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08.02.2018

 

Süddeutsche: Wie muslimische Männer unter dem Patriarchat leiden

 

Über muslimische Männer hat jeder eine Meinung und oft keine gute. Befragungen in vier arabischen Ländern liefern nun bemerkenswerte Erkenntnisse. Von Shereen el-Feki

 

Ein Mann schaut auf dem Kairoer Tahrirplatz aus dem Fenster eines Nahverkehrsbusses. (Foto: Regina Schmeken)

Als die AfD-Politikerin Beatrix von Storch jüngst von "barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden" twitterte, wurde ihr Twitterkonto gesperrt, aber das uralte rassistische Stereotyp war wieder in der Welt. Vor 80 Jahren hatten die Nazis gegen jüdische Männer gehetzt, die angeblich die Reinheit der deutschen Frau bedrohten. Nun machten Deutschlands Rechte gegen die "muslimische" Gefahr mobil, technisch deutlich fortgeschrittener.

 

Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem derartige Vorurteile gedeihen. In Südafrika und Rhodesien, dem heutigen Simbabwe, nutzten Generationen weißer Machthaber die vermeintliche "Schwarze Gefahr", um die Rassentrennung zu rechtfertigen: Nur auf diese Weise ließen sich weiße Frauen vor angeblich sexgierigen schwarzen Männern schützen, so die Behauptung. In den Vereinigten Staaten dauerte es bis ins Jahr 2000, ehe das letzte Verbot der Rassenmischung fiel. Und in Indien schüren Hindu-Nationalisten seit Jahren die Spannungen zwischen den Religionen, indem sie von einem "Liebes-Dschihad" muslimischer Männer fantasieren, mit dem diese angeblich Hindu-Frauen in die Ehe locken und zum Islam verführen.

 

Der wirtschaftliche Druck ist groß: Viele schaffen es nur mit Schmerztabletten durch den Tag

Muslimische Männer haben ein Image-Problem. Die sexuellen Übergriffe in Köln oder die Terroranschläge haben das verbreitete Bild arabischer Männer als übersexualisierte, mörderische oder selbstmörderische Gewalttäter gefestigt. Zwar lehnt die weitaus größte Mehrheit arabischer Männer solche Taten ab. Aber inzwischen wird die Mitte für die Haltung der Extreme in Haftung genommen, und dies hat politische Folgen, wenn US-Präsident Donald Trump ein Einreiseverbot für Muslime anstrebt ebenso wie durch die fatale Anziehungskraft der AfD.

 

Dabei sind die so intensiv diskutierten Männer der arabischen Welt wissenschaftlich betrachtet fast ein Mysterium. Sie gelten als Säulen der Patriarchats, aber im Grunde haben wir kaum belastbare empirische Daten über ihr Selbstbild, ihr Frauenbild oder ihren Blick auf die Welt. Genderforschung und Genderpolitik widmen sich - zu Recht - vor allem Frauen und Mädchen, denn sie leiden am meisten unter frauenfeindlichen Gesetzen, Praktiken und Vorstellungen. Einen Wandel ohne Wissen aber wird es nicht geben. Solange wir nicht begreifen, wie Männer die neue Rolle der Frauen sehen, wird man ihnen kaum helfen können, ihre Ansichten zu ändern.

 

Als Frau ist es nicht leicht, mit Männern ins Gespräch über solche schwierigen Fragen zu kommen. Deshalb wandte ich mich an die Nichtregierungsorganisation Promundo aus Washington, die wegweisende Studien über Männer und Jungen durchgeführt und Zehntausende Männer in Dutzenden Ländern befragt hat. Zwei Jahre lang haben Promundo und ich zusammen mit lokalen Partnern, Behörden und den UN fast 10 000 Männer und Frauen zwischen 18 und 59 Jahren in Ägypten, Libanon, Marokko und Palästina befragt. Unsere Ergebenisse bestätigen und erschüttern die gängigen Vorstellungen gleichermaßen.

 

Die Männer in diesen Ländern stehen unter enormem Druck. Mehr als 90 Prozent von ihnen gaben an, dass sie um ihre Sicherheit fürchten und sich Sorgen um die Zukunft ihrer Familien machen. Dies betrifft nicht nur die syrischen Flüchtlinge in Libanon oder die Palästinenser in den von Israel besetzten Gebieten, sondern auch ganz normale Männer in Ägypten oder Marokko. Hauptursache dafür ist die Wirtschaft. Diese Männer - und Frauen - definieren Männlichkeit zuerst und vor allem durch die Fähigkeit, ihre Familie zu unterhalten. Aber die Zeiten sind hart, die Arbeitslosigkeit unter jungen Männern ist hoch, und selbst jene, die einen Job haben, kommen kaum über die Runden. Die Hälfte der befragten Männer in Ägypten und Palästina gab an, dass sie sich häufig gestresst oder depressiv fühlen oder sich vor ihren Familien schämen. Über 60 Prozent der Männer fürchten, dass sie ihre Familie nicht ernähren können.

 

Viele Studien auch aus anderen Regionen der Welt zeigen einen Zusammenhang zwischen Männlichkeit und Broterwerb. Und wie überall hat er tief greifende Konsequenzen für die männliche Gemütsverfassung. In Ägypten sprachen die Männer davon, dass sie nur mit Schmerztabletten durch den Tag kommen. Syrische Flüchtlinge berichten, dass sie sich in doppelter Hinsicht entmannt fühlen - durch den Mangel an Arbeit und die staatliche Überwachung. Beides führt dazu, dass ihre Frauen und Töchter mobiler sind und mehr Geld verdienen, sei es durch humanitäre Hilfe oder Kleinjobs.

 

Die herkömmliche häusliche Ordnung wird auf den Kopf gestellt. Ein Marokkaner sagte uns: "Es ist eine Last. Wir sollen arbeiten, heiraten, ein stabiles Einkommen garantieren. Aber das ist sehr schwer. Männer sind ebenfalls Opfer dieser überkommenen Vorstellungen von Männlichkeit und Patriarchat."

 

Dieser ökonomische Imperativ prägt den Blick auf den Platz der Frauen in der Welt. Zwar halten über 60 Prozent der Männer die Bildung von Jungen für so wichtig wie die von Mädchen, aber ebenfalls mehr als die Hälfte der Befragten findet die Heirat für Frauen wichtiger als eine berufliche Laufbahn. Fast alle sind der Ansicht, dass Männer gegenüber Frauen bei einem Mangel an Arbeit bevorzugt eingestellt werden sollen - eine Überzeugung, die übrigens viele Frauen teilen.

 

60 Prozent der Frauen werden Opfer sexueller Belästigung im öffentlichen Raum

Die Realität spiegelt diese Ansichten wider. Frauen machen in der arabischen Welt nur ein Viertel der Beschäftigten aus - einer der geringsten Anteile weltweit. Arabische Frauen sind heute besser gebildet als früher, aber dies schlägt sich nicht in der Beschäftigung nieder. Beides erhöht den Druck auf die Geschlechter.

 

Bei einigen Themen sind Frauen sogar noch konservativer als Männer. So sind etwa 70 Prozent der Ansicht, Frauen sollten häusliche Gewalt tolerieren, um die Familie zusammenzuhalten. Für die meisten ist dies keine theoretische Frage. 40 Prozent der befragten Frauen gaben an, von ihrem Ehemann irgendwann physisch misshandelt worden zu sein. Es ist eine der höchsten Zahlen weltweit, und der Anteil psychischen Missbrauchs ging noch darüber hinaus. Im öffentlichen Raum werden 60 Prozent der Frauen der vier Länder Opfer sexueller Belästigungen, vor allem anzüglicher Bemerkungen, oft aber auch bedrohlicher Begegnungen.

 

Dem entspricht die Zahl der Männer, die solche Übergriffe zugaben. Viele haben selbst Missbrauch erlebt. Ein Drittel wurde als Junge zu Hause geschlagen, 80 Prozent in der Schule. Viele gaben an, dass sie schon einmal in Straßenschlägereien geraten sind oder Opfer staatlicher Gewalt wurde. All dies hat Folgen: Männer, die zu Hause geschlagen wurden oder erlebten, wie ihre Mütter geschlagen wurden, werden mit größerer Wahrscheinlichkeit ihre Ehefrauen schlagen oder Frauen in der Öffentlichkeit belästigen.

 

Es gab auch hoffnungsvolle Ergebnisse. Araber sind begeisterte Väter. 80 Prozent befürworten eine bezahlte Elternzeit. Im Dezember hat das libanesische Kabinett eine dreitägige Väterzeit beschlossen, es sind nicht die erhofften sechs Wochen, aber besser als nichts.

 

Viele sprachen von einer "Krise" der Männlichkeit, doch würde es der Ausdruck "Kreuzung" wohl besser treffen. Männer und Frauen der arabischen Welt sind gefangen zwischen einer Vergangenheit, die nicht mehr zu ihrer Gegenwart passt, und einer ungewissen Zukunft. Auffällig ist, dass sich insbesondere die Ansichten junger Männer über Frauen und ihre Rechte kaum von denen älterer unterscheiden. Junge Frauen hingegen sind progressiver als ihre Mütter und Großmütter.

 

Frauen zweifeln den Nutzen neuer Gesetze an, da sie weiter die Last des Haushaltes tragen

Vieles ist widersprüchlich: Einerseits befürworten die meisten Männer eine Ächtung häuslicher Gewalt und das Scheidungsrecht für Frauen, andererseits beschreiben sie diese juristischen Regelungen zusammen mit der wirtschaftlichen Unsicherheit als doppelten Angriff auf ihre Männlichkeit. Frauen wiederum zweifeln am Nutzen neuer Gesetze, da sie weiterhin die Hauptlast des Haushaltes tragen.

 

Es mag schwierig sein, mit Männern über solche Fragen ins Gespräch zu kommen, aber bei Weitem nicht so schwierig wie die Aufgabe, ihre Antworten zu verändern. Einige Nichtregierungsorganisationen arbeiten daran, beispielsweise Abaad in Libanon, Sawa in Palästina, Quartiers du Monde in Marokko oder Shuft Taharrusch in Ägypten. Es ist ein zäher Kampf, den eine Marokkanerin mit den Worten beschrieb: "Mit den Männern in unserem Teil der Welt ist es wie mit Wasser und Öl. Man kann sie im Wasser von Bildung, Kultur, Reisen und Globalisierung baden, aber das Öl traditioneller Ansichten schwimmt immer an der Oberfläche."

 

Unter Druck und Hitze können sich Öl und Wasser verbinden, aber der Aufwand wäre hoch und die Stabilität gering. Vielversprechender wäre es, die Zutaten zu verändern. Jene Männer, die tatsächlich Windeln wechseln und für die Gleichberechtigung eintreten, sind meistens Söhne von Vätern, die ihrerseits in der Küche geholfen und Entscheidungen gemeinsam mit ihren Frauen getroffen haben - oder deren Mütter einen höheren Bildungsgrad hatten. Diese Minderheit ist der Schlüssel für Veränderung. Doch wird es eher eine sexuelle Evolution sein, keine Revolution.

Shereen el-Feki ist Immunologin und Professorin an der Universität von Toronto, Kanada. Zuletzt erschien von ihr das Buch "Sex und die Zitadelle. Liebesleben in der sich wandelnden arabischen Welt". (Hanser-Verlag Berlin). Aus dem Englischen von Sonja Zekri.

 

   

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