Furchtloser Kriegsreporter, erfolgreicher Autor, streitbarer Charakter: Peter Scholl-Latour war vieles. Nur still, das war er nie. Kaum eine TV-Couch, auf der er nicht saß, kaum eine außenpolitische Debatte, die er nicht mitprägte, kaum ein Wohnzimmer, in dem nicht seine Reportagen aus den Krisenregionen dieser Welt über den Bildschirm flimmerte.
Was Scholl-Latour dort nicht verpackte, schrieb er in Sachbüchern nieder. Mit Werken wie „Der Tod im Reisfeld“ erreichte er Millionenauflagen. Die Veröffentlichung seines letzten Buches wird er nicht mehr miterleben. Am 16. August 2014 starb der Schriftsteller und Journalist im Alter von 90 Jahren. Am 12. September, knapp vier Wochen nach seinem Tod, erscheint „Der Fluch der bösen Tat – Das Scheitern des Westens im Orient“ (Propyläen, 24,99 Euro).
Merkel, die „Zarin aus der Uckermark“
Die ersten Auszüge, welche die „Bild“-Zeitung nun veröffentlicht hat, bergen Sprengstoff. Denn Scholl-Latour rechnet ab – mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, der gestrauchelten Weltmacht USA und den Medien. Merkel, die er spöttisch die „Zarin aus der Uckermark“ nennt, gelte zwar als „die mächtigste Frau der Welt“, zitiert die „Bild“. „Deshalb glauben wohl die Emissäre Berlins bei ihren Auslandsauftritten, ihren ‚unterentwickelten‘ Gastgebern Mängel an Demokratie und Meinungsfreiheit vorwerfen zu müssen.“
„Aber was berechtigt ausgerechnet jenes Volk, das sich im Wahn seiner Rassenideologie der scheußlichsten Gräueltaten europäischer Geschichte schuldig machte, als Sittenwächter und Künder einer freiheitlichen Ordnung aufzutreten, die ihr erst durch die amerikanische Besatzung oktroyiert wurde?“
„Der dümmste Ausdruck ist ‚Putin-Versteher‘“
Den „perfekte organisierten Institutionen“ der USA, Großbritanniens und Israels wirft Scholl-Latour eine „umfassende Desinformation“ vor. Mit den Medien geht er laut „Bild“-Auszügen ebenso hart ins Gericht: „Der dümmste Ausdruck, der den deutschen Kommentatoren in den vergangenen Monaten eingefallen ist, um jene Stimmen zu diffamieren, die ein Minimum an Objektivität bei der Beurteilung der russischen Diplomatie anforderten, lautet ‚Putin-Versteher‘.“
Verständnis für die Beweggründe des russischen Präsidenten hatte Scholl-Latour bereits zuvor an den Tag gelegt. In seinem letzten Interview mit FOCUS Money vom März 2014 hatte er die Annexion der Krim mit den Worten verteidigt: „Nikita Chruschtschow - 1954 russischer Generalsekretär und selbst aus der Ukraine stammend - hat die vormals russische Halbinsel Krim der ukrainischen Sowjetrepublik vermacht. Und das ist ja nicht unbedingt bindend.“
Im April 2014 beantworte Scholl-Latour mit elf weiteren Prominenten, darunter US-Republikaner John McCain, Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger und Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, im FOCUS die Frage nach einem Konflikt in der Ukraine: „Es wird keinen Krieg geben. Die Ukrainer müssen sich auf einen föderalen Staat einigen. Die Ostukraine passt einfach nicht zur Westukraine. Und die Krim ist russisch, und wird es bleiben.“ Diese Unbequemheit scheint Scholl-Latour auch im neuesten, seinem letzten Buch beibehalten zu haben.
erschienen auf focus.de
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