Von Andreas Peter
Oman gilt als Stabilitätsanker in einer unruhigen Region. Das wird vor allem dem Charisma des Staatsoberhaupts, Sultan Qabus, zugeschrieben. Wenig bekannt ist seine Rolle als Vermittler in internationalen Konflikten. So auch im aktuellen Krieg im Jemen. Die Politologin Kathrin Warweg hatte die seltene Gelegenheit, dies vor Ort zu analysieren.
Kathrin Warweg veröffentlichte im November 2017 eine Analyse: „Gelingende Konflikt-Transformation in der arabischen Welt – Die Mediationserfolge der Könige“. Warweg ist studierte Politikwissenschaftlerin und freischaffende Trainerin für „Leadership-Development“, was sich großzügig etwa mit Führungsqualitäten übersetzen lässt. Sie hatte die Chance, die Vermittlungsbemühungen des marokkanischen Königs in Mali und vor allem des Sultans von Oman im Jemen aus erster Hand kennenzulernen.
Trotz seiner Brutalität und Grausamkeit wird der Jemen-Konflikt von vielen nach wie vor nur am Rande wahrgenommen. Dabei sind die kriegerischen Auseinandersetzungen im Süden der arabischen Halbinsel Teil einer Neuordnung der Machtverhältnisse im Nahen und Mittleren Osten, seit sich die USA als Hegemonialmacht mehr oder weniger zurückgezogen haben. Der Jemen ist aber auch und vor allem Schauplatz eines Machtkampfes zwischen den zwei wichtigsten Strömungen des Islam: den Sunniten unter Führung Saudi-Arabiens auf der einen und den Schiiten unter Führung des Iran auf der anderen Seite. Sie stehen stellvertretend für rund 99 Prozent aller Muslime in der Welt. Der Kampf im Jemen wird auch deshalb mit so unversöhnlicher Härte ausgefochten.
Eine so verfahrene Lage lässt sich in aller Regel nur noch mit einem neutralen Mediator entschärfen. Doch wer wird von zwei so verfeindeten Gruppierungen als wirklich neutral angesehen? Wo doch jeder weiß, dass auch hinter Riad und Teheran andere Mächte stehen, die miteinander konkurrieren.
Hier kommt eine mehr oder weniger glückliche Fügung bei der Entwicklung des Islam als Weltreligion ins Spiel. Denn im südöstlichen Zipfel der Arabischen Halbinsel existiert mit dem Sultanat Oman eine Staat gewordene Sonderform des Islam, die bisher alle Stürme der Zeit überstanden hat. Diese Sonderform nennt sich Ibadismus. Und ihr wichtigster Repräsentant ist Sultan Qabus ibn Said al Said. Warum ausgerechnet er zu einem beinahe unverzichtbaren Vermittler werden konnte, erklärt Kathrin Warweg so:
„Er hat natürlich große menschliche Qualitäten, die hervorstechen. Das hat sicherlich auch mit seiner Religion, dem Ibadismus zu tun. Da gilt zum Beispiel das Prinzip des ‚maslaha‘. Seit dem achten und neunten Jahrhundert wurde das in der islamischen Theologie verstärkt angewandt. Dieses Prinzip geht auf das Wort Aufrichtigkeit zurück und meint das Agieren zum Wohle der Gemeinschaft. Das Wohl der Gesellschaft stand im ibaditischen Glauben schon sehr lange Zeit im Vordergrund. Davon ist auch die omanische Politik geprägt, und eben auch die Vermittlungsarbeit des Sultans.“
Weil die Ibaditen weder den Sunniten zugerechnet werden, die rund 90 Prozent aller Muslime des Planeten ausmachen, noch den Schiiten, zu denen etwa 9 Prozent aller Muslime zählen, und weil die Ibaditen auch großen Wert auf ihre Separierung innerhalb der muslimischen Welt legen, werden sie von beiden großen Strömungen als wirklich unabhängig anerkannt. Auch hat der Oman durch seine einstige Zugehörigkeit zum britischen Kolonialreich durchaus enge Bindungen an das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland.
Doch hier kommt die Persönlichkeit von Sultan Qabus zum Tragen. Seine Autorität, die eines wirklich absolut regierenden Monarchen, ist der entscheidende Schlüssel für seinen Vermittlungserfolg. Qabus hat es nicht nur geschafft, sein Land stabil zu führen, seit es 1971 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Er konnte seinen Staat auch weitgehend aus den Konflikten zwischen Sunniten und Schiiten heraushalten, obwohl die omanische Armee beispielsweise gegen die hochgerüstete Militärmacht Saudi-Arabien chancenlos wäre.
Nicht jeder der arabischen Herrscher sieht mit Wohlwollen auf die vergleichsweise liberale Auslegung des Korans im Oman. Aber in allen Hauptstädten des Nahen und Mittleren Ostens wird die Sonderrolle des omanischen Herrschers geschätzt und geschützt. Eine der wichtigsten Rückversicherungen von Sultan Qabus aber ist der nach wie vor mehrheitlich große Rückhalt im eigenen Volk, erklärt Kathrin Warweg:
„Der Sultan hat am 3. Oktober 2015 in New York eine Rede vor der UN gehalten. Darin hat er beschrieben, dass die Prinzipien des Omans in der omanischen Außenpolitik Frieden und Dialog sind. Und das weiß die omanische Bevölkerung sehr wohl, denn mit diesen Prinzipien hat er erfolgreich vermittelt. Er hat zum Beispiel auch das Atomabkommen zwischen dem Iran und den USA ganz erfolgreich mitbegleitet und dadurch einen internationalen Erfolg erringen können, der jetzt dem Land zu Gute kommt, indem es internationale Aufmerksamkeit erfährt und Wertschätzung für diese Vermittlungsarbeit. Diese Werte werden großgeschrieben. Es ist zum Beispiel so, dass nach dieser Rede eine Fortbildung für omanische Diplomaten in Werten wie Kommunikation, Friedfertigkeit usw. angeboten wurde.“
Bedauerlicherweise verschärfen sich die Konflikte im Oman durch die auch altersbedingte Krankheit des Sultans und die nicht geregelte Nachfolge des kinderlosen Monarchen. Vor allem aber bringen die Flüchtlingsströme durch den Konflikt im Nachbarland Jemen das relativ wohlhabende, dennoch fragile Wirtschaftssystem Omans an den Rand seiner Leistungsfähigkeit. Kathrin Warweg ist allerdings zuversichtlich, dass der Ruf des kleinen arabischen Landes als neutraler Mittler und Moderator erhalten bleibt und letztlich zu einer Beendigung der Kämpfe beitragen wird.
Denn Saudi-Arabien und der Iran führen zwar einen erbarmungslosen Stellvertreter-Krieg im Jemen. Aber eigentlich stört der Waffengang sowohl die Pläne des saudischen Königshauses, das eigene Land grundlegend zu reformieren, als auch die Pläne der iranischen Führung, das sanktionslose Zeitfenster für die Modernisierung des Landes zu nutzen.
Deshalb haben sowohl Riad als auch Teheran großes Interesse an der Beendigung der Kampfhandlungen und stehen Vermittlungen grundsätzlich offen gegenüber. Wie immer in solchen Situationen ist entscheidend, dass ein Vermittler es schafft, dass keine der Seiten einen Gesichtsverlust erleidet – im kulturellen Verständnis des arabischen Raumes ein nicht verhandelbarer Aspekt.
Das komplette Interview mit Kathrin Warweg:
https://de.sputniknews.com/politik/20180306319829866-oman-qabus-islam-konflikt/
Siehe auch: http://www.d-a-g.de/index.php?id=122&tx_ttnews%5Btt_news%5D=1201&cHash=9a709b95a58f041dba39702164bb4bcd
< SPIEGEL -Artikel zu Ahed Tamimi