. 3 Millionen Menschen, darunter viele Bamar (die Mehrheits-Ethnie in Burma), aber auch 700.000 buddhistische Arakanesen und bis jetzt, Herbst 2017, etwa 1 Million muslimische Rohingya. Der Begriff "Rohingya" wird seit den 1950er Jahren von den in Burma lebenden Muslimen verwendet, um ihre Identität als eigenständige Volksgruppe zu bekräftigen. Burma hat 135 Volksgruppen, und die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe ist Voraussetzung für politische Mitsprache. Vertreter der Muslime forderten ein eigenes Teilgebiet in Arakan, vergeblich. Vielmehr versucht Burma seit 1948, die Muslime zu vertreiben, bezeichnet sie generell als illegale Einwanderer aus Bangladesch und beschneidet ihre Rechte in elementarer Weise, indem sie an der Parlamentswahl 2015 nicht teilnehmen durften oder z.B. versucht wird, Heiraten und Nachwuchs zu verhindern. Sie gelten laut den Vereinten Nationen als „am stärksten verfolgte Minderheit der Welt“. Bei Kämpfen 2012 wurden über 200 Menschen getötet und rund 120.000 Rohingya aus Burma vertrieben.
2016 wurde in Saudi-Arabien von Exil-Rohingya die Arakan Rohingya Salvation Army(ARSA) gegründet. Im Oktober 2016 überfielen ARSA-Kämpfer in Burma mit Macheten und anderen einfachen Waffen Polizeiposten und töteten neun Polizisten. Staatliche Sicherheitskräfte griffen daraufhin in mehreren Razzien hart durch. Das führte zu andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen. Dem Militär werden schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Burmesische Soldaten sollen Rohingya vergewaltigt, gefoltert, ermordet und deren Dörfer niedergebrannt haben. Die Auseinandersetzungen führten bis Anfang September zur Flucht von über 300.000 Menschen nach Bangladesch.
Der Asien-Experte Ulrich Delius sagte bereits 2012 in einem Interview auf die Frage nach historischen Parallelen: "Das ist ein typischer Effekt, wie ihn die Roma in Europa erleben oder zum Teil früher auch die Juden: ‚Wir sind die Mehrheit, wir sind die Bevölkerung dieses Landes, und wir erkennen euch nicht an.' Das ist blanker Rassismus, und der ist auch noch populär und mehrheitsfähig." Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Prinz Seid al-Hussein nannte die Vorgänge im September 2017 "ein Lehrbuchbeispiel für ethnische Säuberung".
Eine hochrangige Militärdelegation aus Burma besuchte 2015 Israel und schloss Verträge über größere Anschaffungen neuer Waffen ab, u.a. Patrouillenboote, die natürlich für Militäraktionen in der am Indischen Ozean gelegenen Provinz Arakan gut geeignet sind, mit Abschussbasen für MGs und Kanonen. Damit konnte „das Militär seine Feuerkraft für das Niederbrennen von Dörfern und die Ausrottung dortiger Muslime erhöhen“ – so kommentiert sarkastisch der Journalist Richard Silverstein. Israel durchbricht damit ein internationales Waffenembargo gegen Burma. Auch hat wohl die israelische Militärfirma TAR Ideal Concepts burmesisches Militär ausgebildet, wie aus einem Kommentar in Haaretz vom 24.10.2017 hervorgeht. Über weitere Militärzusammenarbeit schweigt sich die israelische Regierung aus. Der Kommentar resümiert: "Israel sendet einem Land Waffen, das ethnische Säuberung durchführt, und ist Partner in einem Völkermord."
Itay Mack, Menschenrechtsanwalt aus Jerusalem, beantragte bei Israels Oberstem Gericht eine Verfügung gegen diese Waffengeschäfte mit Burma. Am 27. September fällte das Gericht dazu einen Beschluss, verfügte aber gleichzeitig eine Nachrichtensperre über den gesamten Vorgang. Trotzdem informierte einer von Macks Mandanten, der Physikprofessor Avshalom Elitzur, die Öffentlichkeit, dass das Gericht die Waffengeschäfte erlaubt habe. Prof. Yair Auron, auf Erforschung von Völkermorden spezialisierter israelischer Historiker, kommentierte in Haaretz: Einer Regierung Waffen zu schicken, die sich eines Völkermords schuldig macht, sei etwa so, wie wenn man Waffen an Nazi-Deutschland während des Holocaust geschickt hätte. "Unsere Politiker haben dies trotzdem sehenden Auges getan und haben dadurch das Andenken an den Holocaust geschändet."
Kann Israel wirklich daran gelegen sein, möglichst alle Muslime auf der Welt gegen sich aufzubringen? Oder gelten für die Regierung der ‚moralischsten Armee der Welt’ einfach keinerlei internationalen Vereinbarungen und keine UN-Resolutionen? Sind das die westlichen Werte, die wir mit Israel teilen? Mittlerweile haben über 50 Rabbiner aus Israel und über 300 aus USA an die israelische Regierung appelliert, die Waffenlieferungen an Burma auszusetzen.
Quelle: www.bib-jetzt.de
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