Gleich nach der Eröffnung am 24. Februar 2016 war für jedermann ersichtlich: Diese Biennale hat sich von einer bedeutungslosen Kunstveranstaltung schlagartig zu einer veritablen Biennale entwickelt und sich einen Platz unter den besten 20 der weltweit 200 Biennalen erobert. Gründe dafür sind u. a. die engagierte Arbeit des Biennalen-Präsidenten Amine Kabbaj, der renommierten Kuratorin Reem Fadda und die Tatsache, dass die Objekte von 44 internationalen Künstlern der Hauptausstellung an den schönsten historischen Orten in Marrakech ausgestellt sind: El Badia Palast, El Badii Palast, Zisternen der Koutoubia Moschee, Museum Dar Si Said und Ménara Pavillon. 11 Wochen können Kunstinteressierte, Galeriebesitzer, Kuratoren, Museumsdirektoren die Kunstwerke in Form von Performances, Gemälden, Skulpturen, Installationen und Videos bewundern. Die riesigen Plakate und das reichlich vorhandene Informationsmaterial ziehen auch Touristen an, die die „lebendige Kunst“ – Kuratorin Reem Fadda bevorzugt diesen Begriff für „zeitgenössische Kunst“ – auf sich wirken lassen und die Kraft der Kunst mit ihren kritischen gesellschaftspolitischen Aussagen spüren. „Kritische Kunst ist in der heutigen Zeit wichtiger denn je“, bekräftigt André Azoulay, Berater des Königs und Ehrenpräsident der 6. Marrakech Biennale.
Zu den Installationen, den dem Besucher vielleicht am eindringlichsten im Gedächtnis bleiben, ist der riesige, aus Spezialmaterial angefertigte „Felsbrocken“, den die bekannte marokkanische Künstlerin Fatiha Zemmouri zwischen zwei hohen Wänden auf dem Gelände des El Badii Palastes anbringen lies. „Ich hatte die Idee zu dieser Arbeit nach den jüngsten terroristischen Anschlägen in Paris. Der Felsbrocken „stützt und schützt“ einerseits die Jahrhunde alten Wände und ich will damit ausdrücken, dass auch die Gesellschaft Schutz und Stütze braucht im Hinblick auf das Böse dieser Welt. Andererseits hat es den Anschein, dass der in der Luft hängende Fels jederzeit herunterfallen könnte, er wirkt nicht besonders stabil – und damit will ich zeigen, dass die Bedrohung allgegenwärtig ist. – Kein Wunder, dass diese Künstlerin auch die Medien beschäftigt: Die Biennalen-Edition No 53 von „COULEURS MAROC“, bringt ein ausführliches Interview mit ihr und ihr Portrait ist das Cover-Foto.
Aufmerksamkeit erregt das Education Program, fester Bestandteil der Biennale, deren Ziel es ist, die Bevölkerung im Allgemeinenund Studierende im Besonderen mit einzubeziehen. „Unter den vielen angebotenen Workshops befasst sich einer mit dem Thema des berühmten marokkanischen Dichters Ahmed Bouanani“, so Uni-Dozent Abdelhamid Bousaadi, der diese Aktivitäten organisiert. „Wir haben 10 Studierende der Faculty of Letters and Human Sciences der Cadi Ayyad Uni in Marrakech ausgewählt, die nun die Aufgabe haben, unter Leitung des Kurators Omar Berrada die große Bibliothek des Dichters zu ordnen und die Bücher zu katalogisieren. Die gesamte Bibliothek wurde in eine der Hallen im El Bahia Palast geschafft und die Studierenden arbeiten dort, unter den Augen des Biennalenpublikums. Gleichzeitig fungieren sie als kulturelle Mediatoren, indem sie den Besuchern Informationen zu Leben und Werk von Ahmed Bouanani vermitteln. Selbstverständlich sind die Studierenden auf ihre Arbeit vorbereitet worden. Sie sind überzeugt davon, dass es wichtig ist, die Arbeit von Bouanani zu erhalten, denn sie werden sich auch noch um sehr wichtige und bisher unveröffentlichte Manuskripte des Dichters kümmern. Ziel des Projekts ist es, seine Werke der breiten Öffentlichkeit nahe zu bringen“.
Text und Fotos: Barbara Schumacher
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