GAZA, 04. August
Staat Qatar“ steht in großen Lettern auf der Glastür. Dahinter haben Mohammad al Amadi und seine 40 Mitarbeiter in Gaza-Stadt das gesamte Erdgeschoss des Westflügels des „Al Maschtal“ bezogen. Das einzige Fünf-Sterne-Hotel liegt im Norden des Gazastreifens am Strand. Doch der qatarische Botschafter hat keine Zeit, um den Blick zu genießen.
Der gelernte Architekt aus dem Golfemirat, der zu Hause eine eigene Baufirma besitzt, baut Gaza wieder auf. Auch an diesem Tag geht es wieder um viel Geld. „Ein Geschenk des Emirs“ seien die 31 Millionen Dollar, deren Auszahlung al Amadi, der Chef des „Komitees für den Wiederaufbau Gazas“, seit Tagen organisiert: 24 000 Zivilangestellte der Hamas-Regierung sollen nach mehreren Jahren ausnahmsweise wieder ein ganzes Monatssalär erhalten. Die Vereinten Nationen werden in den nächsten Tagen die qatarischen Gelder auszahlen.
Die jüngste Großzügigkeit des Emirs ist nur eine vergleichsweise kleine Aufmerksamkeit anlässlich des Endes des Fastenmonats Ramadan. Auf mehr als 400 Millionen Dollar beläuft sich das Budget des qatarischen „Wiederaufbau-Komitees“. Die internationale Gemeinschaft hatte zwar nach dem Ende des Gaza-Kriegs im Herbst 2014 mehr als fünf Milliarden Dollar zugesagt. Aber davon ist bisher nur ein Bruchteil in Gaza angekommen. Nur das kleine Qatar hat richtig losgelegt. An den meisten Baustellen, die in Gaza in Betrieb sind, prangt das Wappen des Golfemirats.
Vor fünf Jahren besuchte Scheich Hamad Bin Chalifa Al Thani den Gazastreifen und schenkte den Menschen eine Stadt. Dort, wo früher die israelische Siedlung Gusch Kativ stand, entstanden in „Hamad City“ 2300 Wohnungen. „Wir haben tausend im letzten Krieg zerstörte Wohnungen wieder bewohnbar gemacht und mehr als 40 Kilometer Straßen gebaut“, sagt Amadi und schiebt in seiner Hotelsuite den Vorhang zur Seite.
In der Nähe erhebt sich der wuchtige Bau des von Qatar gestifteten Krankenhauses, das auf Rehabilitationsmedizin spezialisiert ist. Kein anderer Staat ist in Gaza so aktiv wie das kleine Golfemirat. Das liegt an den guten Beziehungen, die es zu allen Seiten unterhält: zu den herrschenden Islamisten von der Hamas wie zur israelischen Regierung. Der Vater und Vorgänger des Emirs Tamim Bin Hamad al Thani hielt engen Kontakt zu den Muslimbrüdern in der Region, aus deren Reihen die Hamas hervorging. „Wir haben auch sehr gute Beziehungen zu Israel“, sagt Amadi ohne diplomatische Umschweife. Als er vor kurzer Zeit spät in der Nacht nach Gaza zurückkehrte, öffnete die israelische Armee extra für ihn den Grenzübergang in Erez. Regelmäßig trifft Amadi sich mit dem Chef der Zivilverwaltung der israelischen Armee (Cogat) Joav Mordechai. Wenn Amadi von Mordechai spricht, verwendet er gerne dessen Spitznamen Poly. In der Regierung in Doha nenne man ihn manchmal schon scherzhaft „Poly Amadi“, weil die beiden so gut miteinander auskämen, erzählt er.
„Die Israelis wissen, dass unser System streng ist und zu 100 Prozent funktioniert“, sagt der Aufbauhelfer und Botschafter. Die Hamas erhalte keinen einzigen Sack Zement oder anderes Material, das sie womöglich für den Bau von Tunneln nutzen könnte; jegliches Geld fließe direkt in den zivilen Wiederaufbau. Wie groß das Vertrauen der Israelis ist, zeigen die anstehenden Gehaltszahlungen, die die in Gaza herrschende Hamas entlasten. Seit drei Jahren sind die Islamisten nicht mehr in der Lage, den insgesamt 40 000 Regierungsbediensteten, die sie seit 2007 angestellt haben, die vollen Bezüge zu überweisen. Die Hamas, die für Israel eine Terrororganisation ist, erhält das Geschenk aus Qatar aber nicht selbst: Mitarbeiter der Vereinten Nationen werden die Löhne auszahlen.
Israel ist an guten Kontakten zu moderaten arabischen Staaten interessiert. Zugleich will die Regierung verhindern, dass sich die Lage in Gaza weiter verschlechtert und zu einer neuen militärischen Eskalation führt. Almadi ist stolz auf seinen direkten Draht, den er auch zur palästinensischen Führung nach Ramallah unterhält. Die Regierung in Qatar bemüht sich seit Jahren darum, den Bruderkrieg zwischen der Hamas und der Fatah-Organisation von Präsident Mahmud Abbas zu beenden.
Für seine Arbeit braucht Amadi nach seinen Worten keine anderen Vermittler wie zum Beispiel den früheren britischen Premierminister Tony Blair, der in Gaza ebenfalls zu helfen versucht. Stattdessen hofft Almadi darauf, enger mit Deutschland zusammenzuarbeiten. „Der Bundesrepublik gefällt sehr, was wir in Gaza machen“, sagt der Diplomat; im September wurde er nach Berlin eingeladen. In Qatar ist man schon länger gut auf die Deutschen zu sprechen: Sie hätten eine entscheidende Rolle bei den Bemühungen um die Freilassung des von der Hamas nach Gaza verschleppten israelischen Soldaten Gilad Schalit gespielt, sagt Almadi.
Auf die Frage nach Qatars Rolle bei den Bemühungen um die Rückgabe der Leichname zweier israelischer Soldaten und die Freilassung von drei in Gaza vermissten Israelis reagiert der eloquente Botschafter allerdings ungewohnt einsilbig und will nichts weiter sagen.
< Ehrlichkeit – gegenüber Israel und zu den Bürgern!