„Alles hängt mit allem zusammen.“ Diese Aussage aus dem Mund des Gastprofessors Michael Lüders klingt vordergründig für das „Phrasenschwein“ besser geeignet als für eine politische Analyse des Nahost-Konfliktes. Im Verlauf des gut einstündigen Vortrags wird jedoch deutlich, wie maßgeblich diese Aussage sowohl für die Suche nach Ursachen wie auch nach Lösungsstrategien für die Konflikte im Nahen Osten ist.
Michael Lüders ist der fünfte Gastprofessor, den der Freundeskreis Trierer Universität eingeladen hat. Seine dreiteilige Vortragsreihe „Wie nahe ist der Nahe Osten?“ basiert auf der Annahme, die der Nahost-Experte im Untertitel formuliert hat: „Über die Folgen einer verfehlten westlichen Interventionspolitik“. Diese These prägt auch den zweiten Vortrag des Journalisten und Wissenschaftlers am 12. Juni in dem mit mehr als 400 Zuhörern bestens besetzten Audimax der Universität. Erneut macht er Eingriffe westlicher Staaten - allen voran der USA - in einem erheblichen Maß verantwortlich für Auseinandersetzungen und Instabilität im Nahen Osten.
„Es sind die Vereinigten Staaten, die in dieser Region den größten Einfluss ausüben“, tritt Lüders seinen Kritikern entgegen, die ihn als „Putin-Versteher“ hinstellen und ihm eine einseitige, antiwestliche Auslegung vorhalten. „Es ist nicht Anti-Amerikanismus, wenn man die Politik der USA kritisiert. Leider fehlt eine Debattenkultur, die es erlaubt, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten“, sagt Lüders wohl auch in Richtung der Verfasser eines vorangegangenen zweiten Offenen Briefes, in dem der Freundeskreis und die Universitätsleitung erneut für die Vergabe der Gastprofessur an Michael Lüders angegangen wurden.
Wie zuvor für den Iran zeichnete Lüders am Montag die Linie amerikanischer Interventionen in Syrien nach. Einem bereits 1949 vom amerikanischen Geheimdienst CIA in Syrien angezettelten Putsch folgten 1956 und 1957 zwei weitere – allerdings erfolglose. Auf Lüders wirken sie wie „Trockenübungen“ für den späteren Versuch, Baschar al-Assad von der Macht zu stoßen. Analog zum Sturz des demokratisch gewählten iranischen Regierungschefs Mossadegh 1953 identifiziert Lüders auch in Syrien wirtschaftliche Interessen als Triebkräfte der Interventionen. Einmal verweigerte Damaskus den Bau einer Öl-Pipeline durch sein Staatsgebiet, später die Verlegung einer Gasleitung.
Lüders bringt erneut das Weltbild der „guten“, werteorientierten westlichen Staaten ins Wanken. Schubkraft des politischen Handelns sei vielmehr von Egoismus getriebene Macht- und Geopolitik. „Solange Despoten prowestlich ausgerichtet sind, hat der Westen kein Problem mit ihnen“, meint Lüders und führt als Beleg den amtierenden ägyptischen Machthaber Al-Sisi ins Feld.
Alles hängt mit allem zusammen: Die Putsche in Syrien treiben Damaskus in die Arme der Sowjetunion bzw. Russlands, Amerikas Ablehnung gegenüber dem Iran und seine schützende Hand über Saudi-Arabien schürt die Rivalität der beiden Regionalmächte, der Einmarsch der USA in den Irak und weitere Interventionen in der Region verschärfen den innerislamischen Konflikt zwischen Schiiten, Sunniten, Wahhabiten und Alawiten. Dieser Zusammenschnitt unterstreicht Lüders´ Kernaussage ebenso wie die Komplexität des Krisenherdes Naher Osten.
Der Blick auf die Entwicklungen in dieser Region vom Zweiten Weltkrieg bis in die heutige Zeit bringt Lüders zu dem Schluss, dass die westlichen Machthaber keine Lehren aus der Geschichte gezogen haben und dass mehr Rationalität in der Geopolitik dringend geboten wäre. Angesichts vieler loser Konflikt-Enden im Nahen Osten stehe zu viel auf dem Spiel.
Letzter Vortrag von Gastprofessor Michael Lüders:
„Flüchtlinge und Terror: Die sichtbarsten Kehrseiten der Strategie `Sieben Kriege in fünf Jahren´“
Montag, 10. Juli 2017, 18 Uhr, Universität Trier, Audimax (Mensa-Gebäude)
Quelle: https://www.uni-trier.de/index.php?id=54724&tx_ttnews%5Btt_news%5D=22292&cHash=00803bdbdfd8e59db9ef74b3e7062303
Siehe auch: https://www.uni-trier.de/index.php?id=54724&tx_ttnews%5Btt_news%5D=22259&cHash=289c0da0480eec98730094d4d8350a18
< Aiman Mazyek Mitglied des DAG-Beirats in der FAZ vom 12.06.2017