Für eine Friedenslösung in Syrien sind die Regierungstruppen unter Führung von Präsident Baschar Al-Assad unabdingbar. Nach vier Jahren Krieg und mehr als 250.000 Toten setzt sich diese Erkenntnis allmählich auch bei denjenigen durch, die all die Zeit am »Regime Change« in Damaskus gearbeitet haben. Am Donnerstag war in der syrischen Hauptstadt der UN-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura mit Außenminister Walid Muallem zu Beratungen über die Beilegung des Konflikts zusammengekommen. Die russische Regierung ist derweil willens, die Führung in Damaskus im Antiterrorkampf stärker zu unterstützen. Der Kreml schloss am Freitag die Entsendung von Soldaten nach Syrien nicht aus, sollte es eine entsprechende Anfrage Assads geben. Solange eine solche aber nicht erfolgt sei, sei eine Diskussion darüber schwierig und spekulativ, sagte Regierungssprecher Dmitri Peskow laut der Nachrichtenagentur Sputniknews.
Die USA wiederum zeigen sich mit einem Mal offen für militärtaktische Gespräche mit Russland. Die US-Regierung sei grundsätzlich dazu bereit, zitierte Reuters einen Sprecher des Weißen Hauses in Washington am Donnerstag (Ortszeit). Solche Gespräche könnten nützlich sein, um Probleme und Zwischenfälle zu vermeiden. Zudem würden es die USA begrüßen, wenn Russland einen konstruktiven Beitrag zum Kampf gegen die Miliz »Islamischer Staat« (IS) in dem Bürgerkriegsland leiste. Die US-Luftwaffe fliegt seit gut einem Jahr Angriffe auf IS-Stellungen im Irak und Syrien, die gemeinhin als bisher »wenig effektiv« bewertet werden.
Russlands Präsident Wladimir Putin will Ende des Monats auf der UN-Generalversammlung in New York einen Vorschlag zur Beilegung des von externen Mächten befeuerten Syrien-Konflikts unterbreiten. Notwendig sei die Einbindung der regionalen Mächte Iran, Türkei, Irak und Ägypten, aber auch der syrischen Führung selbst, so die von Moskau seit Jahren propagierte Position. Im Kampf gegen den IS sei die syrische Armee die »einzige organisierte aktive Kraft«, hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow kürzlich konstatiert.
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz spricht sich derweil für die Schaffung sicherer Gebiete in Syrien aus. Der Jungpolitiker von der konservativen ÖVP sagte dem Spiegel laut Vorabmeldung vom Freitag, zum »Schutz der Zivilbevölkerung vor Ort« müsse über die Einrichtung von Schutzzonen unter dem Mandat der UNO nachgedacht werden. Nötig sei eine »gemeinsame internationale Kraftanstrengung, damit die Menschen in Syrien nicht mehr ihr Heil in einer Flucht nach Europa suchen müssen«. Zugleich sprach sich der Wiener Außenamtschef für Gespräche mit Präsident Assad aus. »Um Frieden zu erzielen, muss man bekanntlich nicht nur mit Freunden verhandeln, sondern gerade auch mit dem Gegner«, so Kurz.
Michael Lüders, seit kurzem neuer Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft (DAG), erinnerte in der Berliner Zeitung daran, dass es bereits eine Schutzzone für Flüchtlinge in Syrien gibt: »In dem Küstenstreifen am Mittelmeer, den Assads Armee noch kontrolliert, befinden sich vier Millionen Menschen, die vor dem IS geflohen sind.« Auf einer Pressekonferenz in den Räumen der DAG in Berlin warnte der Nahostexperte in dieser Woche nachdrücklich, im Fall eines Sturzes von Assad werde die Dschihadistenmiliz die Hauptstadt Damaskus einnehmen und Millionen weitere Syrer zur Flucht zwingen. Die Vorstellung, irgendwelche »Basisgruppen« der Zivilgesellschaft würden nach einem »Regime Change« die Macht in Syrien übernehmen, sei »naives Gutmenschendenken«. Eine Initiative, die hierzulande genau dies propagiert, »Adopt a Revolution«, wird mit dem diesjährigen Bremer Friedenspreis ausgezeichnet.
Von Rüdiger Göbel
Zu dem Artikel vom 19.09.2015 in der jungen Welt.
< Skandal in Saudi-Arabien – 100.000 Flüchtlingszelte stehen leer